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„Das große Datenvolumen ist keine Herausforderung“

Q-DAS-Manager im Interview
„Das große Datenvolumen ist keine Herausforderung“

Die Menge an Daten in der Produktion wächst rapide. Edgar Dietrich, Gründer, und Michael Wagner, Geschäftsführer von Q-DAS, erklären, was deren Echtzeitanalyse der Qualitätssicherung bringt und was sich geändert hat, seitdem das Unternehmen zu Hexagon gehört.

Q-DAS ist spezialisiert auf die Datenanalyse in der Qualitätssicherung. Was ist derzeit der Treiber für dieses Thema in den Unternehmen?

Edgar Dietrich: Durch Themen wie Digitalisierung und Big Data ist auch auf Management-Ebene angekommen, dass die Informationen in den Daten stecken. Und dass es darum geht, wie ich diese dort herausbekomme. Ich glaube, das ist der wesentliche Treiber. Das Topmanagement ist zwar noch nicht zwingend immer unsere Ansprechpartner. Wir bewegen uns aber verstärkt dorthin.
Michael Wagner: Wir haben natürlich immer konkrete Aufgabenstellungen. Wir arbeiten auch nicht in dem Big-Data-Bereich, in dem es um unstrukturierte Daten geht. Wir wollen nicht in irgendwelchen Datenfriedhöfen irgendetwas auswerten. Wir messen die Fertigung mit allen Messsystemen, die idealerweise in unser Datenformat schreiben, und versuchen dabei, strukturierte Datenflüsse zu erzeugen, die dann alle in eine gemeinsame Datenbank wandern. Dort lässt man dann die Informationen mit Prozessparametern, Temperatureinflüssen, Drücken und ähnlichen Dingen korrelieren. Aber immer in einer strukturierten Form.
Sie sprechen von Datenfriedhöfen. Es gibt jedoch Experten, die im Zuge von Industrie 4.0 empfehlen, möglichst alle anfallenden Daten zu sammeln, um sie irgendwann mal analysieren zu können—auch solche, die man heute noch nicht verwerten kann.
Dietrich: Diese Leute sitzen aber auch nicht in der Produktion.
Das heißt?
Dietrich: Wir verfolgen einen anderen Ansatz. Unsere Kunden haben klare Fragestellungen. Und darauf richten wir den Datenfluss aus. Dafür machen wir mit dem Kunden einen Workshop. Dort wird geklärt, welche Informationen er erhalten möchte. Und dann funktioniert es mehr oder minder wie beim Nürnberger Trichter. Wir entscheiden, was oben rein muss, damit unten etwas Verwertbares rauskommt.
Wagner: Wenn der Kunde die Daten in so einem Workshop passend strukturiert, können wir in einem relativ überschaubaren Rahmen starten. So kommt man schon mit relativ geringen Mitteln zum Ziel.
Wie lange dauert denn ein solches Projekt typischerweise?
Dietrich: Das ist unterschiedlich und hängt unter anderem von der Größe des Unternehmens ab. Die reine Implementierung kann in drei, vier Tagen erledigt sein. Unter Umständen müssen wir noch einen Konverter schreiben oder vielleicht hier und da noch etwas programmieren. Aber zu 95 % können wir die Anforderungen in einem Projekt über unseren Standard und entsprechende Konfigurationen abdecken.
Zählt zu diesen Anforderungen, die Antworten in Echtzeit zur Verfügung zu haben?
Dietrich: Ja, natürlich. Wenn Sie eine Produktion laufen haben, dann wollen Sie doch wissen, in welchem Status diese ist. Ein Motorenwerk zum Beispiel produziert 800 Motoren pro Tag. Da können Sie sich nicht um 9 Uhr die aktuelle Situation anschauen und dann glauben, dass sie um 16 Uhr noch genauso ist. Dann haben Sie möglicherweise schon 600 oder 700 Motoren zu Schrott gefahren. Das geht nicht. Also braucht man Realtime-Informationen.
Wagner: Nehmen Sie etwa einen Motorenblock, bei dem 1000 oder 2000 Merkmale geprüft werden. Wenn die Messung in unser System reinkommt, haben wir nach wenigen Sekunden eine Aussage. Zum Beispiel: Wie ist die Qualität? Habe ich irgendwelche Spezifikationen überschritten? Muss ich jemanden informieren? Zu diesen Informationen erhalte ich dann auch die dazugehörige Historie.
Wie wichtig sind auch diese Informationen?
Dietrich: Der Vergleich mit der Historie ist sehr wichtig. Die umfassende Information erhalte ich erst durch den Rückblick. Ich muss die Ergebnisse mit dem Zustand vergleichen, den ich mal erreicht habe, mit dem ich zufrieden bin. Das ist die Information, die wichtig ist.
Wie viel Aufwand bedeutet es, Echtzeitinformationen aus der Produktion zu erhalten?
Dietrich: Wenn es gelingt, die Daten strukturiert vorzuhalten, ist der Aufwand gering. Wenn die Selektionskriterien vordefiniert sind, dann ist es nur eine Frage, die Daten da rauszuholen. Nur so lässt sich ein Automatismus erzeugen.
Die Entwicklung rund um Industrie 4.0 wird zu einem massiven Datenwachstum führen. Stellt das nicht eine große Herausforderung für die Datenanalyse dar?
Dietrich: Ich habe vor kurzem mit einem großen Turbinenhersteller für Flugzeuge gesprochen. Der hat gesagt: „Zurzeit erfassen wir täglich 100 Millionen Data Points. In zehn Jahren werden es zwei Milliarden sein.“ Aber das große Datenvolumen ist keine Herausforderung, wenn man die Daten in strukturierter Form vorhält.
Wagner: Über die Sensoren in der Fertigung kann man gigantische Datenmengen sammeln. Aber es ergibt keinen Sinn, diese einfach ungefiltert zusammen vorzuhalten. Ich muss mir überlegen, was ich mit den Daten mache. Wie verheirate ich die mit den Bauteilen, die ich bemesse? Ich muss die Bauteile und die Prozessparameter miteinander korrelieren. Nur so bekomme ich dann den wahren Wert zurück. Dabei spielt aber auch derjenige in der Fertigung eine Rolle, der seine Prozesse kennt. Blindwütig auf die Daten loszugehen, ergibt keinen Sinn, ohne den Prozess als solchen zu kennen. Das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt.
Sind denn aus Ihrer Sicht schon alle Voraussetzungen für Industrie 4.0 geschaffen?
Dietrich: Die Datenquellen, der Informationsfluss und die Rechnerleistung sind vorhanden. Was nach wie vor nicht hundertprozentig vorhanden ist, ist eine klare Kommunikationsschnittstelle. Wir versuchen natürlich mit aller Macht, AQDEF voranzutreiben. Aber im Moment sehe ich niemanden, der sagt: „So, jetzt machen wir die Kommunikation einmal weltweit einheitlich.“ Ich denke, das ist der größte Hemmschuh für Industrie 4.0.
Es fehlt also die Standardisierung?
Wagner: Es gibt so viele Formate, die standardisiert worden sind. Aber diese ganzen Formate haben immer Erklärungsbedarf. AQDEF haben wir letztlich auch nur auf Drängen eines Kunden erfunden, der die Daten von verschiedenen Messgeräten miteinander vergleichen wollte. Das war damals ein Ding der Unmöglichkeit, denn jeder hat in seinen proprietären binären Formaten irgendetwas gemacht. Bei AQDEF haben wir ganz klar auf Einfachheit gesetzt. Das ist oft das Entscheidende – dass ein Format einfach zu implementieren und ganz klar strukturiert ist.
Mit AQDEF hat Q-DAS eine Schnittstelle geschaffen, mit der Daten von Messgeräten für die statistische Auswertung einheitlich bereitgestellt werden können. Wie sieht es nun mit der offiziellen Standardisierung des Formats aus?
Dietrich: Mittlerweile gibt es Hunderte von Firmen, die die Spezifikation unterstützen. Nächstes Jahr werden wir AQDEF als ISO-Standard herausbringen
Wann genau?
Dietrich: Ich sage mal: Ende nächsten Jahres.
Welchen Einfluss darauf hat die Tatsache, dass Q-DAS im vergangenen Jahr von Hexagon übernommen wurde?
Dietrich: Die entsprechende ISO-Gruppe ist unabhängig von Hexagon. Gleich zu Beginn der Control 2015 gab es ein Gespräch zwischen Hexagon-CEO Norbert Hanke und dieser Gruppe. Dort hat Hanke unter anderem gesagt: „Ihr könnt weitermachen wie bisher. Hexagon wird euch nicht reinreden.“ Und es gibt überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln.
Wie haben denn die Anwender auf die Übernahme reagiert?
Dietrich: Ich würde sagen, unterm Strich mehr als positiv. Ich wüsste nicht, dass wir irgendwelche Kunden deswegen verloren haben. Ich habe immer gesagt, wir drehen ein großes Rad. Trotzdem waren wir weltweit nur 80 Mitarbeiter. Und da machen sich natürlich auch die Kunden ihre Gedanken, ob wir dieses große Rad weiterdrehen können — auch weltweit. Daher ist es eher positiv aufgenommen worden, dass wir in einem größeren Konglomerat nun zum Beispiel viel mehr dezentrale Supportmöglichkeiten haben.
Wagner: Vielen Kunden hat es mehr Sicherheit gegeben, dass wir jetzt in so einem großen Konzern eingebettet sind.
Wie unabhängig ist Q-DAS noch bei der Entwicklung?
Dietrich: Aus Hexagon Metrology wurde ja mittlerweile Hexagon Manufacturing Intelligence. Das zeigt, in welche Richtung es geht. Uns hat man in der Division namens Thinking die Software-Entwicklung übertragen. Dazu gehören noch acht Entwickler in Huntsville/Alabama, und nochmals zwölf oder 14 in Shanghai und Qingdao.
Die kommen von Hexagon?
Dietrich: Richtig. Die haben die Manufacturing Management Suite entwickelt, die Anfang des kommenden Jahres gelauncht wird. In dieser spielen auch die Q-DAS-Produkte eine zentrale Rolle. Und die Entwicklungsverantwortung liegt jetzt hier bei uns. Das heißt also: Von der Thinking-Division tragen wir 80 oder 90 % der Software-Entwicklungsverantwortung. Wir reden also über eine Stärkung dieses Standortes und überhaupt der Firma Q-DAS.
Wagner: Dass die Übernahme natürlich auch Auswirkungen auf die Q-DAS-Software hat, ist gar keine Frage. Aber parallel dazu findet der klassische Q-DAS-Software-Entwicklungszweig unabhängig von Hexagon statt. Aus meiner Sicht existiert da wahnsinnig viel Potenzial, um Entwicklungen voranzutreiben, die früher mit unseren Ressourcen nicht möglich gewesen wären.
Die Q-DAS-Produkte werden also eigenständig bleiben? Man muss nicht in fünf Jahren die Manufacturing Management Suite kaufen, um Q-DAS-Software verwenden zu können?
Dietrich: Nein. Der Trend wird natürlich schon mehr Integration sein – wenn das der Kunde will. Aber die Manufacturing Management Suite besteht aus mehreren Bundles. Ich erkläre das so: Das ist ein Werkzeugkasten, wo nun nochmals ein paar Fächer dazugekommen sind. Ich kann also den ganzen Werkzeugkasten haben, dann heißt es Manufacturing Management Suite. Oder ich nehme nur bestimmte Teile. Dann habe ich die Q-DAS-Produkte. Die Namen werden auch nicht verschwinden, sie sind weit verbreitet.
Die Manufacturing Management Suite wird für andere Systeme offen bleiben?
Dietrich: Auf jeden Fall.
Welche Themen stehen denn als nächstes auf der Q-DAS-Roadmap?
Dietrich: Es gibt einen ganz starken Trend in Richtung Web. Man braucht nur einen Browser und kann — egal, wo man sich auf der Welt befindet — auf seine Applikationen zugreifen. Das führt oft dazu, dass auch Abteilungsleiter oder Manager die entsprechenden Funktionen nutzen. Die schauen sich dann mal schnell an, wie die aktuellen Qualitätszahlen aussehen.
Wagner: Dazu gehören natürlich auch Dash-Boards. Das ist ein ganz wichtiges Thema, womit wir uns ebenfalls beschäftigen. Das gibt einem die Möglichkeit, nicht nur die Maschinensicht einzunehmen, sondern übergeordnete Ebenen zu betrachten — zum Beispiel die gesamte Fertigung.
Neben der Akquisition von Q-DAS durch Hexagon gab es in der vergangenen Zeit weitere Übernahmen in der Branche. Werden wir gerade Zeuge einer Konsolidierung im Markt für Qualitätssicherung?
Dietrich: Ja, und die wird sich noch fortsetzen. Ich denke, das hat auch eine gewisse Logik. Die QS-Anbieter wollen verstärkt in den Software-Bereich gehen. Und dann haben sie zwar die Möglichkeiten, selbst zu entwickeln. Aber wo wollen sie die Leute und das Know-how herbekommen? Also kaufen sie doch lieber ein und integrieren es.
Gibt es aus Sicht der Anwender das Bedürfnis, möglichst viel Technik aus der Hand eines Anbieters zu erhalten?
Dietrich: Auf der Software-Seite gilt das sicherlich. Das war auch der Grund, warum wir vor ein paar Jahren eine Kooperation mit iqs eingegangen sind. Wir haben gemerkt, das es Kunden gibt, die alles aus einer Hand haben wollen. Wenn die nun CAQ-Software von iqs kaufen, dann haben sie automatisch auch Q-DAS-Produkte. ■

Die Autoren
Sabine Koll Markus Strehlitz Redaktion Quality Engineering

Über Q-DAS
Q-DAS mit Sitz in Weinheim bietet Software und Services, um mithilfe von statistischen Methoden ein Qualitätskennzahlensystems in der industriellen Produktion aufzubauen. Laut Firmenangaben vertrauen über 8000 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und rund 200 000 Benutzer weltweit auf die Q-DAS-Software. 2015 wurde der Anbieter von Hexagon übernommen.
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