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Deformationsanalyse

Eine mobile Kamera im Dienste der Fahrzeugsicherheit
Deformationsanalyse

Die Fahrzeugsicherheit gehört neben der Wirtschaftlichkeit und dem Design zu den entscheidenden Kriterien beim Autokauf. Nicht zuletzt deswegen haben die Automobilhersteller in der jüngeren Vergangenheit ihre Anstrengungen rund um das Thema Sicherheit enorm erhöht. Die BMW Group setzt in diesem Zuge in ihrem Crashtest-Zentrum das innovative photogrammetrische 3D-Messsystem V-STARS von Geodetic Systems, Inc. (GSI) für Vermessungen vor und nach dem Versuch ein.

Nicolas Tanala ist V-STARS European Business Manager

Das Thema Fahrzeugsicherheit genießt in der Automobilindustrie allerhöchste Priorität. So auch bei der BMW Group, die im 2005 in München eröffneten Crashtest-Zentrum mit einer 135 m langen Gerade 5–7 Crashtests pro Woche durchführt. Zur Hauptanwendung der verantwortlichen Abteilung Versuch Passive Sicherheit gehört dabei die Deformationsanalyse von Crashfahrzeugen. In diesem Rahmen führen die Crashtest-Spezialisten auf der Basis von Gesetzes-, Verbraucherschutz- und Entwicklungsvorgaben Vergleichsmessungen am Testfahrzeug vor und nach dem Versuch durch. Zum Einsatz kommen modernste Technologien – wie zum Beispiel V-STARS von GSI: Ein Messsystem, das insbesondere in der Luft- und Raumfahrt bereits häufig genutzt wird und auch in der Automobilbranche stetig an Bedeutung gewinnt, ansonsten aber bisher einen eher geringen Bekanntheitsgrad in der Industrie in Europa vorzuweisen hat.
Das Herzstück von V-STARS stellt die INCA3, also die dritte Generation der INtelligenten CAmera (INCA) dar: Eine hochentwickelte, photogrammetrische Digitalkamera mit hoher Leistungsfähigkeit und Genauigkeit. Die INCA3 ist die kleinste und leichteste Messkamera, die GSI jemals gebaut hat. Im Vergleich zum marktführenden Vorgängermodell INCA2 ist die neue Kamera nur halb so groß und schwer. Der eingebaute Computer und der integrierte Blitz machen die INCA3 in Verbindung mit einem drahtlosen Netzwerk (WLAN) zum einzigartigen High-End-System auf dem photogrammetrischen Markt, das für den harten industriellen Einsatz konzipiert ist.
Roland Kinzel, Geschäftsführer der Bad Schwartauer GDV Systems GmbH, dem Vertriebspartner von GSI für den deutschsprachigen Raum, blickt zurück: „Bis Ende der 90er-Jahre wurden die Messungen von den Crashtest-Experten auf einer stationären 3D-Koordinatenmessmaschine durchgeführt. Dies war allerdings sehr zeitaufwändig, denn das Fahrzeug musste auf die KMM gehievt und langwierig ausgerichtet werden. Mit der Anschaffung eines neuen mobilen 3D-Messsystems ohne sperrige Vorrichtung sollte die Effizienz im Versuchsbereich entscheidend verbessert werden.“
Um das am besten für die Messaufgaben geeignete System zu finden, führte die BMW Group einen umfangreichen Benchmark durch, bei dem sich V-STARS schließlich durchsetzte. Für das System sprach in erster Linie die hochwertige Technik. Es gab zwar Mitbewerber, die günstiger waren, aber für die Sicherheits-Fachleute waren vor allem die Zuverlässigkeit und die Bedienerfreundlichkeit von großer Bedeutung. Diese Eigenschaften erwarteten sie von V-STARS und wurden in den letzten sieben Jahren in ihrer Entscheidung auch bestätigt. Weitere Gründe, die für das System sprachen, waren zudem die Qualität der Kameras, die Flexibilität und die Schnelligkeit.
Seit 1999 setzt der Autobauer V-STARS mit INCA1-Kameras ein, Ende 2005 folgte die Anschaffung des heute aktuellen INCA3-Systems. Das Ziel, das die Münchner mit V-STARS verfolgen, ist das möglichst effiziente Messen von Punkten rund ums Fahrzeug mit einer Genauigkeit von besser als 1 mm. Andreas Huber von der BMW Group erläutert den Ablauf eines Crashtests: „Die Vorbereitungen beginnen bereits 10 Tage vor dem eigentlichen Versuch mit der Präparierung des Automobils in der Aufrüst-Werkstatt: Dort kommen eine Vielzahl an Messaufnehmer ins Fahrzeug, der Teilestand wird überprüft und entsprechend dem geplanten Versuch aufgebaut. Es werden Technikkomponenten im Fahrzeug wie Kameragestelle und Beleuchtung sowie Datenerfassungsanlagen am und im Fahrzeug verbaut. Einen Tag vor dem Versuch kommt das Fahrzeug dann in den Bereich der Testanlage, wo die Vor-Vermessung mit V-STARS durchgeführt wird. Unmittelbar nach dem Crashtest kommt das Fahrzeug wieder – vom Crash deformiert – zurück und es erfolgt die photogrammetrische Nach-Vermessung.“
Vermessen wird die komplette Außenhaut eines sich in der Entwicklung befindlichen Automobils. Vor dem Versuch markieren die Crashtest-Experten am unbeschädigten Fahrzeug zwischen 80 und 100 Messpunkte mit sehr feinen Körnerschlägen. Diese verteilen sich rund um die Karosserie – vom Dach über die Seitenteile, und vom Motorraum bis in den Kofferraum hinein, bis hin zum kompletten Unterboden. Die Punktgröße der Markierungen ist übrigens so klein, dass sie perfekt mit dem handgeführten Spitzen-Messtaster digitalisiert werden kann. Auch am Unterboden sind viele Details verdeckt, die ohne Messtaster nicht erfasst werden könnten. Die interessanten Punkte werden für jeden Fahrzeugtyp in einem Messstellen-Katalog festgehalten. Abhängig von der Versuchsart – Seiten-, Front-, Heckcrash oder Überschlag – werden diese Punkte dann angebracht. Zum Einsatz kommt das V-STARS-System täglich bei der Vermessung von 1–2 Fahrzeugen vor und nach dem Versuch, also bis zu vier Mal am Tag.
Eine interessante Querverbindung gibt es vom tatsächlichen Versuch zur Simulation, die ebenfalls Tests abbildet und in der gleichen Abteilung beheimatet ist – der direkte Informationsfluss ist damit gewährleistet: Die Crashtester liefern Daten aus dem realen Versuch und die Simulation macht entsprechende Abgleiche. Wenn ein Auftrag für einen Crashtest erteilt wird, besteht somit die Möglichkeit, diesen virtuell mit der Simulation oder mit der Hardware durchzuführen. Man könnte sagen, mit den Daten der realen Vermessung kann die Simulation kalibriert werden. Das bedeutet, dass die Validierung der Simulationsmodelle und -ergebnisse auch durch Daten aus dem realen Test erfolgt.
Unter diesen Umständen überrascht es nicht, dass sich V-STARS bei der BMW Group absolut bewährt und die Erwartungen des Autobauers erfüllt hat. Die INCA-Kameras arbeiten präzise und zuverlässig ohne nennenswerte Ausfälle, die INCA1 bereits seit sieben Jahren. Zu überzeugen weiß das System zudem durch das große Messvolumen bei geringem Platzbedarf: Die 3D-Erfassung von Messpunkten auf der Fahrzeugaußenhaut, dem Unterboden und dem Innenraum erfolgt mit minimaler Set-up Zeit von nur einem oder zwei Standpunkten aus. Hervorzuheben ist außerdem die leichte Bedienbarkeit des mobilen Messsystems, insbesondere der Software. Der Aufwand, um Leute mit V-STARS einzuarbeiten, ist überschaubar – dies erfolgt innerhalb von wenigen Tagen. Zeitliche Vorteile bietet das System aber auch in der täglichen Praxis: So dauert die Vor-Vermessung von 80–100 Punkten am Fahrzeug durch einen Mann rund 90 Minuten und die Nach-Vermessung ca. 60 Minuten. Mit einer Koordinatenmessmaschine müssten hingegen für die selben Aufgaben ca. ein ganzer Tag bzw. 4–6 Stunden eingeplant werden.
Lobenswert ist aus Sicht der Crash-Experten der BMW Group auch der Support durch GDV Systems – insbesondere wegen der kurzen Reaktionszeiten und der intensiven Schulung im Rahmen eines ‚Trainings on the job’ direkt an der Messaufgabe. Vor allem aber ermöglicht V-STARS den Crashtestern schnelles und zuverlässiges Messen von Punkten rund ums Fahrzeug. Auch wenn die BMW Group die einzigartig hohe Messgenauigkeit des Systems nicht einmal im Ansatz ausschöpft, so nutzen sie doch alle anderen Vorzüge von V-STARS perfekt, wie zum Beispiel die Flexibilität und das große Messvolumen, um die anfallenden Messaufgaben elegant zu lösen.
Eine clevere Idee aus dem Crashtestbereich der BMW Group sollte auf jeden Fall noch erwähnt werden: Der kalibrierte Referenz-Rahmen auf dem Autodach, der zur exakten Sensor-Orientierung dient. Aus diesem Grund müssen am Fahrzeug selber keine Referenzmarken angebracht werden. Durch das Gestell auf dem Dach können Fahrzeug und Kamera während der Messung frei positioniert werden, die Vermessung erfolgt auf einer drehbaren Einsäulen-Hebebühne. „Dieser Lift kann nach oben gefahren und der Unterboden vermessen werden, ohne dass wir uns neu einmessen müssen. Die einzige Bedingung ist, dass sich der Referenz-Rahmen nicht verändert. Dieses hilfreiche Gestell setzen wir bei der Vor-Vermessung auf das jeweilige Fahrzeug und digitalisieren die benötigten Punkte. Durchschnittlich 80–100 Messpunkte werden ins Fahrzeugnetz aufgenommen und bieten uns dann bei der Nach-Vermessung die Möglichkeit, die Punkte aussuchen zu können, die unserer Meinung nach nur wenig deformiert wurden und somit geeignet sind, beide Messungen zur Deckung zu bringen,“ ergänzt Andreas Huber.
GDV Systems, Bad Schwartau
QE 513
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