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Das Produktionsmanagement baut um!

Das Qualitätsmanagement sollte nicht nur zuschauen und abwarten, denn:
Das Produktionsmanagement baut um!

Das Produktionsmanagement baut um!
Will der Betrieb im Wettbewerb bestehen, dann muss das Produktionsmanagement Werker zu autonomen Entscheidungen befähigen und ihre Aktivitäten orchestrieren und lenken. Das Qualitätsmanagement hat diesen Schritt bereits gemeistert und sollte dringend die eigenen Erfahrungen und bewährten Methoden in den Veränderungsprozess einbringen.

Als Dampfmaschinen und Fabrikhallen die Manufakturen und Handwerksbetriebe zügig verdrängten und die Arbeitsbedingungen und Lebensumstände der Arbeiter rigoros veränderten, empfanden die Menschen dies als Industrielle Revolution. Neue Technologien und ein globalisiertes Produktionsnetz verändern heute abermals rasant und tiefgreifend die Produktions- und Marktbedingungen und stellen alle produzierenden Unternehmen vor Herausforderungen, die vielen Betrieben revolutionär erscheinen. Die Industrielle Revolution im 19. Jahrhundert wurde durch eine technologische Zäsur ausgelöst: die Dampfmaschine. Die kommende Stufe der Industrialisierung hat eine einfache betriebswirtschaftliche Ursache: es wird zunehmend schwieriger, die Kundenforderungen mit bewährten Methoden in tradierten Strukturen gewinnbringend zu realisieren.

Unverändert fordern Kunden von den Betrieben Produkte mit notwendigen Eigenschaften und optimaler Qualität zu geringen Stückkosten. Aber bei den Produkteigenschaften wird die schnelle Produktantwort auf ein Marktbedürfnis, die flexible Anpassung eines Produktes an einen konkreten Bedarf und die präzise Lieferfähigkeit am gewünschten Ort zur exakten Zeit immer mehr zur entscheidenden Größe.
Studien belegen, dass selbst führende Industriebetriebe dies durch mehr Automatisierung und noch umfassendere Planung nur mühsam erreichen können. Insbesondere die dynamischen Forderungen kann die tradierte Struktur aus Marketing, Produktionsplanung, Produktion und Logistik nicht erfüllen.
Ein Industriebetrieb erreicht mehr Flexibilität und schnellere Antwortzeiten, wenn die Produktion mit Kunden, Lieferanten und Produktionspartnern effektiv kommuniziert und eng zusammenarbeitet. Als Lösung dafür wird eine Dezentralisierung der Führungs- und Entscheidungsstrukturen propagiert, die auch die Werker an den Maschinen gleichberechtigt einbezieht. Dezentralisierung ermöglicht eine flexible und schnelle Reaktion auf Ereignisse und Chancen mit hoher Taktrate und heute kaum vorstellbarer Dynamik und Detaillierung. Dezentralisierung gilt auch als Schlüsselbegriff für höhere Produktivität, geringere Qualitäts- und Stückkosten und den optimalen Einsatz aller Betriebsressourcen.
In der herkömmlichen Struktur beherrscht ein strenger, hierarchischer Prozess die Produktion, von der Ressourcenplanung, über Produktionsplanung und Feinplanung, bis hin zu interner Auftragsvergabe und Maschinendatenerfassung an den Bearbeitungszentren. Im Grundsatz planen Ressourcenplanung und Produktionsplanung mit einem Vorlauf von Tagen, Wochen oder gar Monaten und schaffen doch nicht alle Grundlagen für die Einsatzplanung von Menschen, Maschinen, Werkzeugen und Material. Die Feinplanung einer Schicht ist Aufgabe der Schichtführer und basiert auf dem Protokoll der vorausgegangenen Schicht, den im Leitstand angezeigten Informationen über Sensoren und Maschinen, den Rückmeldungen der Werker, den eingehenden Aufträgen, etc. Auf dieser Grundlage erstellt der Schichtführer einen Plan für die nächsten acht Stunden. Für jeden Produktionsauftrag übernimmt der Schichtführer dafür aus einer Datenbank einen Produktionslenkungsplan mit allen notwendigen Materialflüssen, Rezepten, Steuerprogrammen und Unteraufträgen. Die IT-gestützte Feinplanung bestimmt aus den Zustandsgrößen des Betriebes und dem Produktionslenkungsplan den Ablaufplan zur Durchführung des Produktionsauftrages. Der Ablaufplan wird dann an die Automatisierung übergeben, die in Bearbeitungszentren, Roboter oder andere Automatisierungsgeräte gegliedert ist. Soweit der Plan. Im realen Betriebsgeschehen müssen Schichtführer und Werker in einem informellen, manuellen und chaotischen Ablauf die Produktionsplanung fortlaufend an Verzögerungen, Störungen und Defekte anpassen. Weil eine Änderung der Produktionsplanung meistens umständlich und zeitintensiv ist, versuchen viele Schichtführer zuerst die Störungen zu beseitigen, um den Plan aufrecht zu erhalten. Dies ermöglicht die Fortführung des Plans, ist aber nicht immer die optimale betriebswirtschaftliche Lösung und nutzt nur einen Bruchteil der vorhandenen Möglichkeiten. Im Kern ist die herkömmliche Produktionsplanung über alles betrachtet ein typischer Top-down-Prozess, dessen Inflexibilität im aktuellen Wettbewerb in den Dimensionen Stückkosten, Produktivität und Flexibilität an seine Grenzen stößt.
Gute Disposition und Planung sind eine Voraussetzung für den Erfolg der Betriebe, aber erst aus dem koordinierten Einsatz von Material, Maschinen und Menschen in einer realen Werkshalle entstehen Werte. Der Planer entwickelt ideale Fertigungsprozesse und sorgt für die realistische Auslastung der Fertigung. Der Schichtführer überträgt die anstehenden Aufträge in optimierte Materialströme und Arbeitsaufträge. Der Werker steht am Puls der Wertschöpfung, er produziert, beobachtet, korrigiert und meldet. In einer dezentralisierten Struktur sind Koordination und Entscheidung verteilte Aufgaben, vom Werker an der Maschine bis zur Geschäftsleitung. Werker und Schichtführer erkennen Chancen, Risiken und Störungen, leiten Maßnahmen und Korrekturen unmittelbar ein und überwachen den zügigen Abschluss und den Erfolg der Arbeiten.
Mit ein wenig Distanz betrachtet, sollten Qualitätsmanager hier ein Déjà-vu-Erlebnis haben. An der Schwelle von der Qualitätssicherung hin zum „Total Quality Management“ ging es vor Jahren auch um die Ablösung eines Top-down Planungs- und Kontrollansatzes durch eine Dezentralisierung der Aufgaben und Verantwortungen und die Befähigung der Werker. Der Qualitätskontrolle folgte der kontinuierliche Verbesserungsprozess und die Six-Sigma-Familie. Die Orchestrierung aller Entscheidungen und Aktionen zur Planung, Lenkung und Sicherung der Qualität wurde zu einer wichtigen Disziplin und Verantwortung für das Qualitätsmanagement in den Betrieben.
Durch die Einbindung der Werker in die fortlaufende Anpassung und Fortschreibung der Feinplanung kann der Betrieb viel schneller, umfassender und präziser auf Änderungen, Störungen und Ereignisse reagieren. Dezentralisierung verbessert aber erst die Wettbewerbssituation der Betriebe, wenn sie zu schnelleren und besseren Entscheidungen und Aktionen führt.
Dies gilt zum Beispiel für driftende Maschinenfähigkeiten, Engpässe bei Material oder Personal, ungeplante Ausfallzeiten, Werkzeugverlust oder ungeplante Fertigungsaufträge mit maximaler Priorität.
Die neu gewonnene Flexibilität verbessert fortlaufend die Arbeitsprozesse in den einzelnen Bearbeitungszentren und optimiert so den Einsatz von Material, Personal und Betriebsausrüstung für den gesamten Betrieb. Obwohl die Dezentralisierung eine verbesserte Produktivität und geringere Stückkosten verspricht, hat der Umbau erst in wenigen Betrieben begonnen, denn die Dezentralisierung trifft mitten hinein in die Führungs- und Entscheidungskultur der Betriebe. Planung, Anweisung und Kontrolle werden in der Dezentralisierung um die Orchestrierung der Aktionen aller Beteiligten ergänzt. Die Orchestrierung ist eine technische Herausforderung und zugleich eine organisatorische Leistung und neue Führungsaufgabe.
Erst wenn Betriebe diese Herausforderungen überwinden, dann erreichen sie die notwendige Flexibilität und Beweglichkeit für die aktuellen Kundenwünsche und den kommenden Wettbewerb.
Wie im Qualitätsmanagement kann Dezentralisierung im Produktionsmanagement nur gelingen, wenn das Fachwissen und die Einsicht der Mitarbeiter durch IT-Systeme ergänzt und verstärkt wird. Insbesondere die Befähigung der Werker zu mehr Verantwortung und Autonomie erfordert die Erfassung der Informationszustände aus dem gesamten Produktionsgeschehen, die zeitnahe Auswertung der Informationslage und die gezielte Lenkung der relevanten Informationen an den Entscheidungspunkt. Ein „Real-time Enterprise“ verbindet die organisatorische Dezentralisierung mit einer umfassenden Integration der produktionsnahen IT-Infrastruktur, von den Sensoren und Aktoren, über die Automatisierungsgeräte und Leitrechner, bis hin zu den Steuerungssystemen und Planungswerkzeugen.
Durch die Entwicklungsanstrengungen der Industrieausrüster stehen bereits heute technische Lösungen für viele Aufgaben aus dem „Real-time Enterprise“ bereit. Wie im Qualitätsmanagement geht es dabei im ersten Schritt um eine Entlastung von Routineaufgaben, damit die Mitarbeiter Kraft und Zeit für höherwertige Aufgaben zurück gewinnen. Ablauf- und Lenkungspläne können bereits heute automatisiert und dynamisch an die Automatisierungsebene übergeben werden und erreichen so alle Feldgeräte und Maschinen in der Fertigung; aus dem Prozessablaufplan wird eine Fertigungssteuerung, die in Echtzeit die Fertigung lenkt. Der Disponent kann die Fertigungsaufträge aus dem PPS in die Warteschlange eines Arbeitsplatzes einfügen. Der Werker kann IT-gestützt den nächsten Auftrag oder Arbeitsgang anfordern, die fertigungsbegleitende Prüfung dokumentieren und Ereignisse melden. Software erfasst automatisch in Echtzeit alle Stückzahlen, Zeiten, Rüststände, Prozessparameter, Ereignisse, Stillstände und Störungen von den Automatisierungsgeräten, berechnet die voraussichtliche Dauer eines laufenden Arbeitsganges und visualisiert den Materialfluss und die Auslastung der Ressourcen und Kapazitäten. Andere Softwarelösungen sichern, konsolidieren und nutzen alle relevanten Prozessdaten für Validierung, Prozesslenkung, Prozessoptimierung, Asset Management und Traceability. Die enge Anbindung an die Maschinen, Sensoren und Aktoren stellt hohe Anforderungen an die Standfestigkeit, Verfügbarkeit und Antwortzeit der eingesetzten Softwarelösungen.
Die technischen Lösungen für ein umfassendes „Real-time Enterprise“, das auch die Kunden, Lieferanten und globalen Produktionsnetze der Betriebe einbezieht, sind weitgehend vorhanden. Die Herausforderung der nächsten Jahre besteht hier mehr in Aktivierung, Zusammenführung und Orchestrierung der Insellösungen, Methoden und Konzepte. Viel drängender erscheint die Überwindung der kulturellen, organisatorischen Hemmnisse. Hier kann das Qualitätsmanagement auf umfassende Erfahrungen, leistungsfähige Methoden und viele erfolgreiche Projekte verweisen. Es wird höchste Zeit, diese Erfahrungen in den Veränderungsprozess einzubringen.
Pickert & Partner, Pfinztal www.pickert.de
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