Kettenreaktion

Ingo Schübel, Vision-Spezialist bei der SICK Vertriebs GmbH, Düsseldorf

Neueste Bildverarbeitungstechnologie kombiniert mit einer sehr flexiblen und leistungsstarken Programmbibliothek zur Bildauswertung – das ist die Stärke der IVC-2D. Ob Formen, Geometrien, Größen oder Designs – der OEM oder Anwender kann die Kamera über die grafische Programmieroberfläche sehr detailliert auf seine Bedürfnisse bei der Objekterkennung einstellen. Hierfür stehen über 100 Software-Tools zur Verfügung, mit denen – neben der Erkennung von Zeichen, Zahlen und Logos – die unterschiedlichsten zweidimensionalen Parameter überprüft werden können. Beim Antriebs- und Förderkettenhersteller Rexnord Kette kam es genau darauf: auf die simultane Prüfung unterschiedlicher Merkmale eines Kettengliedes. Dabei sollten alle Kettenelemente zu 100% kontrolliert werden – nachdem das Kamerasystem zuvor den jeweiligen Kettentyp identifiziert und das passende Prüfprogramm automatisch aufgerufen hat.

Das Unternehmen Rexnord Kette GmbH im rheinland-pfälzischen Betzdorf produziert mit etwa 350 Mitarbeitern eines der weltweit umfangreichsten Kettenprogramme zum Antreiben und Fördern für unterschiedlichste Bereiche und Einsatzzwecke im Maschinenbau. Kette ist dabei nicht gleich Kette: Allein in der Flyer- und Rollenketten-Produktion werden fast 50 verschiedene Kettengrößen hergestellt – als Endlosmaterial oder als Kettenstücke. Hinzu kommen Laschen- und Sonderketten in den verschiedensten Ausführungen. Über das gesamte Produktprogramm hinweg – insgesamt etwa 5.000 Kettenvarianten – summieren sich die hergestellten Ketten auf eine Gesamtlänge von etwa 3,5 Millionen Meter. Das Unternehmen setzt neben Anwendungsexpertise vor allem auf hochwertige Produkte mit absoluter Zuverlässigkeit. Nicht umsonst wurde Rexnord vor einigen Jahren von den Universitäten Braunschweig und Siegen nach eingehenden Vergleichsprüfungen zum Europa-Meister für Qualitätsketten gekürt. Folgerichtig ist man anhaltend an einer „Titelverteidigung“, d.h. der Optimierung der Prozess- und Produktqualität interessiert. Und da jede Kette nur so stark ist wie das schwächste Glied, suchte man nach einer zeitgemäßen und innovativen Lösung, die jede Kette zu 100% prüft und dabei fehlerhafte Kettenglieder zuverlässig erkennt. Weitere Forderungen waren u.a. eine robuste, wartungsarme und bedienfreundliche Sensorlösung, die automatische Erkennung unterschiedlicher Kettentypen sowie die Bild- und Datenausgabe über Ethernet.

In Zusammenarbeit mit den SICK-Systempartner AKL-tec wurde die Aufgabenstellung mit der Smartkamera IVC-2D gelöst. „Das System bietet eine umfangreiche Softwarebibliothek, die die Programmierung vereinfacht. Die Kamera ist industriegerecht ausgeführt, einfach zu bedienen und verfügt über On Board Ethernetschnittstellen für den schnellen Signal- und Bilddatentransfer“, sagt Rüdiger Elben von AKL-tec. „Zudem kann die eingesetzte Hintergrundbeleuchtung einfach über M12 Steckverbindungen an die Smartkamera angeschlossen und die Belichtungszeit über das Step-Programm der Kamera gesteuert werden.“ Nach der Durchführung der Machbarkeitsstudie entwickelte AKL-tec die passende mechanische Prüfeinrichtung, integrierte die Systemkomponenten Smartkamera, Beleuchtung, PC, Anzeige und SPS und passte die Kamera- und PC-Software an das Prüfprogramm an.

…. der Kettenproduktion beginnt in der Montage. Hier werden die Ketten aus unterschiedlich vielen Einzelteilen zusammengesetzt und vernietet. Anschließend erhält die Kette in einer Reckeinrichtung die richtige Länge sowie die erforderliche Vorbelastung. Danach erfolgt die zunächst eine mechanische Prüfung der Kette hinsichtlich der Kontur und der Beweglichkeit der Kettenglieder. Anschließend wird die Kette der Prüfstation zur Bildaufnahme zugeführt und der Kettentyp von der IVC-2D im Durchlichtverfahren automatisch erkannt und vermessen. Dann wird jedes Kettenglied anhand verschiedener Merkmale geprüft, z. B. Anwesenheit der Einzelteile, Höhe, Parallelität und Abstand von Bolzen- und Laschenkanten zueinander. „Bis zu 10 Kettenglieder können pro Sekunde inspiziert werden“, weist AKL-tec – Projektleiter Oliver Czapla auf die hohe Durchsatzleistung von Kamera und Prüfautomat hin. Das Triggersignal zur Bildaufnahme erfolgt über den mechanischen Vorschub der Kette. Im aufgenommenen Bild werden die entsprechenden Bereiche des aktuellen Kettengliedes rot – für: nicht in Ordnung – und grün – für: in Ordnung – markiert. Wird ein defektes Kettenglied erkannt, sendet die IVC-2D die entsprechenden Signale an die SPS des Prüfautomaten, der dann den Vorschub der Kette stoppt. Der Bediener repariert die Kette und prüft an dieser Stelle erneut; er hat keine Möglichkeit, diese Prüfung zu umgehen. Nach i.O.-Prüfung wird das aufgenommene Bild sowie Statistikinformationen der Kette an einen übergeordneten Embedded-PC per FTP & TCP/IP-Protokoll übermittelt. Archivierte Bild-, Fehler- und Produktionsdaten können über die USB-Schnittstelle ausgegeben und weiterverarbeitet werden, z. B. zur nachträglichen Optimierung einzelner Produktionsschritte.

Aufgrund des rauen, industriellen Umfeldes legte der Endanwender Rexnord zunächst großer Wert auf ein industriegerechtes Kamerasystem in Schutzart IP65. Darüber hinaus wurde eine flexible und dabei bedienfreundliche Inspektionslösung gewünscht, die die große Zahl unterschiedlicher Kettenvarianten beherrscht, einen automatischen Produktwechsel durch Identifikation des Kettentyps und Aufruf des passenden Prüfprogramms unterstützt und die im Mehrschichtbetrieb von wechselnden Mitarbeitern bedient werden kann. „All diese Anforderungen werden von der IVC-2D zuverlässig erfüllt“, bestätigt Rüdiger Elben. Die Kamera hat die bislang erforderlichen Rüstzeiten beim Wechsel des Kettentyps eliminiert. Dank der IVC-2D ist die gesamte Prüfeinrichtung zudem für den Mitarbeiter einfach zu bedienen. Die Ingenieure von AKL-tec ihrerseits profitierten bei der Entwicklung der Prüflösung von der umfangreichen Softwarebibliothek „IVC-Studio“ der Smartkamera. „Durch die flexible Kombination der verschiedenen Prüfalgorithmen konnten wir die erste Version der Kettenprüfung bereits nach drei Tagen Entwicklungszeit starten und wichtige Informationen für die Optimierung des Prüfprozesses gewinnen“, blickt Oliver Czapla zurück.

Der Einsatz der IVC-2D hat den gesamten Prüfprozess bei Rexnord Kette revolutioniert. Aufgrund der Smartkamera bieten die Prüftische jetzt eine Reihe von Möglichkeiten bei der Prozesssteuerung, der Qualitätskontrolle und der Datenauswertung, die vorher nicht zur Verfügung standen. Mit den aus der Archivierung der Fehlerdaten gewonnen Informationen können zudem drohende Anlagendefekte ermittelt und die Einzelteilproduktion optimiert werden. Damit befindet sich der Qualitätsstandard von Rexnord Kette auf höchstem Niveau: Seit der Inbetriebnahme der Prüftische konnte bei einem „schwachen“ weil fehlerhaften Kettenglied immer rechtzeitig und richtig reagiert werden. Die Folge: Es werden nur noch Ketten mit „starken“ Kettenglieder ausgeliefert. Insofern dürfte auch einer erfolgreichen Verteidigung des „Europa-Meister“ – Titels bei Qualitätsketten durch Rexnord Kette nichts im Weg stehen – so denn der Wettbewerb wieder einmal ausgetragen werden sollte…

SICK AG, Waldkirch

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