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Der Weg zu QM

Der Kunde steht immer in der ersten Startreihe
Der Weg zu QM

Die steigenden Kundenanforderungen an die Qualität einer Dienstleistung bei gleichzeitig sinkenden Preisen veranlassen viele Unternehmen, die internen Prozesse neu zu organisieren. Die Festlegung von standardisierten Verfahren, die neben der maximalen Kundenorientierung auch eine angemessene Flexibilität in der Durchführung implizieren, kann durch ein Intranetbasierendes Kommunikationssystem bedarfsgerecht gestaltet werden.

Dr. Ing. Uwe Reinert,Qualitätsbeauftragter,DEKRA, Saarbrücken

Die Untersuchung von Kraftfahrzeugen, die Materialprüfung und Gutachtenerstellung im Schadensfall, die Durchführung von Beratungseinheiten und Seminaren, die zuverlässige Analyse von komplexen technischen Systemen sind nur einige Beispiele aus der Angebotspalette des DEKRA-Konzerns.
Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Qualität der beschriebenen Dienstleistungen stark von der Qualität der einzelnen Mitarbeiter und deren Organisation abhängt. Um eine bestmögliche Unabhängigkeit vom Durchführenden zu gewährleisten, ist darum die Festlegung von firmeninternen Standards notwendig. Diese internen Standards müssen im weiteren von den Mitarbeitern auf der operativen Ebene nachvollzogen und verstanden werden.
Ein QM-System kann dies nur leisten, wenn die Bedeutung von einzelnen Tätigkeiten als Teil des Gesamtsystems transparent wird. Die Orientierung an den real existierenden Unternehmensprozessen ist somit der vernünftigste Weg beim Aufbau eines solchen Systems.
Beispielhaft sollen im Folgenden die Erfahrungen und die Ergebnisse beschrieben werden, die die DEKRA Akademie als zweitgrößter Geschäftsbereich auf dem beschriebenen Weg gesammelt hat.
Prozeßorientierung als Unternehmensstrategie
Bereits frühzeitig im Juni 1999 konnte sie sich das prozessorientierte QM-System zertifizieren lassen. Dadurch wurde die Voraussetzung geschaffen, motiviert den weiteren Weg zu mehr Dienstleistungsqualität in Richtung Business Excellence (EFQM) zu beschreiten [1]. Eine Vielzahl von Gründen war entscheidend für den Entschluss zu mehr Prozeßorientierung im Unternehmen. Dazu zählen die Intensivierung der Markt- und Kundenorientierung auf der einen Seite, die Reduzierung der Durchlaufzeiten und damit der Kosten auf der anderen Seite. Weiter sollte durch die Vereinfachung der Koordination und durch die Lösung von Schnittstellenproblemen zwischen einzelnen Organisationseinheiten eine Steigerung der Anpassungs- und Innovationsfähigkeit des Unternehmens erreicht werden, um somit schneller und zuverlässiger auf die zunehmende Veränderungsgeschwindigkeit von Technologien, Märkten und Kunden reagieren zu können.
Die verstärkte Orientierung in Richtung der Unternehmensprozesse bedeutet in diesem Zusammenhang zunächst und vor allem, dass dem Kriterium „marktorientierte Leistung“ bei der Gestaltung der Organisation mehr Gewicht beigemessen wird als dem Kriterium „Abteilung“. Anders ausgedrückt bedeutet dies, daß der Außensicht des Unternehmens in Richtung Markt und Kunde eine höhere Priorität eingeräumt wird als der Innensicht auf die Struktur der Aufbauorganisation [2].
Für die Abnahme eines QM-Systems durch einen unabhängigen Dritten – eine sogenannte Zertifizierung – ist ein definierter Katalog von Mindestanforderungen notwendig. Dieser allumfassende Katalog ist die Norm ISO 9001, die auf Grund ihrer eigenen elementbasierenden Gliederung den Aufbau eines QM-Systems in gleicher Form, also basierend auf den Elementen, begünstigt. Jedoch ist bei der Wahl der Struktur des QM-Systems ein Unternehmen letztendlich völlig frei. Die erwartete Einführung einer überarbeiteten ISO 9001, die auf einem Prozeßmodell basiert, ist frühestens im Jahr 2000 zu erwarten. Darauf konnten und wollten die Verantwortlichen nicht warten und entschieden sich damals entgegen aller Strömungen, jedoch aus heutigen Sicht absolut richtig, für die Einführung eines prozessorientierten QM-Systems.
Prozeßstruktur und -hierarchie
Der Ablauf der Tätigkeiten und der Fluß der Informationen in einem Unternehmen ist auf den ersten Blick oft undurchsichtig. Eine der ersten Aufgaben ist die Ordnung und Strukturierung. Die Gliederung in Führungs-, Leistungs-, Unterstützungs- und Verbesserungsprozesse [3] erschien als geeignete Möglichkeit der Strukturierung auf der obersten Hierarchieebene (siehe Bild 1). Unter Führungsprozesse sind diejenigen zu verstehen, die für die Entwicklung von Visionen und Strategien von Wichtigkeit sind.
In den Leistungsprozessen geht es zuerst darum, den Markt und die Kunden zu verstehen. Danach werden Dienstleistungen entwickelt und in den Markt gebracht. Nach dem Verkauf und der Ausführung der Leistung sind die Rechnungsstellung und die Zahlungsverfolgung wesentliche Prozesse. Die Betreuung der Kunden durch den Service gehört ebenfalls zu der Gruppe der Leistungsprozesse. Kurzfristige Korrekturen jedweder Art sind in Schleifen innerhalb der Leistungsprozesse ebenfalls berücksichtigt und somit möglich.
Den Unterstützungs- oder auch Supportprozessen werden beispielsweise die Personal- und Informationsprozesse zugeordnet. Hierzu zählen die Rekrutierung, Führung und Weiterbildung von Mitarbeitern und die Erfassung, Speicherung, Verarbeitung und Auswertung von Informationen und Daten. Die Verwaltung finanzieller Mittel und die Pflege der Infrastruktur gehören ebenfalls dazu wie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Überwachung von Leistungen und Prozessen und die systematische Verbesserung mit mittelfristigem Charakter sind in der Gruppe der Verbesserungsprozesse enthalten.
Definition von Prozessketten
Die Unternehmensprozesse wurden in einer vierstufigen Hierarchie abgebildet. Diese Hierarchie kombiniert die gesamten Tätigkeiten im Unternehmen mit den dazugehörigen Informations- bzw. Datenflüssen und der Organisation der Mitarbeiter.
Die oberste Ebene A dieser Hierarchie enthält die weiter oben inhaltlich detailliert beschriebenen Führungs-, Leistungs-, Unterstützungs- und Verbesserungsprozesse.
Die Ebene B darunter enthält in sich inhaltlich abgeschlossene Hauptprozesse wie z.B. die Marktbeobachtung, die Geschäftsanbahnung, die Konzeptentwicklung, die Projektentwicklung (siehe Bild 2), die Projektrealisierung, die Beschaffung, usw. Diese Ebene kann im klassischen Sinne als die Ebene der Verfahrensanweisungen interpretiert werden, obwohl die Grenzen zur nächsten Ebene C fließend sind.
Tätigkeiten der Ebene B sind wenn notwendig durch eine detaillierte Unterteilung in Unterprozesse zu beschreiben. Dies geschieht auf Ebene C, wenn man so will der Ebene der Arbeitsanweisungen.
Auf einer weiteren Ebene D finden sich dann lediglich dokumentierende Tätigkeiten, in denen Informationen, Daten und Ergebnisse jeglicher Art festgehalten werden.
Das Herunterbrechen der Prozesse über die einzelnen Ebenen, denen jeweils ein unterschiedlicher Feinheits- oder Diskretisierungsgrad zugrunde liegt, war die eigentliche, zu bewältigende Arbeit beim Aufbau des QM-Systems. Diese Erarbeitung der Prozesse erfolgte in Prozeßteams, die sich aus Mitarbeitern unterschiedlicher Gebietszentren zusammensetzten. In mehreren lterationen wurden innerhalb eines Teams erste Ideen zu lauffähigen Prozessen weiterentwickelt.
Der hierarchische Aufbau der Prozeßstruktur ermöglichte es, die Ergebnisse einzelner Teams sogenannte Teilprojekte – schrittweise zu einem stimmigen Gesamtkonzept zusammenzufügen. In teamübergreifenden Abstimmungsrunden wurden die Schnittstellen zwischen den einzelnen Prozessen zusammengeführt. Im Hinblick auf die Minimierung von späteren Reibungsverlusten im Unternehmen kam dieser Abstimmung eine besondere Bedeutung zu.
Optimieren der Prozesse
Die Praktikabilität und nicht zuletzt die Sinnhaftigkeit der festgelegten Prozesse galt es nun zu überprüfen. Von den ca. 120 Organisationseinheiten innerhalb des Unternehmens an unterschiedlichen Standorten wurden einige wenige ausgewählt. Hier wurden die neuen Prozesse verbunden mit den geänderten Verfahrensweisen implementiert.
Nach einer Anlaufphase von wenigen Wochen wurden an den ausgewählten Organisationseinheiten Projektteams gebildet. Diese setzten sich aus den an den jeweiligen Prozessen aktiv beteiligten Mitarbeitern zusammen. Mit Hilfe der Prozess-FMEA wurden die Risiken und Unwägbarkeiten innerhalb der installierten Vorgehensweisen untersucht. Die von allen Teams dabei eruierten Verbesserungen wurden zusammengeführt und nach Festlegung von Prioritäten in die Prozesse integriert. Durch diese Verbesserungsschleifen konnten über eine Zeitdauer von etwa 6 Monaten die Prozesse optimiert und die damit verbundenen Schnittstellenprobleme zufriedenstellend gelöst werden.
Diese „sicheren“ Prozesse wurden nun im gesamten Unternehmen an 120 Standorten eingeführt. Dabei entstand ein immenser Schulungsbedarf von ca. 1100 Mitarbeitern. Auch in dieser Phase führten die systematisch gesammelten Vorschläge der Mitarbeiter zu in der Regel kleineren Änderungen innerhalb der Prozeßabläufe.
Parallel zu der Einführung der Prozesse wurden interne Auditoren ausgebildet. Auf der Basis der aktuellen Abläufe wurde ein Fragenkatalog erarbeitet, dem die Forderungen der ISO 9001 zugrunde liegen. Die durchgeführten internen Audits brachten in ersten Linie Aufschlüsse über zusätzliche Schulungsbedarfe. Aber auch Vorschläge über die weitere Optimierung der Prozesse konnten aufgenommen und systematisiert werden.
Durch die beschriebene Vorgehensweise in sich wiederholenden Schleifen innerhalb des Gesamtprojektes wurde somit für das Unternehmen die bestmögliche Zuverlässigkeit der Prozesse erreicht.
Struktur der Dokumentation
Die Dokumentation spiegelt in ihrer Struktur die weiter oben beschriebene Hierarchie der Prozesse wieder. In der Systembeschreibung wird die oberste Ebene A der Prozesse näher beschrieben. Die Hauptprozesse der Ebene B sind als Verfahrensanweisungen dokumentiert. Hier findet sich z.B. die VA Projektentwicklung, deren Flußdiagramm ergänzt wird durch die textliche Beschreibung der einzelnen Tätigkeiten. Ebenso liegen hier die VA s der anderen Hauptprozesse. Wenn es notwendig war, sind die Tätigkeiten eingehender auf der Ebene C als Arbeitsanweisung erläutert. Formulare, Anlagen und Protokolle finden sich dann auf der Ebene D.
Die Zuordnung der qualitätsrelevanten Tätigkeiten zu den einzelnen Mitarbeitern geschieht im klassischen Sinne durch Stellenbeschreibungen. Da in Abhängigkeit der 120 Organisationseinheiten die Stellenprofile sehr starken Schwankungen unterzogen sind und einige wenige Stellenbeschreibungen nicht ausreichten, wurde hier eine Möglichkeit gefunden, jedem Mitarbeiter sein eigenes Stellenprofil zu geben. An jedem Standort, d.h. in jeder Organisationseinheit, wird durch eine Matrix eine eindeutige Zuordnung von Tätigkeiten und Mitarbeiter vorgenommen. Diese „Wer macht was“ – Matrix bietet somit auf sehr flexible Art und Weise die Möglichkeit, auf Änderungen in der Organisation durch Wechsel oder Ausscheiden von Mitarbeitern und bei Modifikationen innerhalb der festgelegten Prozesse zu reagieren.
Durch die Vernetzung aller Mitarbeiter mit der Groupware Lotus Notes und der Software OCTO 9000 konnte eine digitale papierlose Dokumentation geschaffen werden (siehe Bild 3). Dadurch wird der direkte Zugriff aller Mitarbeiter auf die aktuell gültigen Standards gewährleistet. Verbesserungsvorschläge und notwendige Korrekturmaßnahmen können von den Mitarbeitern durch Mails an dafür vorgesehene Sammler verschickt werden. Regelmäßige Analysen dieser Anregungen führen schließlich zu einem sich über die Zeit optimierenden QM-System.
Fazit
Dieser Beitrag versucht die Erfahrungen und Ergebnisse bzgl. des Aufbaus eines QM-Systems im Dienstleistungsbereich dem Leser näherzubringen. Der Erfolg ist dabei von der Anstrengung des gesamten Unternehmens abhängig. Die Mitarbeitermotivation für die zusätzlich anfallenden Arbeiten muß deshalb zuerst geweckt und dann über die Zeit gehalten und ausgebaut werden. Eine Unternehmensleitung, die sich klar zu dem neuen Weg bekennt, und ein gut strukturiertes Projekt-management sind dabei wichtige Voraussetzungen. Auf der soliden Basis der Erfüllung der ISO 9001 kann dann die Entwicklung des Unternehmens in Richtung Business Excellence (EFQM) aufsetzen.
Literatur
  • 1. Zink, K. J.: TQM als integriertes Managementkonzept – Das Europäische Qualitätsmodell und seine Umsetzung. München: Carl Hanser 1996
  • 2. DGQ e.V.: Qualitätsmanagementsysteme in der Anwendung – Lehrgangsunterlagen. Frankfurt: DGQ e.V. 1999
  • 3. Seghezzi, H. D.: Integriertes Qualitätsmanagement: Das St. Galler Konzept. München: Carl Hanser 1996
Weitere Informationen A QE 303
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