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Der Lack ist noch lange nicht ab

Alterungserscheinungen lackierter Faserverbundkunststoff-Oberflächen
Der Lack ist noch lange nicht ab

Die Windkraftindustrie setzt stark auf Faserverbundwerkstoffe, die mit einer Lackierung vor UV-Licht geschützt werden müssen. Dabei ist es wichtig, Mess- und Prüfsysteme bereitzustellen, um schon gering ausgeprägte Oberflächenveränderungen sicher detektieren zu können. Nur so können Kosten für Reklamationen und Nacharbeit sowie Imageverluste verhindert werden. Das Fraunhofer IFAM, Bremen, hat verschiedene Oberflächenmesssysteme zur Detektion von Telegraphingeffekten überprüft.

Die Lackierung von Faserverbundwerkstoffen gewinnt an Bedeutung. Zum einen besitzen faserverstärkte Kunststoffe (FVK) eine geringe Dichte gegenüber herkömmlichen Materialien bei vergleichbarer Steifigkeit und Bruchlast, zum anderen weisen carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) eine einzigartige Optik auf und werden daher auch im Sichtbereich eingesetzt. Bei allen Vorteilen müssen aber auch spezifische Anforderungen an die Materialeigenschaften beachtet werden, um eine langanhaltende Funktionalität zu gewährleisten. Dazu zählen Wetterstabilität und Alterungserscheinungen.

Zur Wetterstabilität: Faserverstärkte Kunststoffe bestehen aus einer Polymermatrix, dem Matrixharz und den verstärkenden Fasern. Die am häufigsten eingesetzten Fasern sind dabei Glasfasern oder Carbonfasern. Bei dem Matrixharz handelt es sich typischerweise um eine Epoxidverbindung. Epoxide besitzen hervorragende mechanische und thermische Eigenschaften, sind aber äußerst empfindlich gegen UV-Strahlung. Durch Sonnenlicht wird das organische Netzwerk angegriffen, was zur Versprödung und Kreidung führen kann. Daher müssen Faserverbundwerkstoffe für Außenanwendungen immer durch eine Lackierung vor UV-Strahlung geschützt werden. In der Regel wird für diese Lackierung ein Mehrschichtaufbau auf vorbehandelter Oberfläche verwendet. Die Schichtdicke beträgt zumeist 100–350 µm.
Alterungserscheinungen treten bei jeder Lackierung auf. Bei der Lackierung von Faserverbundkunststoffen lassen sich aber einige für diese Werkstoffe spezifische Alterungsvorgänge anführen:
  • Telegraphing
  • Cracking
  • Kontaktkorrosion (bei Metall-CFK-Verbundbauweise)
Beim Telegraphing lackierter Faserverbundkunststoffe handelt es sich um eine optische Veränderung der Oberflächenstruktur, hervorgerufen durch Umwelteinflüsse wie Temperatur- und Feuchteschwankungen. Eine Ursache für die Strukturänderungen des Faserverbundkunststoffs während der Lebensdauer ist die unterschiedliche Wärmeausdehnung von Fasern und Harz mit:
a (CFK-Harz) ≈< 100 – 200 ppm/K
a (C-Fasern)= –0,1 ppm/K
Um diese Werte einordnen zu können, lassen sie sich am besten mit der Wärmeausdehnung von Aluminium a (Al) < 23,1 ppm/K) vergleichen, welche bei Konstruktionen als hoch eingestuft und berücksichtigt werden muss. Demzufolge ist bei dem Beispiel CFK bei Erwärmung eine starke Ausdehnung des Matrixharzes bei gleichzeitiger Verkürzung der Carbonfasern zu erwarten, was zwangsläufig zu Spannungen und Verformung führen kann.
Eine weitere Ursache für Strukturänderungen des FVKs ist unterschiedliches Quellverhalten bei Feuchtigkeitsaufnahme von Matrix und Fasern. Typische Lackierungen zeigen ein Elastizitätsverhalten, das ein Durchdrücken der Struktur bis an die Oberfläche ermöglicht.
Zur Qualitätssicherung von lackierten CFK-Oberflächen und zur Detektion von Telegraphing Strukturen ist es zunächst wichtig, ein Messsystem bereitzustellen, um schon gering ausgeprägte Oberflächenveränderungen sicher detektieren zu können. Nur so können Kosten für Reklamationen und Nacharbeit sowie mögliche Imageverluste vorab verhindert werden. In verschiedenen Projekten wurden im Fraunhofer IFAM bestehende Oberflächenmesssysteme zur Detektion von Telegraphingeffekten überprüft. Hierbei wurden verschiedene Methoden untersucht:
Bei der taktilen Rauheitsmessung wird die Oberfläche mit einer Tastspitze abgefahren und Linienrauheitswerte (zum Beispiel Ra und Rz) werden über eine definierte Messstrecke bestimmt. Die Ergebnisse der Messungen zeigen jedoch, dass man zwar eine geringe Erhöhung der Rauheitswerte für die die Telegraphing betroffenen Proben erkennt, es jedoch für eine sichere Detektion nicht ausreichend ist.
Bei der Wave-Scan-Messung wird die lackierte Oberfläche mit einem optischen Messsystem abgetastet. Abhängig von den Reflektionseigenschaften der Oberfläche wird eine Oberflächenstruktur bestimmt, aus der sich Strukturgrößen ermitteln lassen. Bei dem eingesetzten Messsystem werden verschiedene Strukturgrößen mit einer Auftrittshäufigkeit angegeben. Nachteil der Methode ist, dass Veränderungen des Lacks das Ergebnis stark verfälschen können und die Messungen nur auf glänzenden Oberflächen möglich sind.
Die Laserscanningmikroskopie ermöglicht es im Gegensatz zur konventionellen Mikroskopie, sehr kontrastreiche Bilder mit Höheninformationen zu gewinnen. Die Oberfläche wird mit einem kurzwelligen Laserstrahl (408 nm) abgerastert und das von der Oberfläche zurückgestrahlte Licht mit Hilfe einer Optik gesammelt. Durch den Einsatz einer Lochblende vor dem Brennpunkt der Optik wird eine sehr geringe Fokusebene erreicht. Diese sehr geringe Fokusebene führt dazu, dass Licht, welches von einem anderen Punkt als der Fokusebene reflektiert wird, nicht in die Optik eintritt. Durch eine Verschiebung der Sammeloptik relativ zur Probenoberfläche sowie wiederholte Scans der Fokuspunkte für verschiedene Abstände werden Höheninformationen der Oberfläche im nm-Bereich gewonnen. Die gewonnenen Topografiebilder ermöglichen es hierbei, die Höhe sowie den Abstand der auftretenden Struktur auszumessen und mit idealen Lackoberflächen zu vergleichen. Ein Nachteil dieses Verfahrens liegt in der Messzeit von bis zu 60 min für eine Messstrecke von 10 mm.
Eine andere Methode ist die Streulichtmesstechnik. Im Rahmen der winkelaufgelösten Streulichtmessung wird die Oberfläche des Messobjekts senkrecht mit einem LED-Messfleck (d=9 mm) beleuchtet. Das rückgestrahlte Licht wird von einem Messobjektiv erfasst und auf ein Detektorarray gelenkt. Durch eine lineare Anordnung des Diodenarrays kann man jeder Diode einen diskreten Streuwinkel zuordnen und erhält hierfür eine Lichtintensität. Mit diesen Informationen erhält man eine lineare Streulichtverteilung, die eine Aussage über die Struktur der Oberfläche liefert. Aus dieser Streulichtverteilung lassen sich Rauheitswerte der Oberfläche ermitteln. Der Vorteil der Streulichtmesstechnik gegenüber der taktilen Rauheitsmessung liegt darin, dass eine berührungslose Rauheitsbestimmung mit einer schnellen Messzeit und der Möglichkeit der Automatisierung gegeben ist.
Zunächst wurde zur Detektion von Telegraphing lackierter CFK-Oberflächen nur die Veränderung der Rauheitswerte der Streulichtmesstechnik bewertet. Das Fazit: Ähnlich der taktilen Rauheitswerte ist eine Detektion des Telegraphings nur bedingt direkt möglich. Der Vorteil der Streulichtmessung besteht darin, die Oberflächenveränderungen kontinuierlich während des Aufheizens des FVK-Bauteils zu detektieren.
Durch Laserkonfokalmikroskopie wird das Telegraphing mittels Oberflächenscan sichtbar gemacht, man erhält ein kontrastreiches Bild mit Höheninformationen. Ziel ist es, die Flächenveränderungen durch Umwelteinflüsse zu simulieren, zu vermessen, auszuwerten und aus den generierten Ergebnissen eine Lackformulierung zur Minimierung des Telegraphings zu entwickeln. Bei der Bewertung der Methoden zur Detektion von Telegraphingeffekten hat das Fraunhofer IFAM folgende Erkenntnisse gewonnen: Bei den Methoden der taktilen Rauheitsmessung sowie der Streulichtmessung wurden zunächst nur die Rauheitswerte zur Detektion von Telegraphingstrukturen herangezogen. Hierbei zeigte sich, dass taktil bestimmte Rauheitsänderungen bei einem stark ausgeprägten Telegraphing erkennbar sind, jedoch eine vollständige Oberflächenbewertung nicht ermöglichen. Weiterführende Untersuchungen sollen zeigen, ob neben einer reinen Rauheitsmessung noch weitere Informationen der beiden Messtechniken potenzielle Möglichkeiten bieten, Oberflächenstrukturänderungen zu detektieren. Die Laserscanningmikroskopie ermöglicht es, lokal die Topografieänderung, zum Beispiel verursacht durch Telegraphing, sichtbar zu machen. Durch die hohen Messzeiten sind jedoch nur stichprobenartige Überprüfungen möglich. Der Einsatz des Wave-Scan-Messgeräts ist durch die stark beschränkte Informationsausgabe sowie die Einschränkung auf stark reflektierende Oberflächen nur bedingt einsetzbar.
Neben der Vermeidung von Telegraphing durch innovative Lacksysteme wird am Fraunhofer IFAM an optischen Messsystemen und Auswertelogarithmen geforscht, um den Kunden ein zuverlässiges Messsystem für die Qualitätssicherung von lackierten CFK-Oberflächen bereitzustellen und so zuverlässig Telegraphingeffekte zu detektieren.
Nicht nur ein optisches Problem ist die Rissbildung der Lackierung, das sogenannte Cracking, auf Faserverbundwerkstoffen: Lackierungen, die auf herkömmlichen Oberflächen keinerlei Probleme zeigen, können auf Faserverbundkunststoffen zu starker Rissbildung neigen. Ein möglicher Ausgangspunkt können die Knotenpunkte der Fasern sein. Die entstehenden Risse können sehr unterschiedlich in ihrer Orientierung sein und führen häufig zur Enthaftung der Beschichtung vom Substrat. Die Rissbildung kann verschiedene Ursachen haben:
  • unterschiedliche Wärmeausdehnung von Fasern und Matrixharz bei Temperaturwechselbelastung
  • unterschiedliche Ausdehnung durch Feuchtigkeitsschwankungen
  • Wasseransammlungen in Grenzflächen
  • unterschiedliches Aufheizverhalten (verglichen mit Aluminium)
  • Schädigung des Matrixharzes durch UV-Strahlung
  • Mangelhafte Substrat-Reinigung/-Vorbehandlung
  • Eindringen von Chemikalien in die Grenzfläche
  • Mechanische Belastung des Bauteils
Das Fraunhofer IFAM unternimmt zurzeit Anstrengungen, die primären Ursachen zu ermitteln, ein Szenario zur Schadensnachstellung zu entwickeln und eine schnelle Prüfmethode zur Verfügung zu stellen. Dazu werden die unterschiedlichen Hypothesen im Labor an verschieden stark vernetzten Lacksystemen überprüft.
  • 1. Aufheizgeschwindigkeit lackierter unterschiedlicher Werkstoffe, im speziellen CFK durch die schwarze Farbe.
  • 2. Versuche zur Schadensnachstellung an Lacksystemen mit verschiedenen Vernetzungsgraden. Verschiedene Lackaufbauten werden im Labor klassischen Schnelltests, wie Kurzzeitbewitterung, Klimaauslagerung, Chemikalienauslagerung unterworfen.
  • 3. Erzeugung eines Temperaturgradienten, wie er typischerweise am Flugzeug im lackierten Faserverbundwerkstoff auftritt, daher starke Kühlung von der Vorderseite bei gleichzeitigem Feucht-Warm-Klima von der Rückseite.
Zudem trägt die galvanische Korrosion zur Alterung von Faserverbundkunststoffen bei. Diese Korrosionsart kann bei Mischbauweisen von Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen mit Metallen auftreten. Da die Kohlenstofffasern elektrisch leitfähig sind und ein hohes elektrochemisches Potenzial aufweisen, kann es bei elektrischem Kontakt zwischen CFK und Metall und Anwesenheit von Elektrolyt zu einer starken Korrosion des Metalls kommen. Methoden zur Vermeidung der Korrosion sind der Ersatz von Carbonfasern durch kompatible, nicht elektrochemisch aktive Fasermaterialien wie Glasfasern, die Verwendung kompatibler Metalle wie Titan oder die Vermeidung von freien Carbonfasern am CFK Bauteil. Diese Vermeidung kann durch eine geeignete Lackierung erreicht werden. Für einen langfristigen Schutz müssen FVK typische Alterungserscheinungen berücksichtigt werden. ■
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