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Riskanter Schutz

2014 kommt das neue EU-Patent
Riskanter Schutz

Große Hoffnungen setzt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) auf das einheitliche EU-Patent, das ab Frühjahr 2014 die Rechtssicherheit innerhalb der EU erhöhen und den Schutz von Erfindungen besonders für kleine und mittlere Unternehmen erleichtern soll. Das neue System birgt jedoch durchaus Risiken.

„Ein Patent mit Schutzwirkung für mehrere Länder zu erlangen, kann derzeit sehr teuer werden. Gerade für den innovationsfreudigen deutschen Maschinen- und Anlagenbau wäre ein kostengünstiges und rechtssicheres EU-Patent mit einer effizienten Gerichtsbarkeit daher mit einem echten Mehrwert verbunden“, erklärt Christian Steinberger, Leiter der VDMA-Rechtsabteilung.

Grundsätzlich handelt es sich bei dem neuen Patent mit einheitlicher Wirkung um ein zusätzliches Instrument. Das heißt, ein nationales oder ein Europäisches Patent, das für beliebig viele der 36 Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) Gültigkeit besitzt, kann auch weiterhin beantragt werden. Der Unterschied zwischen den beiden europäischen Systemen: Das bisherige europäische Patentbündel gilt nicht automatisch für alle EPÜ-Vertragsstaaten. Es muss vielmehr in jedem Mitgliedstaat, in dem es gelten soll, validiert werden. Dadurch entstehen im Vorfeld erhebliche Übersetzungs- und Anwaltskosten. Hinzu kommen Anmelde- und Prüfgebühren sowie die jährlich steigende Pauschale, die entrichtet werden muss, um den Schutz zu verlängern.
Hier scheint das EU-Patent mit einheitlicher Wirkung große Vorteile zu bringen. „Sobald das neue System voll funktionsfähig ist, könnte ein EU-Patent nur noch 4.724 Euro kosten, weit weniger als die heute üblichen 36.000 Euro“, ließ das Europäische Parlament Mitte Dezember 2013 verlauten. Das gilt jedoch nur für den Erwerb des Schutzes. „Bei Patentstreitigkeiten wird die Rechtslage komplexer und die Prozesse vor dem neuen EU-Patentgericht (EEUPG), das dafür geschaffen werden soll, dauern länger“, sagt der Patentrechtsexperte Alexander Harguth von der Kanzlei McDermott Will & Emery.
Obwohl das EU-Patent für Unternehmer zunächst den größtmöglichen Schutz bietet, kann es jederzeit von Wettbewerbern angegriffen werden. Im Extremfall könnte man die Rechte an seinen Entwicklungen auch auf einen Schlag in allen Ländern verlieren. Wie teuer die juristischen Auseinandersetzungen dadurch werden, ist noch unklar.
„Kleine und mittlere Unternehmen werden beispielsweise die Ausgaben im Fall von Schadensersatzansprüchen nicht aus der Portokasse zahlen können“, meint Jürgen Friedrich, Geschäftsführer der Gesellschaft für Marken- und Patentrechtsschutzversicherung Vertriebsgesellschaft mbH (GMP). Auch Andreas Haberl, der bei Preu Bohlig & Partner große und mittelständische Unternehmen im Gewerblichen Rechtsschutz berät, ist überzeugt: „Es bleibt deutlich günstiger, in Deutschland ein rein nationales Patent durchzusetzen oder zu verteidigen.“ Länderübergreifende Patente und der damit verbundene Schutz von Trade Secrets tragen jedoch wesentlich zum Wirtschaftswachstum bei und sind nicht zuletzt für den Maschinen- und Anlagenbau unverzichtbar. „Die politischen Entscheidungsträger sollten nun zügig den Ratifizierungsprozess aufnehmen“, fordert Steinberger deshalb.
Eine Gefahr beim EU-Patent ist allerdings, dass nicht nur Mitbewerber aus Deutschland, sondern aus allen teilnehmenden Staaten auf eine Erfindung aufmerksam werden. „Dadurch werden Klagen und Plagiate in Zukunft wohl häufiger. Es geht also um eine Risikoabwägung für den Anmelder“, so die Einschätzung von Friedrich. Da die meisten deutschen Unternehmen ihre Produkte in andere europäische Länder exportieren und sie dementsprechend auch dort vor Plagiaten schützen müssen, ist eine Nichtanmeldung kein Ausweg aus dem Dilemma. Gerade für KMU und Einzelpersonen kann eine ergänzende Patentrechtsschutzversicherung hier zusätzliche Sicherheit schaffen: „Mit dieser Rückendeckung können selbst kleinere Betriebe einen Angriff einigermaßen unbeschadet überstehen und haben die Möglichkeit, auch einem Größeren zu zeigen, dass sie vor einer Konfrontation nicht zurückschrecken“, erklärt der Versicherungsexperte.
Das bisherige Anmelde- und Prüfungsverfahren bleibt auch für das neue System gültig: Bevor das Europäische Patent erteilt wird, muss geprüft werden, ob die Anmeldung den Erfordernissen für Patentierbarkeit genügen. Ist das Patent erteilt, kann der Erfinder bis zu einem Monat danach beantragen, dass das Europäische Patent eine einheitliche Wirkung in der EU haben soll. Je nach Absatzmarkt muss ein Unternehmer abwägen, welches Instrument in seinem Fall das Beste ist. Harguth: „Wenn eine Erfindung zusätzlich zur deutschen Anmeldung nur in wenigen Staaten geschützt werden soll, weil ihre Durchsetzung nur dort in Betracht kommt, können nach wie vor Einzelanmeldungen in den jeweiligen Ländern sinnvoll sein. Sofern ein breiter regionaler Schutz angestrebt wird, liegt es nahe, ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung anzumelden.“ ■
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