Es gibt unzählige Gehaltsübersichten, die oft mehr verwirren als helfen. So veröffentlichte die FAZ im April dieses Jahres eine Gehaltsentwicklung für Ingenieure, die auf regionalen Jahresdurchschnittsgehältern beruht. Dass Stuttgart und Frankfurt das Ranking anführen, kennt man aus der Vergangenheit, aber Erlangen mit einem Durchschnittsgehalt von 80 639 Euro auf Platz 3 verwundert den Praktiker.
Viele Menschen klammern sich daran, weil sie sich daraus Fakten für das Einstellungsgespräch oder das anstehende Gehaltsgespräch erhoffen. Als Personalberater im mittelständischen High-Tech-Umfeld können wir über den Inhalt solcher Übersichten häufig nur den Kopf schütteln. Sicherlich sind Unternehmen oft bereit, bei bestimmten Positionen neuerdings entscheidend höhere Einstiegsgehälter zu bezahlen als noch vor einigen Jahren. Nur handelt es sich hierbei um Einzelfälle, die der Berufseinsteiger nicht verallgemeinern sollte.
Die Einkommensspanne für Nachwuchsingenieure mit einem Masterabschluss liegt heute oftmals zwischen 42 000 und 68 000 Euro. Selbst die Daten, die neuerdings zum Beispiel bei Xing über Stellenausschreibungen veröffentlicht werden, entsprechen leider oft nicht der Realität. Wir wollen nicht gleich Churchill zitieren mit seiner Aussage „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast….“. Es ist eher die Komplexität des Themas, die am Ende an der Aussagekraft zweifeln lässt.
Mittelständler bieten mehr Aufstiegsmöglichkeiten
Durch die Vielzahl der Variationen und die geringe Zahl der vergleichbaren Datenerhebungen kommt im Schnitt eine Zahl heraus, die meist nicht zutrifft. Wie soll man auch die unterschiedlichsten Facetten, die das passende Gehalt begründen in repräsentativer Anzahl erheben, um verlässliche Angaben zu erhalten?
Wenn vor allem Berufseinsteiger auf einem Einstiegsgehalt, basierend auf solchen Gehaltsübersichten, pochen würden, wäre an dieser Stelle leider oft der Bewerbungsprozess vorbei. Viele kleine und mittelständische Unternehmen zahlen anfangs weniger, aber mit der schnell wachsenden Verantwortung gleicht sich dies dann meist wieder aus. Auch Berufswechsler sollten erst einmal ihr derzeitiges Gehalt als Basis nehmen, vor allem wenn sich der Verantwortungsrahmen nicht grundlegend ändert.
Gerade Bewerber, die für einen Job zum Beispiel ins teure München ziehen müssten, gehen davon aus, dass dort für die gleiche Aufgabe auch mehr gezahlt wird, um die Mietkosten auszugleichen. Dem ist leider nicht so, da die Unternehmen hier oft wenig Spielraum haben. Dem Weltmarkt ist letztlich egal, wo die Produkte hergestellt werden. In München ist der Freizeitwert daher oft Teil des Gehaltes.
Woher kommt es dann, dass der südliche Teil Deutschlands in den Statistiken so gut wegkommt? Hier haben sich vermehrt Konzerne aus Branchen angesiedelt, die tendenziell gut bezahlen: zum Beispiel Elektronik, Automotive sowie Luft- und Raumfahrt.
Gerade Einstiegsgehälter hängen oft von der Unternehmensgröße, der Innovationskraft, dem Verkaufswert der Produkte und letztlich auch von der Verfügbarkeit passender Bewerber ab. Dieser Mix prägt den Einkommensrahmen. Eine gute Nachricht für die Unternehmer: Die künftige Bewerbergeneration zeigt sich nicht mehr so geldaffin und lässt sich gelegentlich auch durch andere Aspekte motivieren, die sie selbst gestalten können – wie etwa Unternehmenskultur, flexible Arbeitszeitmodelle, spannende Aufgabenstellungen oder wertschätzende Führung.
Gehaltsstudien geben Überblick
Wie kann man den passenden Einkommensrahmen einschätzen? Unser Rat an die Unternehmen: Nutzen Sie die Gelegenheit, bei einer regionalen branchenbezogenen Gehaltsstudie mitzumachen, wenn sich die Möglichkeit bietet.
Unser Rat an die Bewerber: Wenn Ihnen die Aufgabe zusagt, dann vertrauen Sie darauf, dass das Unternehmen Sie nicht unter Wert bezahlen wird. Es ist eine Mär, dass Unternehmen in den Gehaltsverhandlungen oft versuchen, den neuen Mitarbeiter quasi über den Tisch zu ziehen. Denn unterbezahlte Mitarbeiter merken das und verlassen das Unternehmen spätestens dann frustriert, wenn sie eingearbeitet sind und so richtig wertvoll für das Unternehmen werden.
Letztlich ist es jedoch ohnehin das Gesamtpaket des Arbeitgebers, bestehend aus Jahresgehalt, Arbeitszeit, Wertschätzung und Perspektive, welches dem Mitarbeiter das Gefühl gibt, dass seine Arbeitsleistung adäquat honoriert wird. ■
Personal & Karriere
Die Beratungsgruppe
wirth + partner informiert regelmäßig über Personal und Karriere,
Die Autorin:
Dorothee Bischof