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„Der Revo kann künftig auch berührungslos“

Renishaw baut sein 5-Achs-Messsystem Revo weiter aus
„Der Revo kann künftig auch berührungslos“

In der Pipeline für den Revo hat Renishaw eine neue Steuerungssoftware mit einem benutzerfreundlichen Interface, das sich per Touch- technologie bedienen lässt. Außerdem befinden sich berührungslose Sensoren in der kundennahen Erprobung – und der Revo geht in die Fertigung, wie Geschäftsführer Rainer Lotz und Produktmanager Andy Articus im Gespräch mit QUALITY ENGINEERING verraten.

Den Revo gibt es nun bereits seit zehn Jahren. Wie hat er sich seit seiner Einführung entwickelt?

Lotz: Die Akzeptanzkurve ist im Laufe der Jahre steil nach oben gegangen, nachdem sich die Anwender in den ersten drei, vier Jahren erst mit der Technik vertraut machen mussten. Kein Wunder: Die 5-Achs-Technologie war damals komplett neu und bedurfte einer ganz anderen Arbeitsweise, als man es von der 3-Achs-Technik gewohnt war. Hinzu kommt, dass wir 2005 bei der Vorstellung des Revo zunächst einmal nur die Hardware und die Steuerung hatten. Erst 2007 haben wir dann begonnen, Zug um Zug Software-Applikationen dafür zu entwickeln; etwa für das Scannen von geometrischen Elementen, etwa Flächen, Durchmessern und auch die Messung von Ventilsitzen und -führungen bis hin zur Rauhtiefenmessung. Wir haben uns im Laufe der Jahre also vom Komponenten- zum Komplettlösungsanbieter entwickelt.
Articus: Für verschiedene Anwendungsbereiche stellen wir mittlerweile spezielle Applikationssoftware zur Verfügung, sodass der Revo schnell und problemlos einsetzbar ist – oft innerhalb von einer halben Stunde. Dazu gehören „abgespeckte“ Softwarepakete, Apps wenn Sie so wollen, wie Apex Blade und Apex Impeller für die Prüfung und Analyse von Turbinenschaufeln. Damit lassen sich komplexe Sweep-Scans über das Revo Messsystem durchführen, Punktewolkedaten sammeln – und dies über die gesamte Schaufelfläche.
Ist der Revo am Markt etabliert – oder gibt es nach wie vor Erklärungsbedarf?
Lotz: Beides. Wir haben einerseits auf technischer Seite große Fortschritte erzielt und werden auch bei vielen Ausschreibungen gerade in der Automobilindustrie berücksichtigt. Doch ist der Revo kein Messsystem, das in großen Mengen auf allen Standard-Koordinatenmessmaschinen zum Einsatz kommt. Das hängt auch damit zusammen, dass der Revo eine andere Arbeitsweise erfordert. Die Mitarbeiter im Messraum müssen dabei unter Umständen mit neuer Software arbeiten. Das ist eine Einstiegshürde, die genommen werden muss.
Wie aufwändig ist das?
Articus: Im Prinzip ist die Programmierung simpel. Aber man muss eben wissen, dass man fünf Achsen zu programmieren hat. Wir hatten beispielsweise Anrufe von Kunden, dass der Revo nicht wie versprochen einen höheren Durchsatz bringt. Wir sind dann hingefahren und stellten fest, dass die Mitarbeiter die Maschine in in bisher gewohnter Weise weiterhin 3-achsig programmiert hatten. Als wir die 5-Achs-Programmierung dann eingerichtet haben, stellten sich die Effizienzvorteile sofort ein.
Wie groß sind denn die Effizienzsteigerungen in der Praxis?
Articus: Das hängt natürlich vom Bauteil ab. Bei der Überprüfung von Blisks ist der Revo um den Faktor vier schneller als traditionelle Methoden. Denn dafür brauchte man früher mehrere Maschinen. Der absolute Zeitgewinn ist dabei das eine. Wir haben auch Kunden, die einen Qualitätssprung alleine deshalb verzeichnen, weil sie die Messungen an Bauteilen nun innerhalb einer Schicht vornehmen können. Eine Übergabe von einer Schicht zur nächsten ist damit nicht notwendig – und damit entfallen auch jegliche Unstimmigkeiten, etwa wenn eine Messung mittendrin abbricht und die Ursache dafür gefunden werden muss. Eine weitere Effizienzsteigerung lässt sich durch die Multisensorik erzielen: Der Revo verfügt auch über einen Sensor für die Bestimmung der Rauhtiefe, somit wird die Rauheit gleich automatisch mitgemessen. Das Bauteil muss also nicht runter von der Koordinatenmessmaschine und auf eine spezielle Maschine gespannt werden.
Bei komplexen Bauteilen wie Blisks leuchten die Zeiteinsparungen ein. Aber ist der Revo für einfache Bauteile nicht oversized?
Lotz: Nach unserer Erfahrung lässt sich bei allen Projekten die Messzeit um mindestens zwei Drittel reduzieren. Das heißt, wenn man vorher für ein Bauteil 20 Minuten Messzeit brauchte, sind es mit dem Revo noch 5 oder 6 Minuten runter. Das rechnet sich auch bei einfachen Bauteilen, wenn beispielsweise ganze Chargen durchgemessen werden müssen. Die Automobilindustrie wünscht sich eigentlich sehr viel mehr Messergebnisse, um sehr früh in den Produktionsprozess eingreifen zu können – bevor überhaupt Ausschuss entstehen kann. Da geht es dann um einen hohen Durchsatz. Machen wir uns nichts vor: Der Messraum ist in fast jeder Produktion der Flaschenhals. Im Prinzip gibt es immer zu wenig Maschinen und zu geringen Durchsatz. Der Revo löst diesen Engpass.
Ist der Revo auch in der Produktion denkbar?
Articus: Ja, wir haben jetzt ein Projekt laufen, bei dem Zylinderbohrungen in der Fertigung geprüft werden. Da hat man eine Taktzeit von 46 Sekunden. Revo konnte als einziger diese Taktzeit erfüllen. Dafür wurde die Koordinatenmessmaschine auf automatische Dämpfer gesetzt, die die Vibrationen in der Fertigung minimieren. Die Umgebungstemperatur ist für den Revo kein Problem. Er sorgt mittels im Kopf integrierter Temperaturregelung immer selbständig für eine absolut konstante Temperatur.
Schnelligkeit ist das eine, was ist mit der Genauigkeit?
Articus: Revo ist nicht nur schneller, sondern auch genauer als andere Sensoren. Eigentlich gut, sollte man meinen. Doch viele Kunden stellt dies vor ein Problem. Die höhere Genauigkeit stellt die Referenz der bisherigen 3-Achs-Systeme infrage. Da gerät eine Philosophie im Produktionskreislauf ins Wanken – damit umzugehen, erfordert einen Lernprozess. Das darf man nicht unterschätzen in einem funktionierenden Produktions- und Inspektionsverbund, das löst Diskussionen aus. Da wird dann auch schon mal der Wunsch an uns herangetragen, dass wir die Revo-Ergebnisse an die bisherigen anpassen. Doch wir tun uns verständlicherweise schwer damit, die genaueren Ergebnisse schlechter zu machen.
Lässt sich der Revo auf allen Koordinatenmessmaschinen verwenden?
Articus: Wir arbeiten eng mit Mitutoyo, Nikon und Wenzel zusammen. Wenn Kunden den Revo auf Koordinatenmessmaschinen von Zeiss oder aus der Hexagon-Gruppe einsetzen wollen, so ist auch das kein Problem. Mit unserem Retrofit-Paket ersetzen wir einfach die Maschinensteuerung, die Sensorik und die Software.
Wie ist das Verhältnis von Neumaschinen und Retrofit-Lösungen?
Lotz: Weltweit machen wir 80 Prozent unseres Revo-Umsatzes mit Neumaschinen und 20 Prozent mit Nachrüstungen. In Deutschland ist der Retrofit-Anteil deut-lich höher. Die Kunden hierzulande sind sehr pragmatisch. Für viele Kunden ist die Umrüstung bestehender Koordinatenmessmaschinen die effizienteste Lösung, schließlich sind die Maschinen nicht selten 20 Jahre oder länger im Einsatz. Ganz anders denken hingegen die Kunden in Japan: Da greift man in die laufenden Systeme eher nicht ein. Stattdessen werden neue Projekte für den Revo identifiziert – gerade im Automobilbereich ist dies der Fall, weil auch die japanischen Automobilisten sehr effizienzgetrieben sind.
Wie lange dauert das Umrüsten einer vorhandenen Maschine?
Articus: Etwa eine Woche. Eingeschlossen sind dabei auch schon die Unterstützung bei der Programmierung der Bauteile durch unsere Anwendungstechniker, damit der Kunde einen flüssigen Übergang auf die neue Technik hat, sowie die Schulung der Mitarbeiter. Das sind ganz wichtige Punkte.
Was können wir denn in Zukunft vom Revo erwarten? Welche Neuentwicklungen stehen an?
Articus: Im Herbst wird es eine neue Version der der Messdatensoftware Modus mit einer sehr benutzerfreundlichen Oberfläche geben, die deutlich leichter zu erlernen ist. Der Hintergrund ist der, dass wir natürlich auch in der Qualitätssicherung einen Generationswechsel spüren. Die jüngeren Mitarbeiter kommen aus der iPad-Generation. Sie sind es gewohnt, Geräte per Fingertip zu bedienen. Dabei ist eine stärkere Visualisierung in der Benutzung gefragt. Also nicht mehr Eingabe von Programmcode, sondern über Bedienung über Symbole. Das heißt, die Bedienung und Programmierung des Revo wird wesentlich einfacher und intuitiver.
Was ist noch in der Pipeline?
Articus: In der Reihe der taktilen Messtaster steht für den Revo nun auch eine extralange Variante mit 800 mm zur Verfügung, nachdem bislang bei 500 mm Ende gewesen war. Trotz der Länge liegt der Durchmesserfehler gerade einmal bei 2 µm. Mit diesem neuen Messtaster lässt sich tief in Bauteile wie etwa große Turbinenräder oder Kurbelgehäuse eintauchen, ohne dass diese umgespannt werden müssen. Auch können Anwender mit ihm Bauteilkonturen leichter von unten vermessen.
Lotz: Über die taktile Vermessung sowie modulare Rauheitssensoren hinaus wird es bald auch berührungslose Sensoren für den Revo geben. Die taktile Sensorik stößt bei manchen Anwendungen an ihre Grenzen; beispielweise können mit den berührungslose Sensoren Bohrungen oder spezielle geometrische Ausbrüche bei Turbinengehäusen aus der Luft- und Raumfahrt viel schneller erfasst werden. Außerdem sind die Genauigkeiten der taktilen Technik für manche Anwendungen gar nicht nötig. ■
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