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5xWarum?

Mit kleinen Schritten zu großen Erfolgen:
5xWarum?

Eines der bekanntesten TQM-Werkzeuge ist die 5xWarum?-Ursachenforschung, die im vergangenen Jahrhundert in Japan entwickelt wurde. Die leicht erlernbare Methode ziert jedes Qualitätslehrbuch und wird von vielen Trainern gerne unterrichtet. Wie aber sieht es mit der Anwendung in der täglichen Arbeit aus? Während seiner Zeit als Quality Manager bei MAPEI, Canada, hat Marc Magot die Methode in den kontinuierlichen Verbesserungsprozess eingebunden.

Birgit Otto, BSC, MA BO Consult, Business Excellence Moderation, Ostfildern

„Wir brauchten etwas Praktisches und Sichtbares,“ sagt Marc Macot. „Es war wichtig, dass wir die Methode direkt in der Produktion verwenden konnten und zwar mit den Werkzeugen, die wir da ohnehin haben: ein paar Stifte, ein bisschen Papier und die Wände um uns herum!“ Das verschmitzte Lachen, die freundlichen Augen und Marcs Talent im Witze erzählen haben der neuen Methode sicherlich ganz besonders den Weg geebnet, aber Marc ist sich sicher, dass auch andere die Methode im eigenen Arbeitsfeld leicht umsetzen können. Voraussetzung sei allerdings dass er oder sie davon überzeugt ist, dass kontinuierliche Verbesserung und die kompromisslose Jagd nach Fehlern zusammen gehören. „Es ist ganz einfach. Sammeln Sie einfach alle Fehler, die während der Herstellung auftreten, finden Sie die Ursachen, entscheiden Sie, wie Sie das Problem beheben und stellen Sie sicher, dass jemand da ist, der die Umsetzung verfolgt.“ Klingt einfach – aber wie hat es Marc gemacht?
Fehler sammeln
„Normalerweise wurde eine Fehlerkorrektur durch fehlerhafte Produkte, Information von Mitarbeitern oder Analysen der QM nach Audits angestoßen.“ Dies, so Marc, sei regelmäßig geschehen, da bei MAPEI alle Mitarbeiter von der Idee permanenter Verbesserung geradezu beseelt gewesen seien. Dabei wäre es vorgekommen, dass schon ein einzelner Ausreißer zur Korrektur führte oder erst nach Auftreten mehrerer Abweichungen entsprechend Maßnahmen ergriffen worden wären. Mit so vielen verschiedenen Quellen, aus denen die Fehler ermittelt wurden, fiel Marc als Quality Manager die Aufgabe zu, diese Daten zu analysieren und sich den Überblick zu verschaffen. „Die Werkzeuge, die ich dabei benutzte, waren im Grunde genommen Indikatoren für Abweichungen wie Non-quality Costs, Errors in Production, Errors in Shipping oder die Daten, die zur Überwachung unserer Prozesse erhoben wurden.“ Neben der Analyse, so Marc weiter, sei aber sein guter Kontakt mit der Produktion ein ganz entscheidender Faktor gewesen. „Es kommt darauf an, ein ganz klares Signal zu senden, dass man derjenige ist, der Fehler auf der Suche nach tollen Lösungen ausgräbt und nicht Individuen mittels Fehlern fertig machen möchte. Wer solche Machtspielchen betreibt, hat schon verloren!“ Schließlich sei man als Quality Manager meist in einer heiklen Lage, so Marc weiter und müsse den Balanceakt zwischen Management und Mitarbeitern ebenso bewältigen wie den Spagat zwischen Produktion und Profit. Das sei, so Marc mit einem Augenzwinkern, wirklich etwas für ausgemachte Diplomaten.
„Wir hatten zum Beispiel ein Problem – oder richtiger ein Verbesserungspotential – in einer der Fertigungslinien. Die Abweichung war festgestellt worden, aber der Produktionsleiter behauptete, das Problem sei längst unter Kontrolle und die genannte Anzahl Abweichungen sei eigentlich völlig normal. Er widersetzte sich jeder Fehlerbehebung. Diplomat hin oder her: Wenn es um Qualität geht, kann ich auch ziemlich hartnäckig sein. Also habe ich mir die aktuellen Werte direkt von den Mitarbeitern geholt, die in dem Bereich arbeiteten und sich täglich mit diesen Abweichungen herumärgern mussten. Sie gaben mir nur zu gerne Auskunft… Nachdem wir nur eine kurze Zeit Daten gesammelt hatten, zeigte sich, dass wir wirklich einen dicken Fisch an der Angel hatten. Die Daten wurden dem obersten Führungskreis präsentiert, der Druck auf den Produktionsleiter ausübte, damit die Verbesserung in die Gänge kam.“ Seit dieser Episode habe er den Ruf weg gehabt, dass seine Daten stimmten, so Marc lachend, und man sich besser nicht auf einen Kampf um deren Richtigkeit einlassen sollte. Von da an sei er stattdessen immer öfter gebeten worden, bei der Analyse der Ursachen zu helfen.
Gruppieren und Sortieren
Ehe man nach den zugrunde liegenden Ursachen forscht, solle man, so rät Marc, die Fehler sammeln und sie schon einmal sortieren. Das helfe, Verbindungen zu erkennen und schärfe den Blick für den Gesamtzusammenhang. „Man könnte z.B. alle Fehler für ein Produkt zusammenstellen oder ein bestimmtes Problem, das in mehreren Schichten auftaucht,“ schlägt er vor. Natürlich seien die Fehler nicht mit den Ursachen identisch, das sei ja der Kern der ganzen „5xWarum?“- Methode. Aber sie zu gruppieren erleichtere die Arbeit, auch wenn sich später herausstelle, dass Fehler einer Gruppe unterschiedliche Ursachen haben.
Ursachen finden
Marc erinnert noch einmal an die Ausgangslage bei MAPEI: „Wir hatten weder Ressourcen noch Zeit und wir waren gewillt, Fehler, die wir entdeckt hatten, so zu beheben, damit sie nicht wieder auftraten und uns schlaflose Nächte bereiteten.“ Wenn ein Problem entdeckt worden sei, so habe man zunächst einmal die betroffenen Personen zusammengerufen, egal ob Produktionsleute oder Top Management. „Aber binden Sie in jedem Fall die betroffenen Mitarbeiter mit ein, entweder bei der Ursachenanalyse oder beim Entwickeln des Verbesserungsplans. Sie müssen schließlich mit dem Ergebnis leben!“. Mit diesem Treffen beginne der Prozess. Jedermann wird über das Problem informiert, so dass alle das gleich Verständnis und die gleiche Informationsgrundlage haben. Dann beginne die Ursachenforschung mit einem gemeinsamen Brainstorming. Oft genug wurden die Ideen von Marc einfach auf einem an die Fabrikwand geklebten Flipchartpapier festgehalten. Meistens sei dieser erste Schritt für alle Beteiligten schon sehr lehrreich, da man den Umfang des Problems erst durch die Gruppe wirklich erfahre.
„Wenn sich aus den möglichen Ursachen, die das Brainstorming hervorgebracht hat, Zusammenhänge ergeben, so kann man im nächsten Schritt diese gruppieren,“ sagt Marc und dann sei es Zeit für die Bewertung dieser möglichen Ursachen mit Hilfe der „5xWarum?“- Methode. Ganz systematisch müsse man bei jeder möglichen Ursache fragen: „Warum?“ und die Antwort, die man erhalte wiederum mit einem „Warum?“ hinterfragen, solange bis man auf die eigentliche Ursache des Problems stoße. (Wer Kinder hat, kennt diese Methode aus dem ff!) „Wenn wir alle Ursachen identifiziert hatten, dann brachten wir sie in ein Baumdiagramm, das die Basis unseres Verbesserungsplans wurde.“ Nun ginge es an die Umsetzung und so müsse für jede Ursache eine Verbesserungsaktivität beschlossen, ein realistischer Bearbeitungszeitraum und ein Akteur gefunden werden. Fertig sei der Aktionsplan. Das ganze Treffen habe zwischen einer und anderthalb Stunden gedauert. „Länger soll es auch nicht dauern,“ sagt Marc Schließlich habe man genügend Zeit, den Plan bei den nächsten Treffen zu ergänzen, falls man beim ersten Mal etwas übersehen hat.
„Als wir anfingen, habe ich die ersten Treffen für die Gruppen vorbereitet und moderiert, weil ich Erfahrung hatte. Aber nach einigen Sitzungen waren die Gruppen, die ein Problem beheben wollten, bald selbst in der Lage, die Analyse durchzuführen.“ Marc beschränkte sich darauf, den Aktionsplan und die „5xWarum?“-Ursachenforschung zu validieren. Im Rahmen seiner Arbeit als Quality Manager konnte er nun die einzelnen Verbesserungspläne und deren Umsetzung so lange überprüfen, bis alle Aktivitäten abgearbeitet waren, und das Problem gelöst war. „Als wir einmal begonnen hatten, stellten wir schnell fest, dass bestimmte Fehler an den verschiedensten Stellen immer wieder auftauchten. Da wir mit dieser einfachen Visualisierung arbeiteten, waren alle Ursachen vor aller Augen und wir konnten besonders diejenigen anpacken, mit denen wir den größten oder schnellsten Effekt erzielen konnten,“ fasst Marc sein ganz persönliches Lernerlebnis zusammen. Wenn man nun noch die Pareto-Regel anwende, dann arbeite man noch effektiver und könne sich um die 20% der Ursachen kümmern, die 80% der Fehler verursachen.
„Als wir mit der „5x-Warum?“ – Ursachenforschung begannen, fanden wir bald heraus, dass man kaum fünfmal zu fragen brauchte, um an die eigentliche Ursache zu kommen,“ verrät Marc. So könne man etwa bei einem aufgedeckten Fehler „Mitarbeiter verwendet ein falsches Werkzeug“ wie folgt analysieren:
  • 1. Warum? Es gibt keine Arbeitsanwei-sung, welches Werkzeug zu verwenden ist.
  • 2. Warum? Ich vergaß, eine Arbeitsanweisung zu schreiben.
  • 3. Warum? Die wurde zu jener Zeit nicht gebraucht.
Meistens sei schon auf der dritten Stufe klar, wie man das Problem zunächst einmal anpacken könnte. So würde in unserem Beispiel möglicherweise eine weitere Analyse dazu führen, dass man bemerkt, dass es kein Verfahren für die Überprüfung der aktuellen AAs gibt. „Dies würde vielleicht eine weitreichende Verbesserungsaktivität auslösen. Aber ist es nicht viel besser, wir stellen fest, da fehlt eine AA und einer schreibt sie ruckzuck?“ fragt Marc pragmatisch. „Dann ist an dieser Stelle schnell und unbürokratisch alles wieder im Lot und wir können uns den nächsten Fehlern zuwenden.“
Für Marc liegt der besondere Charme darin, dass das System sich langsam entwickeln kann. Er rät auch dazu, sich mit dieser Methode wirklich in kleinen Schritten an die systematische Verbesserung zu wagen. „Früher wollten sich unsere Leute gleich auf die dicken Brocken stürzen. Kleine Ursachen, die klar auf der Hand lagen, schienen sie weniger zu reizen. Die neue Vorgehensweise, bei der alle möglichen Ursachen erst einmal aufgezeichnet werden, sensibilisierte uns, auch auf die kleinen Dinge zu achten, die manchmal große Auswirkungen haben.“
Die Nacharbeit übernahm das QM. Um das System einfach zu halten, wurde nur Software verwendet, die auf allen Rechnern installiert war. Der Plan (siehe Fotos) wurde mit Excel erstellt. Mit ein bisschen (von Marcs) Fantasie wurde sowohl die Ursachenforschung als auch der Aktionsplan ein einer Datei untergebracht. Mit Hilfe von farbigen Unterlegungen lässt sich so leicht ein Farbsignal über den Status Quo geben, das jeder versteht. „Auch die Überprüfung des Plans geht ganz einfach,“ sagt Marc. „Man tippt die aktuellen Ergebnisse einfach in die gleiche Datei. Schauen Sie sich einfach das Beispiel an, dann können Sie sehen, wie ich es gemacht habe.“
Verbesserung um 92%
Trotz oder vielleicht gerade wegen der einfachen Methode, erzielten alle Mitarbeiter bei MAPEI wirkliche Verbesserungen, überschaubar, machbar und jeden Tag. So berichtete zum Beispiel die Versandabteilung: Wir sind der Meinung, dass einer unserer Kollegen einfach nicht richtig arbeitet (und daher Fehler entstehen). Daraufhin habe man gemessen und den Prozess der „5xWarum?“-Ursachenforschung gestartet. Das Ergebnis war verblüffend einfach: Der Kollege hatte nie eine Einweisung erhalten. Warum? Er hatte zunächst in der Nachtschicht begonnen, wo ihn niemand mehr einweisen konnte, nachdem der einzige qualifizierte Trainer MAPEI verlassen hatte. Der Kollege bemühte sich nach Kräften, aber auch die Arbeitsanweisungen waren nicht mehr auf dem neuesten Stand. Marc: „Da wussten wir: Wir müssen die AA erneuern, einen Trainer und diesen Mitarbeiter ausbilden.“ Das Ergebnis ließ sich sehen: Die Fehlerrate in der Abteilung sank von sechs pro Woche auf ein bis zwei pro Monat, „eine wirklich akzeptable Rate, wenn man die Menge der Aufträge bedenkt, die hier bearbeitet werden müssen,“ sagt Marc.
In einem anderen Fall ging es um die Wiederverwertung alter Produkte, die niemand machte. Die erste Ursachenforschung ergab, dass während der Stoßzeiten der Produktion keiner Zeit dazu hatte. „In der Vergangenheit hätten wir einen geharnischten Erlass ausgegeben und die Leute gezwungen, dieses verdammte Recycling noch irgendwie auf die Reihe zu bringen,“ sagt Marc, gespieltes Entsetzen auf seinem Gesicht. „Mon Dieu, stellen Sie sich vor mit welchen Konsequenzen!“
Die Ursachenforschung auf breiter Basis mit „5x-Warum?“ brachte an den Tag, dass der Zugang zu den wieder zu verwertenden Produkten nicht allen offen stand, nicht alle wussten, was wiederverwertet werden sollte und schließlich auch unklar war, wie gutes und recyceltes Material sich zueinander verhielten. Nachdem diese Ursachen entdeckt waren, war der Plan schnell geschmiedet, um das Problem aus der Welt zu schaffen. „Obwohl zunächst nur das Problem eines Bereichs gelöst wurde, hatte die Lösung Auswirkungen auf die gesamte Produktion, da wir sie auf andere Bereiche übertragen konnten,“ resümiert Marc.
„Es sind die einfachen Lösungen, die die Welt immer wieder in Erstaunen versetzen,“ sagt Marc. „Denken Sie an das Ei des Kolumbus oder den Gordischen Knoten!“ Über IT-basierte high tech Q-Tools, die nur auf der Vorstandsetage eine gute Figur machen, kann er nur lachen. „Prozessverbesserung muss so einfach und selbstverständlich sein wie Materialeinkauf oder Rechnungsstellung.“
Solch ein pragmatisches Talent blieb nicht lange unentdeckt: Marc Macot hat den nächsten Karriereschritt gemacht und arbeitet heute als Corporate Quality Director bei Cameo Crafts Graphic Industry in Montreal. Marc ist gerne bereit seine Erfahrung mit QE-Lesern zu teilen (Email s.u.). Bitte schreiben Sie in Englisch oder Französisch. Hilfe in Deutsch zur Methode sowie eine deutsche Version der verwendeten Exceldatei erhalten Sie unter Email Birgit Otto (info@bo-consult.com) oder Kennziffer (s.u.).
Literatur:
Die 5xWarum? Methode wird in Deutsch erklärt in John Bicheno: Die Excellence Box. (ISBN 3–00–009531–4)
QE 502
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