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Controlling im Unternehmensalltag

Total Quality Management
Controlling im Unternehmensalltag

Waren Mitte der neunziger Jahre größere Unternehmen die Vorreiter in Sachen Qualitätsmanagement, so schwappt diese Welle mittlerweile auch auf kleine und mittlere Unternehmen über. Mehr als zwei Drittel aller Betriebe schreibt inzwischen das Streben nach Qualität als Unternehmensziel fest. Viele aber sind weit davon entfernt, Qualität als Unternehmenskultur aktiv und tagtäglich zu praktizieren und verpassen damit die Chance, Total Quality Management (TQM) als Internes Consulting- und Controllinginstrument im Unternehmen zu etablieren. Erfolgversprechend ist der Ansatz der Becker Antriebe GmbH, die kürzlich ein TQM-System eingeführt hat.

Das Verständnis von Oualitätsmanagement hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Galt Qualitätsmanagement (QM) lange als ein Bündel von Mindestanforderungen für die Unternehmensorganisation, für die zu vertreibenden Produkte und Dienstleistungen, wird es unter dem Begriff Total Quality Management zunehmend als ein übergreifendes Führungsinstrument für alle unternehmensinternen und -externen Aktivitäten verstanden. Dabei verlangt TQM von den Führungskräften eigentlich nichts anderes als ihre ureigene Aufgabe: sich mit den betrieblichen Abläufen auseinanderzusetzen, Kunden und Mitarbeiter miteinzubeziehen und die Abläufe ständig so zu gestalten, dass größtmöglicher betrieblicher Nutzen entsteht. Auf diese Weise kann aus Oualitätsmanagement eine gelebte Unternehmenskultur entstehen.

Moderne Normenwerke
Ein wesentliches Hilfsmittel für die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems sind moderne Normenwerke mit internationalem Anspruch. Zum Glück hat sich gezeigt, dass die DIN-Normen – wenn auch mit einiger zeitlicher Verzögerung – mitwachsen: bei der zukunftsorientierten Unternehmensorganisation, bei den Human Ressources, der Kundenorientierung und dem Blick über die deutschen Grenzen hinaus. Global gesehen bedeutet dies auch eine große Chance, um dem Wirtschaftsstandort Deutschland durch eine Vielzahl qualitätsorientierter Unternehmen wieder zu mehr Ansehen zu verhelfen. Jüngstes Beispiel für die strategische Zukunftsausrichtung der Normen ist der Normenentwurf für die DIN EN ISO 9000:2000, die Nachfolgenorm der ISO 9000:1994. Hier werden im Vergleich zu den bisherigen Normen Kunden- und Mitarbeiterorientierung sowie ein prozessorientiertes Managementsystem zu den Hauptzielen gemacht.
Der Becker-Antriebe GmbH gelang es, die 1995 eingeleitete strategische Neuausrichtung des Unternehmens mit der Einführung eines OM-Systems, mit der Rezertifizierung nach der DIN EN ISO 9001:1999 im September und mit dem schrittweisen Aufbau eines Total Quality Management Systems zu verbinden. Die Becker-Gruppe stellt Antriebe für Rolladen und Sonnenschutz, Torantriebe, Regelgetriebe und die dazu gehörende Steuerungstechnik her und ist somit ein klassisches mittelständisches produzierendes Unternehmen auf einem Markt mit starkem Konkurrenzdruck und qualitätsbewussten Kunden. Das Unternehmen beschäftigt 260 Mitarbeiter und erwirtschaftete 1998 einen Umsatz von 59 Millionen DM, rund 40 Prozent davon im Ausland.
Strategische Zukunftsausrichtung
In diesem Unternehmen war die Einführung eines prozessorientierten QM-Systems vor allem deshalb ein Erfolg, weil der Zeitpunkt günstig gewählt war. Sie erfolgte im Zuge
einer strategischen Zukunftsausrichtung des Unternehmens; das QM-System konnte deshalb gleich in neuen, modernen Strukturen institutionalisiert werden. Und gerade das ist die Voraussetzung dafür, dass es ständig praktiziert und in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess hinterfragt und angepasst werden kann.
Wandel der Strukturen
1995 übernahm Hans-Joachim Wiegelmann die Geschäftsführung und leitete eine strategische Neuausrichtung des gesamten Unternehmens ein. Bevor dazu ein modernes Qualitätsmanagement aufgebaut wurde, konzentrierte sich das Unternehmen auf die globale Weichenstellungen: Unternehmensbeirat und Managementkreis überprüften und aktualisierten das Unternehmensleitbild und die Unternehmensziele. Die Produktsparten und Märkte wurden klar definiert. Den Qualitätsgedanken schrieb man dabei als ein wesentliches Unternehmensziel fest. Intern beinhaltete die Neuausrichtung die Einführung einer Organisation nach Sparten und Kompetenzen. Nachdem 1994 eine Zertitizierung nach DIN EN ISO 9000:1994 erfolgt war, machte man sich im nächsten Schritt an den Aufbau eines modernen QM-Systems. Dabei wurden drei Stufen festgelegt: erstens die Einführung eines prozessorientierten QM-Systems auf der Basis des neuen Normenentwurfs der DIN EN ISO 9001:2000, zweitens die Zertifizierung durch den TÜV und drittens der Aufbau eines TQM-Systems, das über die Anforderungen der DIN-Normen hinausgeht. Wie groß bei Becker Qualität geschrieben wird, verdeutlicht die Aussage von Geschäftsführer Hans-Joachim Wiegelmann: ,,Qualität ist die Summe aller Tätigkeiten in unserem Unternehmen. Sie ist keine Funktion, sondern ein Weg des Denkens.“ Dahinter verbarg sich auch der Gedanke, dass Becker nicht nur Produkte sondern auch Fähigkeiten wie Beratung und Service verkaufen will. Deshalb definierten die Verantwortlichen vier Schwerpunkte des TQM: Kunden-, Mitarbeiter-, Prozess- und Zukunftsorientierung.
QM-Beauftragter alsBerater
Zur optimalen Implementierung des TQM wurde ein QM-Beauftragter mit großer Kompetenz durch zahlreiche nationale und internationale Schulungen eingesetzt. Er berät den Managementkreis, das oberste Führungsgremium innerhalb des Unternehmens, in allen Qualitätsfragen. Ihm wurden zehn vom TÜV geschulte Auditoren zur Seite gestellt. Damit ist jeder 25. Mitarbeiter im Stammwerk Auditor. Die Folge: Das QM-System kann optimal auch in den kleinsten
Unternehmenseinheiten umgesetzt und so zu gelebter Unternehmenskultur werden. Das QM-System arbeitet nach einer zeitlich und sachlich klar definierten Vorgehensweise: Nach einer Situationsanalyse legen Unternehmensbeirat und Managementkreis im ersten Schritt die jährlichen Qualitätsziele fest. In Kooperation mit dem QM-Beauftragten und dem Management werden daraus im zweiten Schritt zeitlich befristete Qualitätsziele für jede Abteilung abgeleitet, die dann zusammen mit den Auditoren im dritten Schritt umgesetzt und kontrolliert werden.
Erfolgreiche ISO-Zertifizierung
Für die ISO-Zertifizierung rief der Managementkreis eine Projektgruppe mit den zehn Auditoren aus den verschiedenen Unternehmensbereichen ins Leben, die innerhalb von acht Monaten die Anforderungen der DIN EN ISO 9001:1999 umsetzte. Dabei lag der Schwerpunkt auf der Prozessorientierung: Alle Tätigkeiten innerhalb des Unternehmens definierte man als Prozesse mit dem Ziel, diese und die Wechselwirkungen zu analysieren und zu optimieren. Als Basis für die zukünftige Einhaltung der neuen ISO-Norm erarbeitete das Projektteam ein System mit sieben Elementen, mit dem alle Führungs-, Geschäfts- und Unterstützungsprozesse optimal ausgestaltet werden: Ein QM-Handbuch legt die wesentlichen Leitlinien fest. Für die 36 wichtigsten Prozesse innerhalb des Unternehmens wurden Prozessbeschreibungen erstellt. Organigramme schufen genaue Verantwortlichkeitszuordnungen. Für die vierzig wichtigsten Arbeitsabläufe wurden Anweisungen sowie Formulare zur Arbeitserleichterung erstellt. Ein weiteres wichtiges Element sind Prüfanweisungen für die abschließende Qualitätsprüfung der Produkte, wobei alle ohne Ausnahme sowohl auf ihre technische Funktionsfähigkeit als auch auf die Übereinstimmung mit den Kundenanforderungen kontrolliert werden. Die Nachprüfbarkeit der Anforderungen der Norm gewährleistet ein Dokumentationssystem. Im September erfolgte die Zertifizierung durch den RW TÜV, wobei Becker alle Anforderungen der Norm ohne Abweichungen erfüllte.
Interne Unternehmensberatung mit Audits
QM-Beauftragter Jürgen Antl: „Ein QMS darf kein temporäres Projekt sein. Es bedarf kontinuierlicher Pflege. Mit der Rezertifizierung nach dem neuen Normenentwurf haben wir erst die erste Stufe geschafft. Das Erreichen der zweiten Stufe – die Einhaltung der Norm im Alltag und die aus der ständigen Überprüfung resultierenden Verbesserungen – benötigt nicht weniger Energie. Deutliche Erfolge der ISO-Zertifizierung zeigen sich in der Regel nicht sofort, aber spätestens ein bis zwei Jahre danach.“ Dazu führen die zehn Auditoren regelmäßige System-, Produkt- und Prozessaudits durch. Hier können verbesserungswürdige Prozesse an der Wurzel gepackt und Korrekturen vorgenommen werden, zum Beispiel im Bereich operativer Abläufe oder Prüfanweisungen. Erst ein umfangreicher Auditierungsansatz für das gesamte Unternehmen ermöglicht die qualitative Fortentwicklung. Denn die aus den Audits resultierenden Verbesserungsvorschläge verhindern Verschwendung und Blindleistungen. Die Prozessorientierung reduziert somit die Schnittstellenprobleme.
Der lebenslang lernende Mitarbeiter ist gefordert
Eine wesentliche Basis für das Funktionieren dieses Systems ist die menschliche Komponente. Das zeigt sich schon bei der Situationsanalyse im Rahmen von Audits. Sie wird nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn die Mitarbeiter das QM als Unterstützung und Hilfe für ihre Arbeit ansehen. Es darf von der Operative also nicht als Kontrollorgan bei den Mitarbeitern eingeführt werden. Verstehen es Führungskräfte und Mitarbeiter aber als kontinuierliches Consulting im eigenen Unternehmen, wird die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Kooperation groß sein. Dazu müssen Management und Auditoren auch die Fähigkeit entwickeln, den Mitarbeitern ihr Verständnis für deren zu bewältigenden Arbeitsabläufe nahezubringen. Nur so können auch sogenannte ,,Tabuthemen“ wie Arbeitsabläufe, „die schon immer so gemacht wurden“, verändert werden. Dazu muss aber die Funktion der Auditoren neutral und nicht kontrollierend sein.
Eine zweite wichtige Basis ist die ständige Lernbereitschaft der Mitarbeiter, um dem internationalen Wettbewerb und den daraus folgenden innerbetrieblichen Anforderungen gerecht zu werden. Geschäftsführer Hans-Joachim Wiegelmann: „Qualitätsmanagement als Unternehmensphilosophie ist für mich der Weg zu ständigem Unternehmenswandel im internationalen Mark. Damit wir diese Aufgabe erfüllen können, benötigen wir Mitarbeiter, die lebenslang lernen und sich weiterbilden.“
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