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Der Qualitäter nervt

Qualitätsmanagement-Beauftragte brauchen den Rückhalt der Geschäftsführung
Der Qualitäter nervt

Der Qualitäter nervt
Qualitätsmanagement und Geschäftsführung müssen miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, um erfolgreich zu sein Bild: Fotolia/Robert Kneschke
Die Rolle des Verantwortlichen für das Qualitätsmanagement verändert sich. Doch als interner Berater hat er häufig damit zu kämpfen, dass die Unternehmensleitung ihn nicht auf Augenhöhe akzeptiert, sondern vor allem als Bremsklotz sieht. Die Digitalisierung fordert zudem neue Kompetenzen.

Qualitätsmanagement kostet nur Geld und Nerven – das sei die Einstellung vieler Geschäftsführer in den Unternehmen, meint Stephan Joseph. „Die Chefs wollen damit am liebsten nichts zu tun haben“, berichtet Joseph, der als Berater auf das Thema Qualitätsmanagement spezialisiert ist.

Viele Aufgaben, die gerne auf die Qualitätsmanagement-Beauftragten (QMB) abgeschoben werden, sieht Joseph jedoch als Sache der Führungsebene. Dazu zählt er zum Beispiel die Verantwortung dafür, dass Prozesse die beabsichtigten Ergebnisse liefern. Auch Berichte über die Notwendigkeit für Veränderungen seien keine Tätigkeiten des QMB. Die neue ISO 9001 fordere, die Verantwortlichkeiten für solche und andere Aufgaben im Unternehmen genau zu definieren.
Nach Meinung von Benedikt Sommerhoff nimmt die Norm die Führungskräfte sogar ausdrücklich in die Pflicht. „Die Revision weist die Verantwortung für das Thema Qualität nun eindeutig und stringenter als die vorherigen Versionen der Unternehmensleitung zu“, heißt es in einem Artikel, den Sommerhoff im vergangenen Jahr für Quality Engineering verfasst hat. „In der heutigen Zeit, mit komplexen Produkten und sich ständig verändernden Rahmenbedingungen ist es eine fachliche Herausforderung, eine Organisation qualitätsfähig zu machen.“ Sommerhoff ist Abteilungsleiter bei der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ).
Wichtige Aufgabe des QMB ist es, die Führungskräfte dabei zu unterstützen. Laut Joseph sind QMB besonders in größeren Unternehmen daher verstärkt an Schulungsthemen interessiert. Sie treibe die Fragen um, wie die Führungskräfte mit ins Boot geholt und wie diese entsprechend trainiert werden können. „Das ist zur Zeit die größte Herausforderung für die QMBs“, sagt Joseph.
Experten wie Joseph und Sommerhoff sehen diese Mitarbeiter daher in einer neuen Rolle, die auch einen andere Namen verlangt. „Ich würde einen QMB mittlerweile eher als Leiter Organisationsentwicklung oder als internen Berater für Management und Qualität bezeichnen“, meint Joseph.
Dafür muss der QMB jedoch auf Augenhöhe mit der Unternehmensleitung agieren. Auf dem Weg zum internen Berater fordert Sommerhoff von den Qualitätsexperten Mut zur Verantwortung und den Ausbau der eigenen Führungskompetenz. „Qualitätsmanager müssen proaktiv eine kommunikative Rolle als Gestalter und Organisationsarchitekten einnehmen.“
Dabei ist es nach Meinung von Sommerhoff wichtig, dass Qualitätsmanager ihren Nutzen für den Unternehmenserfolg und ihren Beitrag zum Erreichen der Firmenziele aufzeigen. „Gelingt dies, gehen sie gestärkt aus der ISO-Revision hervor und können auf den echten Rückhalt der Unternehmensführung bauen“, so Sommerhoff.
Firmenkultur ist der Turboantrieb für das Managementsystem
Berater Joseph stellt aber auch Forderungen an die Firmenleitung. Denn in seiner neuen Rolle wird der QMB selbst zum Manager. „Und dabei entsteht dann die Frage, ob der höchste Manager dies zulässt“, sagt Joseph. Der QMB müsse also auch auf Augenhöhe akzeptiert werden. „Es ist entscheidend, dass beide Hand in Hand arbeiten und nicht gegeneinander“, so Joseph.
Ob der QMB in seine neue Rolle findet, ist somit auch eine Frage der Unternehmenskultur. „Sie ist der Turboantrieb für das Managementsystem“, hebt Joseph hervor. „Die Firmenkultur bestimmt, ob das Qualitätsmanagement gelebt wird oder nur eine Daseinsberechtigung als Pappe an der Wand besitzt.“
Joseph glaubt, dass viele QMBs von ihrer Unternehmensleitung nur als Bremsklotz gesehen werden, der mit Normen und Lizenzierungen das Alltagsgeschäft behindert. Die Folge: Wer schon länger im Job ist, wird zunehmend desillusioniert. „Dabei sind viele QMBs sehr neugierig auf Veränderungen“, sagt Joseph, „sie wissen jedoch, dass sie diese in ihrem Firmen nicht umsetzen können.“
In den kleineren Unternehmen ist die Situation nicht besser. Dort werde dem Verantwortlichen für die Qualitätssicherung auch noch das Qualitätsmanagement quasi übergestülpt, meint Joseph. Für eine Person allein ist es allerdings schwierig, beiden Bereichen gleichermaßen gerecht zu werden – angesichts der komplexer werdenden Aufgaben. Laut Sommerhoff könnten die Qualitätsverantwortlichen keine eierlegende Wollmilchsau sein.
Das gilt noch verstärkt, wenn in den kommenden Jahren die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Qualitätsexperten sichtbar werden. „Der QMB wird künftig gut beraten sein, sich Wissen über Datenbanken und IT im Allgemeinen anzueignen“, so Joseph. Industrie 4.0 wird solche Kompetenzen zunehmend von den Mitarbeitern einfordern – unter anderem von denen, die sich mit Qualitätsmanagement und -sicherung beschäftigen.
Diese müssen auch damit umgehen, dass die Menge der zur Verfügung stehenden Informationen extrem anwachsen wird. Gefordert sei Know-how in Sachen Big Data, so Sommerhoff. „Die Qualitäter müssen wissen, welche Daten für sie interessant sind und welchen Erkenntnisgewinn sie daraus ziehen können.“ ■

Der Autor
Markus Strehlitz
Redaktion
Quality Engineering
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