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BV-System sucht Oberflächenfehler

Prüfung geschliffener Oberflächen
BV-System sucht Oberflächenfehler

Auf den ersten Blick sieht der Betrachter geschliffener Teile eine homogene Oberfläche ohne größere Varianz. Bei genauem Hinsehen jedoch entdeckt man häufig Kratzer, Macken, Lunker, Schleiffehler und weitere Oberflächenfehler. Der folgende Artikel beschreibt die Lösung zur Erkennung der relevanten Oberflächenstrukturen durch ein erweiterbares Bildverarbeitungssystem in Verbindung mit einem durchdachten Beleuchtungskonzept.

Die visuelle Inspektion von Oberflächen ist eine wichtige Qualitätssicherungsmaßnahme. Die Fehler an Oberflächen unterscheiden sich generell in zwei Arten – den so genannten „Cosmetic Defects“ und den „funktionsbeeinträchtigenden Defects“. Cosmetic Defects sind hierbei für die Optik des Betrachters störende Fehler, die jedoch keinen Einfluss auf die eigentliche Funktion des Bauteils haben. Diese Fehlerart ist allgemein bekannt, und so mancher preis-bewusste Endverbraucher macht sich dies zunutze und kauft gezielt so genannte „B-Ware“ ein.

Anders sieht es mit der zweiten Fehlerart aus. Diese Fehler führen dazu, dass Baugruppen schneller verschleißen, zu wenig Kontaktfläche bieten oder gar durch Verklemmen den Be-trieb einstellen.
Die hier vorgestellte Lösung für die Oberflächenprüfung einer geschliffenen Fläche ist eine Realisierung der Applikationsabteilung der NeuroCheck GmbH (71686 Remseck) für einen großen Zulieferer der Automobilindustrie. Die NeuroCheck GmbH übernahm bei dieser An-wendung das Engineering, den Systemaufbau und die Integration des Systems in den Prüf-automaten.
Aufgabenstellung
Die metallischen Prüfteile werden in einem mehrstufigen Schleifprozess bearbeitet. Nach der Bearbeitung sollen die Teile in einem Prüfrundtisch eingesetzt und der automatischen Ober-flächenprüfung zugeführt werden.
Die Oberflächenkontrolle unterteilt sich grundsätzlich in zwei Teilaspekte der Prüfung – zum einen in die Erkennung von Kratzern, Schleiffehlern und Lunkern auf der Planfläche und zum anderen in die Überprüfung der Außenkontur des Plateaus auf Ausbrüche. Um den Fertigungsprozess der Teile nicht zu behindern, muss die Ausbringung des Prüfsystems mind. 40 Teile / min betragen.
Realisierung
Grundlage der Realisierung sind Ergebnisse der Machbarkeitsuntersuchung anhand protokollierter Fehlerteile. In dem Protokoll sind die Oberflächen mit einem Rauhtiefenmessgerät aufgenommen worden. Über Vergleichsmessungen mit Gut- und Grenzteilen wurden vom Kunden die zulässigen Fehlergrenzen festgelegt (Bild 1).
Eine direkte Tiefenmessung von Kratzern kann mit einem Bildverarbeitungssystem nicht realisiert werden. In Abstimmung mit dem Kunden wurden Versuche unternommen, die Fehler durch geeignete Beleuchtungsverfahren über Kontrast und Form klassifizieren zu können. Diese Art der Betrachtung entspricht auch der derzeitigen visuellen Inspektion der Teile durch die Mitarbeiter.
Für die Lösung der Aufgabe wurden ein speziell auf die Aufgabenstellung angepasstes Ring-licht, eine hochauflösende FireWire-Kamera des Herstellers Baumer Optronic in der Neuro-Check-Edition mit 1024 x 768 Pixeln, sowie ein Makroobjektiv von Rodenstock für ein Bild-feld von 4×3 mm² verwendet. Als PC-System ist die NeuroCheck-PowerBox mit Pentium 4-Prozessor, Windows XP Professional, IEEE 1394-Schnittstelle und einer Profibus-Interfacekarte für die Prozesskommunikation ausgewählt worden. Alle Komponenten wurden in ein Umgehäuse mit Peltierkühlelement eingebaut.
Die Prüfprogrammstruktur gliedert sich in verschiedene Einzelaufgaben und wurde auf Basis der Premium- Edition der parametrierbaren Standardsoftware NeuroCheck, Version 5.1, er-stellt. Die entwickelten Prüfprogramme bestehen aus verschiedenen Einzelprüfungen in hierarchischer Struktur mit mehreren sequenziell aneinander gereihten Prüfschritten.
Die Software stellt sowohl Entwicklungs- als auch Laufzeitumgebung unter einer Oberfläche zur Verfügung. Die Prüfprogramme sind somit jederzeit am System erweiterbar. Die Prüfprogramme werden aus verschiedenen Bibliotheksfunktionen grafisch-interaktiv zusammengestellt und parametriert. Eine Programmierung ist hierzu nicht erforderlich.
Die Bildaufnahme erfolgt im Blitzbetrieb der digitalen FireWire- Kamera. Über deren Flash-Ausgang und mit Hilfe eines Blitzmoduls wird die Beleuchtung im Moment der Bildaufnahme und nur für die Dauer der eingestellten Kamera-Shutterzeit aktiviert. Diese Betriebsart erhöht die Lebensdauer der LED-Beleuchtung und gestattet es zusätzlich, die Beleuchtung mit einer höheren Lichtleistung zu betreiben um Fremdlichteinflüsse zu reduzieren.
Nach einer im ersten Schritt erfolgten Lageerkennung des Teiles im Bild erfolgt die Bildvor-verarbeitung für die Kratzer- und Mackenerkennung. Durch Anwenden von kombinierten Filterverfahren werden die relevanten Strukturen herausgearbeitet. Die feine Oberflächen-struktur des Schliffbildes wird hierbei unterdrückt. Gerade bei schmalen langen Objekten besteht die Gefahr, dass nicht die gesamte Länge zusammenhängend erzeugt werden kann. Aus diesem Grund wurde in dieser Aufgabe eine Funktion verwendet, die eine Verbindung von benachbarten Objekten gestattet. Die ganze Aufgabenstellung reduziert sich zuletzt auf die Bewertung von dunklen Objekten, die sich von der hellen Oberfläche abheben. Die Merkmale für die Beurteilung sind Kontrast, Flächen, Achsenlängen und Forminformationen.
Für den zweiten Aufgabenteil, die Erkennung von Ausbrüchen an der Außenkontur, wird das bereits vorverarbeitete Bild verwendet und die Welligkeit der Originalkontur zu einem dynamisch erzeugten Ausgleichskreis berechnet.
Neue Herausforderung
Die Inbetriebnahme und Testphase anhand vorliegender Fehler- und Serienteile zeigte, dass die Aufgabe unter der bekannten Oberflächenqualität sicher gelöst werden kann. Mit Anlauf der Serienfertigung wurden die Teile zur Gegenkontrolle noch zusätzlich per manueller Sichtprüfung gegengeprüft. Anfangs konnten die Ergebnisse der Testphase bestätigt wer-den. Zur Überraschung aller Beteiligten ändert sich das Aussehen der Teile jedoch nach Tagen schleichend und erhöhte die Fehlerquote des Bildverarbeitungssystems.
Untersuchungen ergaben, dass sich das Aussehen der Oberfläche je nach Zustand der Schleifscheibe grundlegend änderte. Der Grauwert der IO- Fläche variierte zwischen ca. 20 bis 255 je nach Zustand des Werkzeugs. Nachdem die Scheibe wieder abgerichtet wurde, ist die Oberfläche der Teile wieder wie gewohnt hell – direkt vor dem Abrichten war diese noch dunkel (Bild 2).
Die Problematik, die sich hier aufzeigt, scheint auf den ersten Blick unlösbar. Die bisher dunklen Fehlstellen gehen in der Oberfläche unter.
„Herausforderungen annehmen und Lösungen finden sind ein Grundsatz für die Ingenieure der NeuroCheck- Applikationsabteilung“, beschreibt Dirk Zinnäcker, Leiter der Applikations-abteilung, die Vorgehensweise bei der Projektbearbeitung.
Ein neuartiges Beleuchtungskonzept war erforderlich, um den auftretenden Effekt ausgleichen zu können. In einem Brainstorming sind die Erfahrungen der Mitarbeiter zusammengefasst und verschiedene Möglichkeiten erörtert worden. Das Ergebnis ist ein Beleuchtungssystem, welches durch Verwendung von Kombinationen unterschiedlicher Beleuchtungen die Helligkeitsunterschiede kompensieren kann (Bild 3).
Für die Lösung der Aufgabe werden direkt aus dem Prüfprogramm heraus verschiedene Beleuchtungen ausgewählt und geblitzt von der Kamera aufgenommen. Die Blitzansteuerung erfolgt über den Flash-Ausgang der Kamera mit Hilfe eines Blitzmoduls. Die jeweilige Beleuchtung wird im Moment der Bildaufnahme und nur für die Dauer der eingestellten Kamera- Shutterzeit aktiviert. Um die jeweils optimale Helligkeit der Bildaufnahme in jeder Be-leuchtungssituation zu erreichen, wird eine Umsteuerung der Kameraparameter aus dem Prüfprogramm heraus im laufenden Betrieb vorgenommen.
Die erforderlichen Änderungen der bisherigen Auswertestrategie wurden durch die einfach zu bedienende Softwareoberfläche von NeuroCheck schnell und einfach interaktiv durchgeführt.
Nach der Integration des neuen Beleuchtungssystems fand ein erneuter Testlauf mit Produktionsteilen statt. Von kleineren Optimierungen, die der Endanwender selbst durchführen konnte, einmal abgesehen, zeigt sich die Lösung als sehr zuverlässig in der Erkennung der Fehlermerkmale. Ein Problem mit den schwankenden Oberflächengüten gibt es nach Aus-sage des Anwenders nicht mehr. „Wir hatten nach den Anfangs vorliegenden Bildern Zweifel, ob diese Aufgabe betriebssicher gelöst werden kann. Die ersten Bilder der neuen Strategie zeigten jedoch, dass sich Fachleute mit dem Thema befassten. Das innerbetriebliche Interesse an der geplanten Lösung war immens, sah man doch Ansatzmöglichkeiten für andere Projekte mit ähnlicher Aufgabenstellung. Heute kann man sagen, dass sich die Lösung bewährt hat.“ (Kommentar des Projektleiters beim Anwender).
Für die Prüfprogrammdokumentation des Projektes wurde ein Feature der NeuroCheck-Software verwendet, das es ermöglicht, alle Daten und Parameter des Prüfprogramms vollständig zu exportieren und in einer übersichtlichen XML-Ansicht auszugeben. Die interaktive Erstellung findet im Manuellbetrieb der Software statt und wird per Knopfdruck vom Benutzer ausgelöst. Besonders im Hinblick auf Zertifizierungen in den Branchen Medizintechnik und Automotive ist dies eine erhebliche Arbeitserleichterung. Die erzeugte XML-Datei kann mit dem Internet Explorer betrachtet und ausgedruckt werden.
Der Zugriff auf das System ist von extern über eine Fernwartungssoftware (z.B. PcAnywhere) realisiert. Über diese Verbindung kann sich sowohl der Systembetreuer beim Kunden im Werk als auch der Hersteller aufwählen, um den aktuellen Zustand der Anlage zu überprüfen. Dadurch sind kurze Reaktionszeiten möglich verbunden mit überschaubaren Kosten – insgesamt einen Mehrwert an Unterstützung und letztendlich Kundenzufriedenheit.
Fazit
Der Projektverlauf zeigt, wie wichtig es ist, dass ein guter Informations- und Erfahrungsaus-tausch mit möglichst genauer Kenntnis der auftretenden Zustände bereits im Anfragenstadium stattfindet, um eine funktionierende Lösung erstellen zu können. Auch trotz sorgfältiger Vorbereitung treten manchmal erst während des Projektes fertigungsbedingte Streuungen auf, die selbst beim Hersteller der Teile unbekannt sind.
Gerade in solchen Situationen zeigen sich die Vorteile einen Systempartner zu haben, der sowohl über langjährige Anwendungserfahrung in der Beleuchtungstechnik als auch über ein flexibel einsetzbares Softwaretool für die industrielle Bildverarbeitung verfügt.
NeuroCheck GmbH, Remseck
QE 537
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