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Der blinde Fleck

Qualitätsmanagement und zugekaufte Dienstleistungen
Der blinde Fleck

Was für zugekaufte Teile völlig selbstverständlich geworden ist, scheint bei zugekauften Dienstleistungen weitgehend zu fehlen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Universität St. Gallen. Das trifft besonders auf produzierende Unternehmen zu. Unternehmen, die selbst wieder Dienstleister sind, sehen auch bei zugekauften Dienstleistungen genauer auf die Qualität.

Ein Viertel des Beschaffungsvolumens der deutschen Industrieunternehmen im Jahr 2005 waren Dienstleistungen. Der Trend zum Outsourcing lässt weitere Steigerungen möglich erscheinen. Diese wirtschaftliche Bedeutung spiegelt sich nicht in der Beachtung durch das Qualitätsmanagement, wie die Ergebnisse der Studie: „Qualitätsmanagement für zugekaufte Dienstleistungen aus Sicht beschaffender Unternehmen“ gezeigt hat.

Ungeachtet des hohen und steigenden Volumens und damit der Bedeutung für die beschaffenden Unternehmen liegt der Fokus der meisten Einkaufsabteilungen auf der Optimierung der Beschaffung von körperlichen Produkten, wie eine vorausgehende Studie aus dem Jahr 2002 ergab.
Das überrascht, weil die starke Abhängigkeit der Qualität des Outputs eines Unternehmens von der Qualität des Inputs bekannt ist.
Praktiken des Qualitätsmanagements
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es trotz signifikantem Anteil von Dienstleistungen am Beschaffungsvolumen kaum ein umfassendes Qualitätsmanagement dafür gibt. Die Nutzung von Qualitätsmanagement-Praktiken für zugekaufte Dienstleistungen liegt auf niedrigem Niveau. Noch am häufigsten genutzt wird Design und Entwicklung, das Mitarbeitermanagement und die Managementunterstützung. Diese zählen zu den weichen Praktiken.
Die Nutzung der härteren Praktiken Qualitätsinformation, Prozess-, Dienstleister- und Kundenmanagement ist steigerungsfähig. In Betrieben, die selbst zu den Dienstleistungsunternehmen zählen, werden Qualitätsmanagement-Praktiken stärker genutzt als in produzierenden Unternehmen.
Dienstleistungs-Unternehmen erhalten sogar signifikant mehr Managementunterstützung und betreiben ein intensiveres Kundenmanagement als produzierende Unternehmen. Im Vergleich großer mit kleinen Unternehmen zeigte die Umfrage, dass große Unternehmen bei der Nutzung von Qualitätsmanagement-Praktiken signifikant mehr tun als kleine. Intensivieren wollen die meisten Unternehmen die Qualitätsinformationen, das Dienstleister- und Prozessmanagement sowie Design und Entwicklung zugekaufter Dienstleistungen.
Effekte des Qualitätsmanagements
Qualitätsmanagement für zugekaufte Dienstleistungen lohnt sich, der Nutzen übersteigt den Aufwand.
Zwischen den Qualitätsmanagement-Praktiken herrschen starke Wechselbeziehungen. Sie wirken sich direkt auf Erfolgsgrößen aus oder dienen als wichtige Befähiger für andere Praktiken. Deshalb sollte Qualitätsmanagement für Dienstleistungen als integriertes Paket eingeführt werden anstatt nur einzelne Qualitätsmanagement-Praktiken. Die sequenzielle Einführung ist möglich. So können Infrastrukturpraktiken vor Kernpraktiken eingeführt werden, also Managementunterstützung, Mitarbeitermanagement und Qualitätsinformation vor Dienstleister-, Prozess- und Kundenmanagement, Design und Entwicklung.
Das Kundenmanagement hat den größten Einzeleffekt auf die Erfolgsgrößen.
Barrieren für das Qualitätsmanagement
Wesentliche Barrieren gegen die Einführung eines Qualitätsmanagements für zugekaufte Dienstleistungen sind die Heterogenität der Dienstleistungen und die Subjektivität ihrer Bewertung. Empfohlen wird deshalb eine stärkere Standardisierung der Dienstleistungen in Dienstleistungsgruppen. Durch regelmäßige und standardisierte Bewertungen mit einheitlichen Oberkriterien und Dienstleistungsspezifischen Unterkriterien kann die Subjektivität reduziert werden. Dazu kann der Aufbau standardisierter Leistungsverzeichnisse dienen und die Konzentration auf Full-Service-Dienstleister. Bei der Prüfung und Abnahme von Dienstleistungen können vordefinierte Stichprobenverfahren genutzt werden.
Fokus des Qualitätsmanagements
Als besonders lohnend hat sich die Konzentration auf riskante Dienstleistungen und solche mit hohem Beschaffungsvolumen herausgestellt. Das erfordert eine klare Analyse und dann die Klassifizierung zugekaufter Dienstleistungen. Die Einordnung der Dienstleistungen kann in einer Matrix erfolgen mit den Achsen Qualitätsrisiko und Beschaffungsvolumen. In den Matrixfeldern können die Qualitätsmanagement-Aktivitäten definiert werden.
Allgemein weißt die Studie nach, dass Qualitätsmanagement für zugekaufte Dienstleistungen den Erfolg des beschaffenden Unternehmens steigert. Deshalb empfiehlt die Studie ein stärkeres Bewusstsein für die Bedeutung der Qualität auch der zugekauften Dienstleistungen. Das Management soll klare Ziele setzen für die Qualität dieser Dienstleistungen. Das Dienstleister-, Kunden- und Prozessmanagement sollte intensiviert werden. Wichtige Beteiligte sollten stärker eingebunden werden in den Design- und Entwicklungsprozess für zugekaufte Dienstleistungen.
Zu einer stärkeren Nutzung von Qualitätsmanagement können klare Ziel für die Bewertung von Dienstleistern beitragen. Für die Bewertungsergebnisse sollen eindeutige Maßnahmen definiert werden. Informationen darüber sollen aggregiert und regelmäßig bereitgestellt werden. Der Prozess für Abnahmen und Reklamationen soll klar definiert werden. (jg)

Nachgefragt

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Woran liegt es, dass Unternehmen das Qualitätsmanagement für materielle Güter gut verankert haben, für Dienstleistungen jedoch nicht?
Es scheint, dass technische Spezifikationen leichter fallen als die Spezifikation von Dienstleistungen.
Was könnten denn Spezifikationen bei Dienstleistungen sein?
Das können etwa Reklamationen, Durchlaufzeiten oder Termintreue sein, alles bekannte Themen, die nur neu konfiguriert werden müssen, wenn eine Dienstleistung beurteilt werden soll. Denn wir müssen nicht alles neu erfinden, was seit 50 Jahren in der produzierenden Wirtschaft positiv greift und wirkt. Ich warne jedoch vor einem blinden Kopieren und tendiere zu einem Adaptieren, indem wir das richtige Werkzeug finden und es übertragen. Das Qualitätsmanagement kann man als führendes System nutzen und das ist soweit generisch, als es sowohl für die produzierende als auch für die dienstleistende Wirtschaft angewandt werden kann. Aber eben nicht eins zu eins, sondern auf die Branche angepasst und auf das einzelne Unternehmen.
Kann die DGQ einen Beitrag leisten zur Verbesserung dieser Situation?
Hier können wir selbstverständlich einen Beitrag leisten. In unseren Veranstaltungen haben wir etwa zur Hälfte Dienstleister, zur Hälfte Produzenten. Wir sehen, dass das Problem für beide ähnlich ist. Ich halte es auch für sinnvoll, beide Gruppen miteinander zu schulen. So können sie ihre Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. Die größten Schwierigkeiten liegen in Fragen der Information und Kommunikation, der Führung und Motivation. Das haben Produktion und Dienstleistung gleich. In etwa sind das auch die Kriterien, warum beide zur DGQ kommen und damit eine Basis für künftige Verbesserungen legen.

Qualitätsmanagementpraktiken
Design und Entwicklung zugekaufter Dienstleistungen:
Einbindung interner und externer Kunden und Dienstleister in Spezifikationsprozesse, Klare Definition von Dienstleistungsspezifikationen.
Mitarbeitermanagement:
Qualitätstraining, aktives Verbesserungsmanagement.
Managementunterstützung:
Klarer Zielsetzungsprozess für die Qualität zugekaufter Dienstleistungen, Engagement des Managements zur Lösung von Qualitätsproblemen, regelmäßige Qualitätsberichte für das Management.
Kundenmanagement:
Regelmäßige Zufriedenheitsanalyse, strukturierter Rückmeldeprozess zur Qualität, Anforderungsanalysen.
Qualitätsinformationen:
Benchmarking von Qualitätsdaten, KPIs und SLAs zur Qualität, Qualitätsreporting.
Prozessmanagement:
Systematischer Abnahmeprozess, statistische Qualitätskontrolle, Prozessdokumentation.
Dienstleistermanagement:
Bewertungssystem mit vordefinierten Maßnahmen, Dienstleisteraudits, Bonus-Malus-System.
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