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Die Richtung muß stimmen

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Die Richtung muß stimmen

Die Richtung muß stimmen
Dr. G. Gravel
Die Geräuschreduzierung in Pkw-Getrieben erfordert ein minimiertes Spiel der dort eingesetzten Paßverzahnungen. Neben dem Maß müssen hier vor allem die Formabweichungen beherrscht werden. Um eine kleine Maßtoleranz wirtschaftlich fertigen zu können, sind optimierte Prozesse notwendig, die wiederum richtiges Messen voraussetzen. Bei Verzahnungen ist dabei die Wahl und Bestimmung der Bezugsachse entscheidend für aussagefähige Ergebnisse. Unter den vorgestellten Verfahren der Ausrichtung befinden sich die rechnerischen Verfahren, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Optimierung abbildender Verfahren der Zahnradherstellung.

Dr. G. Gravel, FRENCO Verzahnungstechnik Meßtechnik, Altdorf

Die Paßverzahnung ist eine im Maschinenbau häufig eingesetzte lösbare Welle – Nabe – Verbindung. Die Verbaubarkeit (Paarung) wird mit verzahnten Lehren geprüft. In Bild 1 ist ein verzahnter Lehrring dargestellt. Wesentlich für die Funktion dieses Ringes ist nur die Verzahnung, sie muß sich in einer beliebigen Lage fügen lassen. Der Lehrring selbst sollte regelmäßig auf Verschleiß geprüft werden. Für die Messung der Formabweichungen muß die Verzahnungsachse zum Bezug genommen werden.
Form- und Lageabweichungen
Im Bild 2 rechts ist ein weiteres Beispiel für die Definition der Verzahnung als Bezug dargestellt. Die Achse der Welle muß im Rahmen der Toleranz koaxial zur Verzahnungsachse liegen. Diese Art der Tolerierung ist z. B. dann sinnvoll, wenn sich das Werkstück im Zusammenbau in der Verzahnung ausrichtet. Neben der Tolerierung von Lagebeziehungen zu anderen Geometrieelementen ist die Verzahnungsachse von entscheidender Bedeutung für die Messung der Verzahnung selbst. Die Lageabweichung der Bezugsachse beeinflusst fast alle Einzelabweichungen.
Die Einzelabweichungen der Verzahnung zeigt Bild 3. Die Profilmessung erfaßt und bewertet die evolventische Form des Zahnes im Stirnschnitt, die Flankenlinie wird als Abweichung einer Linie in Achsrichtung gemessen. Profil- und Flankenlinienabweichungen beschreiben die Form und Lage des einzelnen Zahnes. Die Lage der Zähne zueinander wird jeweils durch die Teilungs- und Rundlaufabweichungen erfaßt. Wie im Bild 3 rechts gezeigt, werden sie als einzelne Punkte auf der Flankenmitte eines jeden Zahnes gemessen.
Im Bild 4 sind mögliche Lageabweichungen der Verzahnung zu einer Bohrungsachse als Bezugsachse dargestellt. Der Taumel stellt eine Verkippung der Verzahnungsachse dar, ein Exzenter die Verschiebung des Nullpunktes. Ein Taumel wirkt sich als ein mit der Schnittebene veränderlicher Exzenter aus.
Exzentrische Lage
Bild 5 zeigt den Einfluß einer exzentrischen Lage auf die Abweichungen an der Verzahnung. Oben sieht man die Abweichungen in 2D-Form, wie sie sich bei Verschiebung der Meßpunkte nach links ergeben. Unten sind die daraus entstehenden Rundlauf- und Teilungsabweichungen zu sehen. Durch den Exzenter weisen sie einen sinusförmigen Verlauf auf. Die Rundlaufabweichung stellt die radiale Abweichung der Zahnflanken dar, sie besitzt ihr Maximum am Zahn 7. Die Teilungsabweichungen wirken in tangentialer Richtung zum Teilkreis. Aufgrund der unterschiedlichen Neigungen besitzen rechte und linke Flanken ihr Maximum nicht am gleichen Zahn (rechts am Zahn 5, links am Zahn 3).
Dreht sich das Zahnrad im Einsatz tatsächlich um die Bohrungsachse, so ist die Bezugsachse korrekt gewählt. Alle Abweichungen werden in dieser Größe wirksam. An einer Paßverzahnung hat die Bohrung allerdings keine Bedeutung für die Funktion, die Verzahnung muß sich in irgendeiner Lage paaren lassen. Für eine Bewertung der Verzahnung muß der Exzenter eliminiert werden. Ein bekanntes Verfahren dazu ist die Berechnung einer ausgleichenden Sinuskurve durch den Verlauf der Rundlaufabweichung. Um mit diesem Verfahren die Verzahnung räumlich auszurichten, sind zwei Rundlaufmessungen notwendig, die zweckmäßigerweise in Achsrichtung weit auseinanderliegen sollten.
Die Verzahnungsachse wird durch Amplitude und Phasenlage der ausgleichenden Sinuskurven bestimmt (Bild 6). Dieses Verfahren ist relativ einfach anzuwenden, in DIN 3960 [1] beschrieben und auf fast allen Verzahnungsmeßgeräten heute erhältlich. Das Verfahren hat allerdings auch Nachteile, die anhand einer Banane zunächst auf lockere Art verdeutlicht werden sollen.
Die Bananenachse
Die Achse einer idealen Banane (Bild 7, links) kann durch Messung der Rundlaufabweichung oben und unten mit minimaler Punktzahl bestimmt werden. Diese Achse ist auch für die eigentliche Messung in der Mitte der Banane repräsentativ. Im richtigen Leben ist die Banane allerdings krumm. Wie rechts dargestellt gibt es dann sehr viele Achsen, die von Meßpunktzahl und Schnitthöhe abhängig sind.
Eine für die ganze Banane repräsentative Achse existiert nicht und läßt sich durch die zweifache Rundlaufmessung nicht finden. Dieses Beispiel zeigt, daß durch Formabweichungen Meßergebnisse nicht repräsentativ sind und die Auswahl der Meßpunkte das Meßergebnis beeinflußt.
Auch Zahnräder besitzen Formabweichungen, wenn auch wesentlich kleinere. Nach der Ausrichtung über die Rundlaufmessung weist das Zahnrad im Bild 8 keine Rundlaufabweichung mehr auf, dafür aber sinusförmige Teilungsabweichungen. Dieses Abweichungsmuster ist typisch für einen Fehler bei der Verzahnungsherstellung mit einem Teilgetriebe und läßt sich auf eine Lageabweichung im Teilgetriebe zurückführen. Die Teilungsabweichungen betragen zehn Meter und sie erzeugen in der 2D-Darstellung oben den Eindruck, daß die Meßpunkte verschoben sind.
Rechnerische Einpassung
Im Bild 9 wurden die Meßpunkte rechnerisch eingepaßt. Als Ergebnis zeigt sich eine gleichmäßige Verteilung der Abweichungen entsprechend ihrem Flächenanteil. Das Zahnrad besitzt nun eine Rundlaufabweichung von sieben Metern, aber deutlich geringere Teilungsabweichungen von vier Metern. Da der Flächenanteil einer Teilungsabweichung größer als der einer Rundlaufabweichung ist, wird durch die geometrische Mittelung die Teilungsabweichung stärker berücksichtigt. Das Verfahren der rechnerischen Einpassung basiert darauf, aus allen Abweichungen eine Verschiebung und Verkippung zu berechnen, die Meßpunkte zu verschieben und die Abweichungen neu zu berechnen. Dieser Vorgang wird solange wiederholt, bis keine Veränderung mehr berechnet wird. Die mittlere Lage ist dann erreicht.
Die Vorteile der Berechnung der mittleren Verzahnungsachse liegen darin, daß keine zusätzlichen Meßpunkte in Form von zwei Rundlaufmessungen aufgenommen werden müssen. Die Mittelachse wird aus allen vorhandenen Meßpunkten berechnet und ist damit auch für alle diese Meßpunkte repräsentativ. Schließlich erfolgt die Bewertung der Abweichungen entsprechend dem Flächenanteil der Meßpunkte. Das Ergebnis ist damit für geometrische Beurteilungen aussagekräftiger.
Als Anwendungsgebiete sind neben der Beurteilung von Paßverzahnungen alle Prozesse zu nennen, in denen Verzahnungen abbildend und nicht teilend hergestellt werden, z. B. durch Schmieden, Kaltfließpressen, Sintern, Stanzen, Räumen, Spritzgießen oder Erodieren. Die mittlere Verzahnungsachse erlaubt es hier, die Verzahnung lageunabhängig zu beurteilen. Systematische Abweichungen treten deutlicher zutage und können sicher am Werkzeug oder durch Änderung der Prozeßparameter korrigiert werden.
Hüllverzahnung
Auch wenn die mittlere Verzahnungsachse für die Beurteilung einer Paßverzahnung sehr gute Ergebnisse liefert, wird damit nicht die Frage beantwortet, ob es eine Lage gibt, in der sich die Verzahnung paaren läßt. Diese Frage wird durch die kleinste umhüllende Verzahnung beantwortet. Bestimmt wird diese Hüllverzahnung durch die Lage mit den kleinsten positiven Abweichungen. Nur wenige Meßpunkte repräsentieren die Hüllverzahnung. Die Berechnung ist im Vergleich zur Mittelwertbildung sehr aufwendig. Es wurden Ansätze geschaffen, die weiterentwickelt werden müssen. Erste Ergebnisse lassen erwarten, daß sich mit der Hüllverzahnung der Einfluß von Formabweichungen auf das Paarungsverhalten vorraussagen läßt.
Bewertung der Verfahren
In Bild 10 werden die beschriebenen Verfahren für die Beurteilung einer Paßverzahnung bewertet. Wird keine Achsbestimmung vorgenommen, so läßt sich sehr gut und schnell messen. Die Meßergebnisse sind aber unbrauchbar, da sie in der Regel durch Lageabweichungen verfälscht sind. Die Achsbestimmung durch zweimalige Rundlaufmessung wird heute vielfach praktiziert, ist allerdings zeitaufwendig. Bei Formabweichungen ist die Achse nicht für alle Meßpunkte repräsentativ.
Die rechnerische Einpassung aller Meßpunkte arbeitet stabil und ist durch die heutige Rechnerleistung sehr schnell. Die Aussagekraft für Paßverzahnungen ist sehr gut. Der Hersteller wird dieses Verfahren zunächst bei der Lehrenprüfung im Rahmen der Endkontrolle und Prüfmittelüberwachung einsetzen und in Zukunft auch für Meßgeräte der URM-Reihe anbieten.
Eine optimale Aussage im Hinblick auf die Paarung liefert die Achse der Hüllverzahnung. Die Anwendung ist allerdings noch sehr aufwendig und nicht fehlerfrei. Für diese funktionsgerechte Prüfung ist daher in Zukunft großer Forschungs- und Entwicklungsbedarf gegeben.
Literatur:
[1] DIN 3960: Begriffe und Bestimmungsgrößen für Stirnräder und Stirnradpaare mit Evolventenverzahnung, 03.1987
Weitere Informationen A QE 404
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