Startseite » Allgemein »

Ausreißer, Entwicklungsfehler, Erprobungsklausel

Alles was Recht ist
Ausreißer, Entwicklungsfehler, Erprobungsklausel

Fehler in der Produktion werden sowohl im Rahmen der Produzentenhaftung des § 823 I BGB als auch des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) als Schadensursachen den Konstruktionsfehlern ebenso wie Fehlern in der Instruktion und Marktbeobachtung gleichgestellt. Das Gesetz bzw. die Rechtsprechung macht hiervon nur in zwei Fällen Ausnahmen, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

Von der Fabrikationsverantwortung in engen Grenzen ausgenommen sind die so genannten Ausreißer. Das sind solche Produkte, die trotz aller zumutbaren Vorkehrungen in Einzelfällen dennoch fehlerhaft produziert werden. Diese aus Sicht eines Qualitätsmanagements mit den dortigen Zielen schwer vereinbare Vorstellung eines prozessfähigen Produktionsablaufes kann zumindest im Bereich der Produzentenhaftung eine Entlastung des herstellenden Unternehmens darstellen.
Unter Geltung des ProdHaftG hilft der Ausreißer-Einwand nicht weiter, da die Haftung hier als Gefährdungshaftung und nicht als Verschuldenshaftung ausgestaltet ist. Von weitaus praktischerer Bedeutung ist der Ausschluss der Haftung für so genannte Entwicklungsrisiken. Erfasst werden hiervon solche Fälle, in denen die zum Schaden führende gefährliche Eigenschaft des Produkts im Zeitpunkt seiner Inverkehrgabe nicht erkennbar war. Hierunter fallen etwa in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg die Gefahren asbesthaltiger Produkte oder auch die Fälle, wie sie beispielsweise von Trichlorethylen bekannt sind. Diese Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass die potenzielle Gefährlichkeit des Produkts nicht erkannt werden konnte. Die verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers sollte durch diesen in § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG normierten Ausschluss begrenzt sein auf das objektiv Mögliche, auf die Verwertung des Gefahrwissens, das im Zeitpunkt des Inverkehrbringens zur Verfügung stand. Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass es nicht auf das subjektive Wissen des einzelnen Herstellers, sondern auf das zugängliche Wissen ankommt. Die Möglichkeiten hierzu sind heute im Allgemeinen wohl gegeben, so dass ein Hersteller gehalten ist, eine Systematik zur Gewinnung neuer Erkenntnisse zu implementieren. Die beiden genannten Entlastungsmöglichkeiten eines Herstellers werden naturgemäß nur selten anzutreffen sein, so dass Fabrikationsfehler im Regelfall zu einer Haftung des Herstellers aus produkthaftungsrechtlichen Gründen führen.
Nicht zu verwechseln mit dem Begriff des Entwicklungsrisikos ist die in Produkthaftpflichtversicherungen geregelte Erprobungsklausel. Diese in den „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Produkt-Haftpflichtversicherung industrieller Betriebe“ geregelte Klausel dient keinem den oben beschriebenen Entlastungen ähnlichen Zweck. Vielmehr sind nach der Klausel Ansprüche aus Sach- und Vermögensschäden durch Erzeugnisse ausgeschlossen, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht ausreichend erprobt waren. Danach sind von der Produkthaftpflichtversicherung solche Ansprüche durch Erzeugnisse ausgeschlossen, deren Verwendung oder Wirkung im Hinblick auf den konkreten Verwendungszweck nicht nach den erkannten Regeln der Technik oder Wissenschaft oder in sonstiger Weise ausreichend erprobt waren, wobei dies nicht gilt für Schäden an Sachen, die mit den hergestellten oder gelieferten Erzeugnissen weder in einem Funktionszusammenhang stehen noch deren bestimmungsgemäßer Einwirkung unterliegen. Hierdurch wird eine unzureichende Test- und Erprobungsphase des Herstellers nicht mehr von der Produkthaftpflichtversicherung gedeckt. Welches Unternehmen eine solche, im Übrigen sehr verbreitete Klausel in seinem Bedingungswerk findet, sollte demnach besonderen Wert auf die Erprobung und Dokumentation dieser Erprobung legen.
Philipp Reusch
Reusch Rechtsanwälte
Saarbrücken
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING Control Express 1
Ausgabe
Control Express 1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de