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E-Dopern auf der Schliche

Passive Signaldetektion oder aktive Signalerzeugung
E-Dopern auf der Schliche

E-Doping oder Motor-Doping ist im Radsport eine reale und akute Bedrohung . Der Radsport-Weltverband UCI will den Kampf gegen minimalinvasive technische Dopingsysteme weiter verschärfen. Das Fraunhofer IZFP stellt verschiedene Technologien zum Aufspüren versteckter Hilfsmotoren zur Verfügung, wie sie auch in der Industrie Anwendung finden.

Spätestens seit Januar 2016 gibt es Gewissheit, dass es im Radsport Motor-Doping tatsächlich gibt: Die 19-jährige belgische Radcross-Fahrerin Femke van den Driessche wurde wegen eines im Fahrradrahmen verborgenen Elektromotors des technischen Betrugs überführt und mit einer Sperre durch den UCI belegt. „Dieses Problem ist schlimmer als Doping, die Zukunft des Radsports steht hier auf dem Spiel«, befindet Thierry Braillard, der französische Staatssekretär für Sport. Doch wie kann man dieser Bedrohung bei einer derart aufwändigen Großsportveranstaltung mit ihrer immensen logistischen Veranstaltungsstruktur entgegentreten?

Das Fraunhofer IZFP in Saarbrücken stellt entsprechende zerstörungsfreier Inspektionsmethoden zur Verfügung, um zweifelsfrei und zuverlässig verborgene Motoren jeglicher Art im Radsport aufzuspüren und nachzuweisen. Die Aufgabe besteht dabei darin, aus einer riesigen Palette möglicher Systeme die für die diversen Nutzeranforderungen geeignetsten auszuwählen oder zu kombinieren. Aus Sicht der Anwendung sollen die Inspektionen einfach, mobil, schnell, kostengünstig und zuverlässig sein, selbstverständlich ohne das Sportgerät zu beschädigen oder zu beeinträchtigen. Ideal wäre überdies eine automatisierte und assistierte Prüfung durch eingewiesenes Überwachungspersonal. Diesen Job sollen bei der Tour de France die sogenannten Commissaire übernehmen.
Die Messungen können in zwei Modi durchgeführt werden, mit passiver Signaldetektion oder aktiver Signalerzeugung. Für die passive Detektion bieten sich Sensoren und Prüfsysteme an, die Signale auffangen, welche von versteckten Hilfsantrieben unabhängig von deren Einschaltstatus ausgehen und im Umfeld des Fahrrades empfangen werden können. Das Prüfgerät erkennt auf Grundlage einer intelligenten Datenauswertung mit neuesten Methoden der Mustererkennung etwaige Auffälligkeiten am Fahrrad und stellt diese bildlich dar.
Bei der aktiven Detektion schickt das Prüfsystem selbst Signale in das Prüfobjekt, die von versteckten Motorkonstruktionen verändert beziehungsweise gestört werden. Dies funktioniert unter anderem mit Systemen auf Basis elektrischer, magnetischer, thermischer oder mechanischer Effekte sowie mit Kombinationen davon.
Die Verfahren folgen einem dreifachen Design: Erstens sind sie so ausgelegt, dass sie für Menschen unschädlich sind. Zweitens arbeiten sie berührungslos, so dass ihr mobiler Einsatz und der Einsatz aus einer gewissen Entfernung möglich sind. Drittens sind sie imstande, große Flächen abzudecken und ihre Ergebnisse bildgebend darzustellen. Eine einfache zielführende Strategie, die in beiden Fällen des beschriebenen messtechnischen Zugangs anwendbar ist, kombiniert mehrere Maßnahmen: Inspektionen vor dem Start und nach dem Zieleinlauf betreffen jedes zum Einsatz kommende Rad und alle Ersatzteile. Während des Rennens erfolgt ein engmaschiges Monitoring von Rad und Fahrer mit Messgeräten, die mobil auf der Strecke oder stationär vom Straßenrand aus arbeiten. Das Ganze kann noch durch von den Fahrern zu tragenden Tracking-Armbänder mit integrierten Sensoren ergänzt werden. Damit können Manipulationen sicher aufgedeckt und ausgeschlossen werden.
Auswertung akustischer Auffälligkeiten
Für den ersten Ansatz – „emittierte“ Signale durch versteckte Antriebe mit mechanischer Übertragung – bietet sich die Auswertung akustischer Auffälligkeiten im Vergleich zu den akustischen Emissionen „sauberer“ Fahrräder an. Derartige akustische Emissionen könnten während des Vorbeifahrens der Räder an Messstationen, die mit empfindlichen Mikrophon-Arrays und passender Signalverarbeitung ausgestattet sind, aufgezeichnet werden. Durch eine akustische Signaturanalyse lassen sich feinste Auffälligkeiten herausfiltern.
Bei einer weiteren Methode des Fraunhofer IZFP handelt es sich um die thermographische Inspektion mit Infrarotkameras (Wärmebildkameras). Derartige Kameras sind imstande, Temperaturunterschiede von ca. 0,05 °C zu detektieren, wie sie am Rahmen durch Elektromotor oder Akku entstehen. „Eine sichere Merkmalserfassung sollte auch hier durch eine intelligente Prüfsignalauswertung und geschultes Personal ergänzt werden«, erklärt Professor Bernd Valeske, Abteilungsleiter Komponenten- und Bauteilprüfung und stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer IZFP.
Sehr einfach und kostengünstig lassen sich auch magnetische Messsonden einsetzen. In Form sogenannter Fluxgate-Sensoren sind diese Sonden imstande, selbst kleinste Magnetfelder – also auch von ausgeschalteten Elektromotoren – zu detektieren. Nachdem das Fahrrad (Rahmen, Räder, Anbauteile) von einer solchen Sonde abgescannt wurde, werden magnetische Besonderheiten auf einem Anzeigegerät wie etwa einem Tablet dargestellt. Auch hier macht die Aufbereitung der detektierten Messsignale durch eine Software das physikalische Messergebnis gegenüber dem vom Wissenschaftler eingesetzten Oszilloskop-Signal der physikalischen Ur-Daten für den ungeübten Anwender besser interpretierbar.
Mehrstufige Inspektionsstrategie
Eine einfache mehrstufige Inspektionsstrategie zur Verhinderung von E-Motor-Doping stützt sich auf die Messergebnisse von Thermographie-Kameras und Magnetfeldsonden. Räder, die auf Grundlage dieser Daten als verdächtig eingeordnet werden, können danach zur zweifelsfreien Absicherung einer weiteren zerstörungsfreien Prüfung unterzogen werden, bei der ein Blick ins Bauteilinnere die Sachlage definitiv klärt: Mit den vom Fraunhofer IZFP entwickelten digitalen Röntgentechniken lassen sich versteckte Hilfsmotoren im zunächst unzugänglichen Inneren der Räder sehr sicher und wenn gewünscht auch dreidimensional abbilden.
Selbstverständlich ist auch bei diesen Technologien keine Beeinträchtigung von Mensch und Umfeld zu befürchten. Solche digitalen Radiographie-Systeme lassen sich leicht in einem Messfahrzeug verstauen und sind mit einer allgemeinen Betriebserlaubnis auch mobil an unterschiedlichen Orten und ohne Notwendigkeit für die oftmals vermuteten großen Sicherheitsvorkehrungen durch Fachpersonal nutzbar.
Das physikalische Prinzip ähnelt dem von „Gepäckscannern“ an Flughäfen. Auch hier können die Prüfnachweise durch eine automatisierte Auswertesoftware deutlich verbessert und vereinfacht werden, worauf sich das Fraunhofer IZFP bei der digitalen Radiographie spezialisiert hat. ■
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