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Absolute Kundenorientierung

Quality Function Deployment (Teil 2)
Absolute Kundenorientierung

„Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt“ verkünden viele Unternehmen in ihren Leitlinien. Wäre dem wirklich so, würden Kunden häufiger in Entscheidungen und Produktentwicklungen einbezogen. Aber die Unternehmen und deren Entwicklungsingenieure glauben auch heute noch, sie wüßten, was ihre Kunden wirklich wollen. D. h., von einer kundengetriebenen Entwicklung sind wir weit entfernt, obwohl uns seit nunmehr 30 Jahren ein Planungsverfahren zur Verfügung steht, mit dessen Hilfe wir Kundenwünsche und Kundenerwartungen erfassen und in kundengerechte Produkte und Dienstleistungen umsetzen können: QFD.

Dipl.-Ing. Jutta Saatweber, ISC Consulting, Bad Homburg v.d.H.

Der Begriff Quality Function Deployment hat sich trotz seiner Mehrdeutigkeit durchgesetzt. QFD kann sinngemäß übersetzt werden als Instrument zur Planung und Entwicklung von Qualitätsfunktionen entsprechend den vom Kunden geforderten Qualitätseigenschaften. Das Akronym „QFD“ hat sich inzwischen in der Fachwelt etabliert.
Aufbereitung der Kundenkommentare für das erste QFD-Haus
Der QFD-Prozess wird hier mit den meist gebräuchlichen vier Phasen, die kaskadenförmig ablaufen, beschrieben.
Phase 0: Die „Stimme der Kunden“ aus den externen und/oder internen Kundenumfragen bildet den Eingang des ersten QFD-Hauses.
Phase I: Erfassen der Kundenforderungen: „Was ist gefordert“? und unverfälschte Übertragung in die linke Spalte des 1. Hauses. „Wie erfüllen wir diese Forderungen“? trägt die Arbeitsgruppe in die Spalte für Qualitätsmerkmale (WIE) ein. Am Ende der Arbeit in Phase I sind die kritischen und bedeutenden WIE-Kriterien ausgewählt und bedürfen nun als „WAS“ der weiteren Bearbeitung in Phase II.
Phase II: Bei einem Produkt-QFD befassen sich die Arbeiten während der II. Phase mit den Teile-Charakteristiken. Die als kritisch oder als schwierig definierten Teile bedürfen vertiefter Untersuchungen.
Phase III: Zu den Teile-Merkmalen im Eingang von Haus III sind nun die maßgebenden Prozesscharakteristiken zu entwickeln.
Phase IV: Phase IV dient der detaillierten Beschreibung der Verfahren bis hin zu den Arbeitsanweisungen.
Phase 0: Strukturierung der Kundenforderungen für das 1. QFD-Haus
Die Arbeitsgruppe analysiert die Kundenforderungen sehr sorgfältig und stellt sie strukturiert dar. Kunden äußern meistens nur ganz allgemeine oder verschwommene Wünsche. Deshalb muss vor selektivem Zuhören und Hineininterpretieren eigener Vorstellungen in die Kundenanforderungen durch das Team gewarnt werden.
In Bild 12 sind die Kundenwünsche zu dem Produkt Heizkessel kleiner Leistung gesammelt, sie enthalten die folgende Aussagen:
Wie Kundenanforderungen/Kundenwünsche für QFD strukturiert und in primäre, sekundäre und tertiären Anforderungen dargestellt werden können, verdeutlichen die Abbildungen 13 und 14. In Bild 13 wird z. B. untersucht, was die Kunden unter „einfacher Handhabung“ verstehen. Bezieht sich diese Anforderung auf:
– einfache Bedienung,
– pflegeleicht,
– höhenverstellbar,
– rostfreie Ober
fläche,
– an der Wand
montierbar,
– einfache
Reinigung?
Die tertiären Anforderungen dieses Struktur-astes finden Eingang in das erste QFD-Haus. Im nächsten Schritt ist nun zu untersuchen, wie diese tertiären Forderungen technisch zu beschreiben sind.
In Bild 14 wird diese Übersetzung der WAS-Forderungen in die WIE-Merkmale vorgenommen: die tertiären Anforderungen sind in die Sprache der Technik (WIE beschreibe ich die Anforderung) „übersetzt“. So wird z.B. die Kundenforderung „Gehäusefarbe wählbar“ durch eine Erhöhung der „Anzahl der Farbvarianten“ erreicht. Die Forderung nach „wenig Platzbedarf“ läßt sich durch die „Reduzierung der Abmessungen“ und die Forderung „sieht gut aus“ durch ein „ansprechendes Design“ erreichen.
Diese tertiären Kundenanforderungen werden nun mit den durch den Kunden festgelegten Bedeutungswerten von dem QFD-Team in das erste Feld (1) des House of Quality übertragen (Bild 15).
Das Team muß die Frage klären: Wie viele Kundenforderungen wollen bzw. können wir auflisten? Nimmt die Gruppe alle Einzelforderungen auf, die eine Zahl von vierzig leicht erreichen kann, dann müßten im Schritt 4 zum Ausfüllen der Matrix bis zu 1600 (40 Was x 40 Wie = 1600) Einzelentscheidungen getroffen werden. Das ist weder sinnvoll noch machbar. Das Team wird deshalb ein Gruppierung der Kundenforderungen zu den wichtigsten Forderungen vornehmen und diese Gruppen den Zufriedenheitswerten gegenüberstellen. Hierbei werden die größten Defizite gut erkannt, so dass die Prioritäten für die weitere Arbeit richtig gesetzt werden können.
Die weitere Vorgehensweise im HoQ wird anhand der 10 Schritte in Bild 16 beschrieben. Diese HoQ-Matrix vom American Supplier Institute (ASI) hat sich zur gut nachvollziehbaren Dokumentation der Denk- und Planungsergebnisse bewährt.
QFD-Phase I: Vorgehensschritte im ersten QFD-Haus
Die 10 Arbeitsschritte zur Phase I sind:
Schritt 1: Kundenforderungen und deren Priorität (Bedeutung 1-10) in Feld 1 eintragen (Was fordern die Kunden?).
Schritt 2: Bewertung des eigenen Produktes/Dienstl. im Vergleich zu gleichartigen Produkten/Dienstleistungen der Mitbewerber aus Sicht der Kunden durchführen.
Schritt 3: Zusätzliche Informationen eintragen (z.B. Service, Verkauf, etc.)
Schritt 4a: WIE sollen die Kundenwünsche erfüllt werden? Eintragen der charakteristischen Merkmale der Funktionen, die die Kundenforderungen erfüllen d.h., wie wird die Realisierung der Forderung beschrieben und charakterisiert?
Schritt 4b: Welchen Zielwert sollen die Merkmale (4a) erreichen? (Dimension der Messung/Bewertung mit Zahl). Zu jeder Design-Anforderung sind die dazugehörenden Messparameter in die Spalte „Technische Zielwerte“ einzutragen.
Zielwerte, die in direkter Beziehung zu wichtigen Kundenforderungen stehen, müssen mit herausfordernden Werten belegt werden.
Schritt 4c: In welche Richtung soll die Veränderung erfolgen?
Schritt 5: Beziehungsstärke der WIE’s zu den WAS’s:
Schritt 5a: Wie stark unterstützt das Merkmal (4a) die Kundenforderung (1)?
Die Beziehungsstärke wird durch Zahlenwerte bzw. Symbole ausgedrückt:
Schritt 5b: Multiplikation der Zahlenwerte (5a) mit den Zahlenwerten der Spalte Bedeutung (1) und addieren der einzelnen Spalten (bzw. Ausrechnen der relativen Bedeutung in %).
Schritt 6: Korrelationsstärke der WIE’s untereinander im Dach der QFD-Matrix
Schritt 7: Technischer Vergleich zu Mitbewerber-Produkten durch das eigene Unternehmen. Stimmen diese Bewertungen (7) mit dem subjektiven Vergleich (2) durch die Kunden überein?
Schritt 8: Untersuchung zum Schwierigkeitsgrad der Realisierung der WIE’S durch den Hersteller.
Schritt 9: Zusätzliche Hinweise zu den Merkmalen eintragen.
Schritt 10: Das Team befasst sich am Ende der Arbeit zur Phase I mit der Auswahl der wichtigen und kritischen Designelemente, die für die Verwirklichung der Verbesserung oder der Neuentwicklung ausschlaggebende Bedeutung haben.
Die Auswahlkriterien sind:
– Hohe Bedeutung der Kundenforderung;
– Im Konkurrenz vergleich hohe Chancen;
– 1-3 Design-Charakteristiken mit ausgeprägt hoher Gesamtbedeutung (A-Kriterien);
– Die A-Kriterien zeigen hohe Korrelation zu den wichtigsten Kundenforderungen und die A-Kriterien korrelieren positiv mit den anderen Kriterien im Dach des Hauses;
– Die A-Kriterien sind bezüglich ihres Schwierigkeitsgrades beherrschbar und überwinden bisherige Probleme;
– Die notwendigen Investitionen sind rentabel.
In Bild 21 ist das komplette QFD-Haus für den Heizkessel kleiner Leistung dargestellt. Die Matrix ist eine Informationslandkarte zur Entscheidungsfindung.
Die Gründe für die Auswahl des Schwerpunktmerkmales Wirkungsgrad sind:
– Hohe Bedeutung für den
Kunden (9),
– schwaches Marktimage (1),
– technisch schwach,
– Verwirklichung unterstützt
4 Kundenforderungen (31%),
les gibt keine negativen Korrela- tionen,
– Marktchancen aufgrund steigenden Bedarfs durch Forderungen nach besserem Wärmeschutz im Hochbau.
QFD-Phase II: Baugruppen-, Teile-, Komponenten- bzw. Konstruktionsplanung
Nach der Ermittlung der wichtigen oder kritischen Merkmale (Design-Charakteristiken) aus den Kundenanforderungen in Phase I werden in der nächsten Arbeitsphase des QFD-Prozesses die konkreten Lösungen, d. h. die Funktionsgruppen und ihre Elemente zu jedem der bedeutenden Design-Charakteristiken entwickelt. Das Ziel der Phase II ist:
– Bestimmen der kritischen Teile mit Parametern
– Auswahl des besten Entwicklungskonzep- tes
– Bestimmen der wichtigsten Elemente für die Phase III
In der Phase II sind umfangreiche Studien zur Stützung der Ergebnisse zu leisten, wie sie bei jeder Entwicklung durchzuführen sind. Von besonderer Bedeutung sind alle absichernden Verfahren, die der präventiven Qualitätssicherung dienen, wie z.B. die FMEA, das Ursachen-Wirkungs-Diagramm, der Funktionenbaum, das Taguchi-Verfahren oder Verfahren nach Stewart Pugh.
QFD-Phase III: Prozessplanung
Das beste Teile-Konzept aus Phase II nützt nichts, wenn die Fertigungsprozesse den Anforderungen nicht gerecht werden können. Das Ziel der Prozessplanung ist:
– Entwicklung der Prozess-Charakteristiken
– Festlegung der Prozess-Zielwerte
– Ermittlung der weiter zu bearbeitenden Kriterien für Phase IV
Die in Phase II gefundenen kritischen Teile-Charakteristiken bilden hier die Anforderungen im Eingang der Prozeßmatrix, in deren Ausgang die kritischen Prozess-Parameter zu dokumentieren sind. Die knappe Dokumentation der Matrix zeigt nicht die verschiedenen Zwischenschritte, wie Überlegungen zu Alternativen und deren Auswahl oder die Prozess-FMEA. Nach der Erstellung der Prozess-Matrix sind diejenigen Prozess-Parameter deutlich bewusst, deren Steuerung schwierig ist, oder die besonderer Arbeitsanweisungen und Prüfpläne bedürfen.
Phase IV: Produktion- bzw. Verfahrensplanung
Die Überlegungen der Phasen I – III münden nun in die konkreten Pläne und Anweisungen für die Werker in der Produktion. Die Produktions-Planungs-Matrix zeigt in ihrem Eingang die kritischen Prozess-Parameter aus Phase III und listet beispielhaft Aspekte auf, die zu den einzelnen Prozeßschritten bedacht und geplant werden sollten. Dieses sind:
– Betriebsbedingungen,
– Qualitätssicherungspläne,
– Arbeitsanweisungen.
Einführung und Anwendung von QFD im Unter-nehmen
Der Erfolg zur Einführung von QFD ist dann gegeben, wenn Qualität Bestandteil der Firmenziele ist und die Unternehmensleitung den Dienst an ihren Kunden und Mitarbeitern als vordringlichste Aufgabe sieht. Für die Einführung von QFD sind folgende Schritte zu planen:
– Management-Verpflichtung zur Ein führung von QFD,
– Einführung des Managements in die Vor- gehensweise,
– Projekt-Auswahl und Teambildung,
– QFD-Schulungen für das Projektteam par- allel mit der Projektarbeit.
Die Schulung zu QFD sollte ein in der Methode ausgebildeter externer oder interner Moderator durchführen. Die projektbegleitende Beratung sollte am Anfang durch Experten erfolgen. Das Ziel der Beratung muß der erfolgreiche Abschluß des Projektes sein, sowie die Heranbildung eines hausinternen QFD-Moderators.
Bei der Auswahl des QFD-Teams sollten die Kriterien nach Bild 23 beachtet werden:
Für die Auswahl des ersten QFD-Projektes sollten folgende Hinweise berücksichtigt werden:
– Das Projekt soll einfach aber nicht trivial sein.
– Ein reales Produkt (oder Dienstleistung) ist auszuwählen, welches ein breites Interesse im eigenen Haus findet.
– Es besteht ein realer Kundenbedarf.
– Die Management-Unterstützung ist vor handen und das Projektziel ist mit dem Management definiert.
– Es bestehen Chancen zu Verbesserungen.
– Fähigkeiten sind im Haus vorhanden.
– Kundeninformationen sind vorhanden oder erhältlich.
Der beste Garant für den Erfolg durch QFD – Quality Function Deployment ist das beispielhafte Vorangehen durch das Management selbst. Für die Managementplanung, d.h. für die Planung der Ziele, ihrer Strategien und deren Umsetzung kann eine reduzierte Form des QFD, das „Strategie-Deployment“ eine nützliche Alternative sein.
Literatur/Quellenverzeichnis
[1] Saatweber, Jutta, Kundenorientierung durch Quality Function Deployment,
Carl Hanser Verlag München, Wien, 1997, ISBN 3-446-19011-2
[2] Akao, Yoji: QFD, Quality Function Deployment, Wie die Japaner Kundenwün sche in Qualität umsetzen, Verlag Moderne Industrie, 1992
[3] Saatweber, J.&J. (Hrsg.) : QFD-Quality Function Deployment, Arbeitsbuch mit Matrizen, ISC Eigenverlag, Bad Homburg 1995
Weitere Informationen A QE 305
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