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Automatisches Sehen

Optische Qualitätssicherung
Automatisches Sehen

Hersteller nutzen heute zwei Möglichkeiten, die Qualität ihrer Produkte zu verbessern: zum einen erneuern sie die Maschinen und Apparate im Produktionsprozeß, zum anderen werden die Produkte während und zum Schluß der Herstellung immer eingehender geprüft. Automatische Sichtsysteme können dabei die Produkte auf Form, Größe, Farbabweichungen oder daraufhin prüfen, ob bestimmte spezielle oder optionale Bauteile vorhanden sind oder nicht.

Automatisiertes Sehen ist eine Technologie, bei der Kameras, Computer und Software eingesetzt werden, um Bilder von Produkten aufzunehmen und zu analysieren. Auf der Grundlage dieser Analyse wird über Qualität oder Quantität der zu prüfenden Produkte entschieden. Automatisiertes Sehen gehört zum Oberbegriff „Bildverarbeitung“, so wie z.B. die Bildanalysesysteme, die von Forschungs- und Entwicklungsinstituten für Grundlagenforschung angewandt werden. Automatische Sichtsysteme sind nicht zu verwechseln mit bildgenerierenden Systemen oder Bildbearbeitungssystemen, mit denen aus den Daten oder Bildern ansprechende Graphiken hergestellt werden, wie Multimediasysteme, DTP- oder CAD/CAM-Systeme. Ein automatisches Sichtsystem macht eigentlich genau das Gegenteil: es holt sich Daten aus Bildern. Vielleicht wird klar, was automatisiertes Sehen bedeutet, wenn wir die Vorgänge mit denen beim Sehen mit dem menschlichen Auge vergleichen. Menschen (und auch Tiere) sehen Bilder mit Hilfe eines Sensors – nämlich der Retina –, wenn Licht von Objekten der Umwelt aus-gesandt oder reflektiert wird. Beim automatischen Sichtsystem ist dieser Sensor meistens ein CCD-Chip in einer Kamera.

Unser Auge unterwirft das Bild dabei einigen Vorbearbeitungsstufen noch bevor es im Hirn ankommt; so läßt es kleine Objekte vor einem großflächigen einfarbigen Hintergrund besonders stark hervortreten.
So etwas ähnliches können die meisten Kameras, z.B. in Form von automatischer Kontrastangleichung. Unsere Augen schicken die Bilder dann ans Gehirn, wo sie verarbeitet, analysiert und interpretiert werden. Auf der Grundlage dieser Vorgänge handeln wir und treffen Entscheidungen. Eine Kamera schickt ihre Bilder zum „elektronischen Gehirn“. Auch hier im Computer wird ana-lysiert, interpretiert und entschieden – mit Hilfe einer entsprechenden Programmierung.
Das menschliche Gehirn vergleicht laufend neue visuelle Informationen mit vorange-gangenen Beobachtungen und bezieht dabei früher als wichtig erkannte Erkenntnisse über die Umwelt mit ein. Dieser Prozeß läuft dermaßen schnell ab – nämlich mit ca. 100 Milliarden Operationen pro Sekunde –, daß wir uns normalerweise überhaupt nicht bewußt sind, daß diese Vorgänge ständig ablaufen und daß wir dabei außerdem gleichzeitig auch noch unser Gesichtsfeld laufend an die Anforderungen anpassen. Bei automatischen Sichtsystemen hat die Kamera meistens ein festgelegtes Beobachtungsfeld. Daher muß (und kann) die Computersoftware nur ana-lysieren, was in diesem begrenzten Gebiet und mit den Objekten, die sich in diesem Raum bewegen, passiert. Und in der Tat, genau das ist eine der Operationen, die so ein automatisches Sichtsystem ausführen kann: Es vergleicht Bilder von Objekten auf einer Fertigungsstraße mit dem zuvor einprogrammierten Idealbild eines solchen Objektes. Andere Sichtsysteme nutzen so z.B. auch das (digitalisierte) Wissen des Programmierers über die Situation in der Fertigungsstätte oder über die zu prüfenden Objekte selbst – wie zum Beispiel Form oder Farbe.
Entweder Geschwindigkeit oder Auflösung
In den meisten automatischen Sichtsystemen steckt ein Standard-PC mit einer oder mehreren Zusatzkarten: dem Frame-Grabber, der die Kamerabilder digitalisiert. Automatische Sichtsysteme können leider nur einen Bruchteil der Operationen bewältigen, die während einer gewissen Zeitspanne das menschliche Auge erledigt. Das liegt an den technischen Grenzen, die PC-Hardware und Frame-Grabber nun einmal noch gesetzt sind.
Je weniger Information analysiert werden muß, desto schneller geht die Analyse. Wenn die Bildauflösung, d.h., die Anzahl der Bildpunkte oder Pixels, verringert wird, können mehr Einheiten pro Sekunde geprüft werden und die Fertigungsbänder können schneller laufen.
Nun bedeutet aber eine Verringerung der Bildpunkte, daß die Schärfe des Bildes nachläßt, so daß kleinere Objekte oder kleinere Fehler am Produkt nicht mehr sichtbar sind. Die große Herausforderung beim Entwurf eines automatischen Sichtsystems ist nun, diese beiden Größen optimal auszutarieren.
Die Vorteile des automatisierten Sehens
Automatische Sichtsysteme haben also ihre Beschränkungen, sie haben aber vor allem ganz erhebliche Vorteile gegenüber Sichtkontrollen durchs menschliche Auge.
Zuallererst führen Automaten die immer gleichen Operationen mit der immer gleichen Genauigkeit aus, ohne Beeinträchtigung durch Müdigkeit oder Krankheit. Sie brauchen keine Pausen, Freizeit, Urlaub und keine Bezahlung. Das bringt dem Produzenten Objektivität, Wiederholbarkeit und vor allem gleichbleibend hohe Qualität bei gleichbleibend niedrigen Kosten.
Darüber hinaus kann eine Kamera an Stellen installiert werden, wo Menschen nicht hin-kämen oder wo sie möglicherweise sogar in Lebensgefahr wären – auf engstem Raum etwa oder unter gefährlichen Bedingungen – wie bei extremen Temperaturen oder Schadstoffen in der Luft. Der angeschlossene Computer kann ja in „normaler“ Umgebung plaziert werden. Und nicht zuletzt kann ein
Sichtautomat auch Dinge oder Eigenschaften an Produkten prüfen, die mit dem menschlichen Auge gar nicht wahrnehmbar sind und für die man Röntgenstrahlen und Ultraviolett- oder Infrarotlicht braucht.
Wo kann man Sichtautomaten einsetzen?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten: inline, d.h. das System prüft jedes einzelne Produkt, das auf einem Band an einer oder mehreren Kameras vorbeiläuft; nach Zufallsprinzip, d.h. die Kamera überprüft auf dem Band eine begrenzte Anzahl willkürlich ausgesuchter Produkte oder offline, d.h. einzelne Produkte werden vom Band genommen und in einem Qualitätssicherungslabor überprüft. Die Test-objekte müssen nicht unbedingt industrielle Podukte sein, jedes Zwischen- oder Endprodukt kann automatisch sichtgeprüft werden.
Anwendungsbereiche
In den vergangenen 13 Jahren hat ein Hersteller für die Industrie verschiedene automatische Sichtsysteme entwickelt.
Dabei war die Zusammenarbeit mit dem Kunden stets sehr eng, weil die Anforde-rungen an die einzelnen Systeme doch sehr spezifisch sind. Außer dem System, das im folgenden beschrieben wird, sind noch an-dere Applikationen typisch:
u Sichtprüfen von Glasbehältern auf Ver- unreinigungen, Größenabweichungen oder Verspannungen.
u Sortieren von Pflanzen, Stecklingen, Fleisch, Fisch, Gemüse oder Früchten nach Größe, Form und/oder Farbe.
u Überprüfen von Großmengenlieferungen auf Verunreinigungen in der weiterverar- beitenden Industrie.
u Ausmessen von Volumen und Menge bei Großmengenlieferungen.
u Identifizieren und Zählen von Produkten.
Weitere Informationen A QE 403
Beispiele von kürzlich installierten Sichtprüf- Automaten vermitteln einen Eindruck von den vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten
Die Innenausstattung eines Autos besteht aus verschiedenen Fertigteilen, die aus den verschiedensten Materialien und Komponenten hergestellt sind. Die Einzelkomponenten werden von hochspezialisierten Zulieferern hergestellt und zu Fertigteilen zusammengefaßt, dann werden sie an den Automobilhersteller ausgeliefert. Die Firma Collins und Aikman in Gent (Belgien) stellt verschiedene freitragende Polster-Verschalungsteile für Volvo Belgien her. Ein solches Set besteht aus zwei Seitenverkleidungen (mit Ausbuchtungen für die Radkästen) für den Kofferraum und einer Hecktürverkleidung. Die Verschalungen werden, je nach Spezifikation des einzelnen Automodells, mit verschiedenen optionalen Teilen bestellt. Die Farben aller Teile eines solchen Verschalungs-Sets müssen jeweils zusammenpassen. Weil es nun zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten gibt, kann Collins und Aikman diese sperrigen Teile unmöglich in der nötigen Menge lagern. Daher werden die Teile auf Abruf produziert. Darüber hinaus müssen die Verschalungen in der richtigen Reihenfolge an den Autohersteller geliefert werden, so daß sie von der Palette weg in die Fertigungsstraße gegeben werden können.
Aufgabenstellung
Um nun also korrekte Lieferungen sicherstellen zu können, muß jedes Verschalungsteil vor dem Versand zu Volvo geprüft werden. Untersucht wird,
u ob Typ und Form richtig sind
u ob bestimmte optionale Teile vorhanden sind
u ob optionale Teile bestellungsgemäß nicht vorhanden sind
u ob Zusatzteile die richtige Farbe haben
u ob die Seitenteile korrekt zusammenpassen
u ob die Seriennummer für die Lieferung stimmt.
Die Firma wünschte sich eine zuverlässige automatisierte Lösung, um menschliche Fehlleistungen auszuschließen. Untersucht werden müssen dabei sehr kleine glänzende Objekte (Klemmen, Klammern u.ä.) auf einer großen gewölbten Fläche und unter ungleichmäßiger, wechselnder Beleuchtung. Weitere Probleme schafft die Plazierung mitten in einer Fertigungsstraße: es staubt und die Temperatur schwankt ebenso wie mitunter die Stromspannung. Außerdem sollte das Prüfsystem natürlich leicht zu bedienen sein. Das vorgegebene Ziel war eine Fehlerquote von weniger als 150 ppm. Das bedeutet bei 110 000 Autos pro Jahr, daß im Durchschnitt im Monat nur ein Fehler „durchrutschen“ darf. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollte sich diese Rate auf einen Fehler im Vierteljahr zurückfahren lassen.
Lösung
Difa Vision Systems hat nun ein flexibles Kamera-Inspektions-system entworfen, das diesen Anforderungen voll gerecht wird: das Panel Inspection System (PAIS). Dieses System besteht aus zwei Industrie-PCs mit Pentium-Prozessor und jeweils zwei Matrox-Frame-Grabbern und drei I/O-Karten sowie insgesamt sechs JAI Industrie-CCD-Kameras und Applikations-Software. Letztere wurde auf der Grundlage des Entwicklungspaketes für Difa Colour Tools erstellt. Kameras und Lichtquellen sind in einer halbhohen Kabine installiert. In diesem Behälter haben die zwei Seitenverschalungsteile oder eine Heckklappenverkleidung Platz. Der an-geschlossene PC steht in mindestens 5 m Entfernung von den Testkabinen.
Damit aber der Bediener der Testkabine über den Status des Tests immer Bescheid weiß, ohne jedesmal bis zum PC laufen zu müssen, gibt es an jeder Kabine einen Monitor. Darauf zeigt das System einen vergrößerten Ausschnitt vom wichtigsten Teil des Bildes, das der PC-Monitor gerade bringt. Wenn ein Fehler auftaucht, warnen ein akustisches Signal und eine Meldung auf dem Bildschirm den Bediener. Er kann das Teil selbst noch einmal prüfen und den Fehler, falls möglich, gleich beseitigen. Dann wird das Teil erneut getestet. Die System-Software hat verschiedene Benutzerebenen, die mit Paßwörtern geschützt werden können. Die unterste Ebene benutzt der Bediener, der die Verschalungsteile in der Kabine befestigt, die Strichcodes eingibt und den Startknopf drückt. Die oberste Ebene benutzt der „Administrator“, der neue Produkttypen und Farben eingeben kann.
Bisherige Erfahrungen
Augenblicklich kann das PAIS auf die Unterscheidung von fünf Farben programmiert werden. Collins und Aikman nutzen davon erst drei.
Zur Prüfung der beiden Seitenteile braucht das System 5 Sekunden, die Prüfung der Heckklappenverkleidung geht noch schneller. Das beinhaltet auch die Zeit, in der die Daten aus anderen elek-tronischen Prüfeinrichtungen aufgenommen werden und die Zeit, in der die Inspektionsergebnisse auf der Harddisk gespeichert werden. Die gesamte Durchlaufzeit liegt bei 60 Sekunden pro Set.
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