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Abstrakte Fehlerwahrscheinlichkeit als Produktfehler

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Abstrakte Fehlerwahrscheinlichkeit als Produktfehler

Abstrakte Fehlerwahrscheinlichkeit als Produktfehler
Philipp Reusch, Reusch Rechtsanwälte, Saarbrücken www.reuschlaw.de
Kann ein Produkt fehlerhaft sein, auch wenn es fehlerfrei ist? Mitgegangen, mitgefangen. So könnte man die Entscheidung eines OLG beschreiben: von Produkten einer Charge mit erhöhter Fehlerquote gehe eine abstrakte Gefahr aus.

Im Jahre 2005 traten bei Herzschrittmachern eines Medizinprodukteherstellers Defekte auf. Es handelte sich um eine erhöhte Fehlerrate bei Dichtungen, welche den Herzschrittmacher funktionsuntüchtig machte. Konkret war der Hersteller in einem von ihm daraufhin veröffentlichten Schreiben von einer Fehlerquote von 0,31 % bis 0,88 % ausgegangen. Viele Patienten ließen den implantierten Herzschrittmacher daraufhin austauschen. An den ausgetauschten Geräten konnte später kein Defekt festgestellt werden. Die Krankenversicherung der Patienten verklagte den Hersteller nichtsdestoweniger auf Ersatz der Kosten des Austauschs.

Nach dem OLG Frankfurt (der Autor berichtete in QE Ausgabe 1, 2011) hatte sich auch das OLG Hamm in seinem Urteil vom 26.10.2010 mit dieser Problematik zu befassen.
Im Wesentlichen ging es in beiden Entscheidungen um die Frage, ob ein Produkt schon dann fehlerhaft ist im Sinne des Produkthaftungsgesetzes(ProdHaftG), wenn es nur einen Verdacht auf einen Fehler gibt, der später entkräftet werden kann.
Gemäß § 3 ProdHaftG ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann.
Das OLG Hamm entschied nun, dass es bei einem Herzschrittmacher einen Produktfehler darstellt, wenn dieser zu einer Produktionsserie gehört, die konstruktionsbedingt eine erhöhte Fehlerrate im Vergleich zu anderen Herzschrittmachern aufweist. Ob das einzelne Produkt tatsächlich fehlerhaft ist, ist bei konstruktionsbedingten Ausfällen somit nicht entscheidend.
Bei Produkten wie Herzschrittmachern komme es nicht auf die konkrete Gefahr für den Patienten an. Vielmehr sei ein Herzschrittmacher schon dann gefährlich, wenn eine abstrakte Gefahr bestehe. Begründet wurde dies mit der Lebensgefahr, die von einem defekten Herzschrittmacher ausgeht.
Zwar könne ein Produkt – auch ein lebensnotwendiges – niemals absolute Sicherheit bieten. Doch sei ein Produkt jedenfalls dann gefährlich, wenn eine Fehlerwahrscheinlichkeit festgestellt worden sei, die über der von vergleichbaren Produkten liege.
Während das OLG Frankfurt sich noch darauf berufen hatte, dass es für den Vergleich nicht auf die Fehlerquote einzelner Bauteile ankomme (sondern nur auf die Fehlerquote des Produktes insgesamt) und dass der Kläger lediglich zur Fehlerquote von Bauteilen vorgetragen hatte, hat das OLG Hamm den logischen Schluss erkannt, dass der Ausfall von Dichtungen eines Herzschrittmachers zwangsläufig zu dessen Ausfall insgesamt führt.
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