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Die Visionen der Kunden statt der eigenen verwirklichen!

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Die Visionen der Kunden statt der eigenen verwirklichen!

Die Visionen der Kunden statt der eigenen verwirklichen!
Herr Henkel, Sie prangern den Reformstau in unserem Lande an. Ist das nicht Schwarzmalerei angesichts der super Exportzahlen?

!Wenn wir die Sektkorken auf den deutschen Export knallen lassen, dann vergessen wir, dass wir auch längst zum Import-Vizeweltmeister geworden sind. Außerdem ist die chronisch positive Handelsbilanz der falsche Gradmesser für unsere internationale Leistungsfähigkeit: Was zählt, ist die Leistungsbilanz.
Und die ist negativ?
!Genau. Die Leistungsbilanz erfasst, neben den einigungsbedingten Zinszahlungen, den realen Austausch mit dem Ausland. Sie verzeichnet neben der Handelsbilanz auch Transferzahlungen für Dienstleistungen sowie Zahlungen für Lizenzen und Patente. Kurz: Sie bilanziert die wahre Wettbewerbsfähigkeit unserer Gemeinschaft.
In Sachen Leistungsbilanz steckt unser Land aber in den roten Zahlen! Und das nicht erst seit gestern.
Und was bedeutet das für unser Land?
!Wir leisten uns mehr als wir leisten. Wir leben über unsere Verhältnisse. Bei den Renten- und Gesundheitssystemen bricht der alte Konsens ja bereits in Stücke. Angesichts der unsicheren Weltlage und wachsender internationaler Aufgaben wurde die Unterfinanzierung der Bundeswehr nur allzu deutlich. Wir sind ein großes Land nach er Wiedervereinigung. Wir müssen unsere Verantwortung in der globalen Gemeinschaft wahrnehmen. Die Basis ist eine gesunde, zukunftgerichtete Wirtschaft, in der Menschen Werte schaffen. Dann werden auch Steuern gezahlt. mit denen der Staat hoheitliche Aufgaben finanzieren kann.
Sie waren als BDI-Chef selbst Mitglied es Runden Tischs. Warum sind die Ergebnisse so mager?
!Wissen Sie, manchmal habe ich den Verdacht, dass es den Politikern in den jeweiligen Regierungen mehr auf ihr Ansehen ankommt als auf unsere Wettbewerbsfähigkeit. Vom runden Tisch ist der Weg zur langen Bank sehr kurz.
Surfen Sie im Internet einmal auf die Regierungsseiten anderer Staaten. Da ist bei Singapur z.B. von der „2001 Productivity Campaign Rally“ die Rede und der stellvertretende Premierminister des asiatischen Stadtstaats, Lee Hsien Loong, benutzt in einer Rede souverän Worte, unter denen sich jeder deutsche Politiker winden würde: „Die Produktivitätszuwächse der Industrie haben uns weltweit wettbewerbsfähig gemacht.“
Die finnische Regierung analysiert angesichts der EU-Erweiterung glasklar, dass die Fähigkeit der Unternehmen, sich einer sich ändernden Umwelt schnell anpassen zu können, über deren Erfolgschancen entscheiden werde.
Schauen Sie sich Irland an, das nach jahrhundertelanger Armut heute die Callcenter-Industrie der Welt beherrscht. Auch die Iren haben eine Art Runden Tisch gebildet. Der heißt aber herausfordernd „National Competitiveness Council„ und unterstützt die Regierung aktiv durch regelmäßige Erfassung der Wettbewerbsdaten.
Wenn wir uns der Wirtschaft zuwenden, so müssen wir doch erkennen, dass sich hier Einiges getan hat. Wir belegen wieder einen Spitzenplatz bei den Patentanmeldungen.
!Das ist schon richtig. Da ist Gott sei Dank nach den bleiernen Kohljahren Schwung in die Sache gekommen. Aber wenn wir Deutschland mit einem Unternehmen vergleichen, dann müssen wir selbstkritisch feststellen, daß die Mehrheit unserer Produkte ausgereift sind und wir in den Branchen, in denen spektakuläre Zuwachsraten erwartet werden, nur selten eine Spitzenposition einnehmen. Ausnahmen wie SAP, der Maschinenbau, Pharma oder die Automobilindustrie bestätigen, Gott sei Dank, die Regel. Aber ist die Automobilindustrie nicht auch eine ausgereifte Industrie? Ich bin mir nicht sicher, ob die neue Designattacke auf Herz und Bauch künftiger Kunden, welche die Autobauer gerade reiten, wirklich eine innovative Lösung für die Transport- und Energieprobleme der Welt im 3. Jahrtausend darstellt.
Ganz offen: Ich sehe, dass viele meiner Kollegen aus der Industrie – und ganz besonders in den großen Konzernen – viel lieber mit ihren eigenen Visionen beschäftigen, als mit denen ihrer Kunden. Denn das ist für mich der einzige Weg zur Kundenzufriedenheit. Wenn ich es als Lieferant geschafft habe, einen Kunden mit meinen Waren und Leistungen so zu beliefern, dass er mit ihnen seine Ideen und Ziele verwirklichen kann.
Allerdings wird die Wirtschaft ja immer noch von Mergers & Aquisitions gebeutelt…
!In der Ausuferung absolut fatal! Stellen Sie sich einmal vor, welche Ressourcen in so einem Übernahmekrieg gebunden sind. Ich bin überhaupt kein Freund von großen Einheiten. Ich persönlich finde auch zentrale Organisationsmodelle nicht gut, weil in ihnen zu viele Führungskräfte zu weit vom Kunden und damit von der Problemlösung entfernt agieren. In dieser Hinsicht machen auch die USA nach den überaus erfolgreichen Jahren bereits wieder Fehler. Die zu beobachtende Zentralisierung der global agierenden amerikanischen Konzerne führt meines Erachtens wieder zur Verschwendung von Energien auf interne Optimierungen statt zur Erfüllung von Kundenwünschen. Autofahrer wollen kein „world car„, das in Detroit konzipiert wurde. Sie wollen eine Identität: einen TT, einen 3er BMW oder einen Jaguar in British racing-green. Selbst globale Marken wie Coca-Cola oder McDonalds sehen sich genötigt, ihre Konzepte an lokale Bedürfnisse anzupassen.
Also zurück zu den kleinen Einheiten nach dem abrupten Ende der schwungvollen Globalisierung?
!Ich will hier keiner Cottage Industry in idyllischen, nationalen Grenzen das Wort reden. Das überlasse ich gern den Grünen. Aber gerade mit unseren modernen Mitteln der Kommunikation ist es durchaus möglich, kleine Einheiten global zu einem großen Ganzen zu vernetzen. Wir müssen allerdings sicherstellen, daß Entscheidungen unten getroffen werden. Da weiß man am besten, wo den Kunden der Schuh drückt. Dezentralisierung ist der erste Schritt zur Kundenzufriedenheit.Großunternehmen können in diesem Punkt von ihren mittelständischen Kollegen in Deutschland durchaus lernen. Outsourcing, Profit Center, Konzentration auf das Kerngeschäft oder Delegation nach unten sind letztendlich Rezepte der KMUs, die auch für Großunternehmen sinnvoll sind. Die in den letzten Jahren wieder zu beobachtenden Zentralisierungstendenzen global agierender Großunternehmen halte ich für eine Fehlentwicklung in einer von Geschwindigkeit definierten Welt.
Sie sind zum Sprecher der Initiative Ludwig-Erhard-Preis e.V. gewählt worden. Welche Ziele verfolgen Sie?
!Der Ludwig-Erhard-Preis spiegelt eine internationale Bewegung wider, die aus dem Qualitätsmanagement entstanden, aber längst über dieses hinaus gewachsen ist. Business Excellence hat nichts mit Zertifikaten und Audits zu tun und es ist nichts, was man als Unternehmensführer delegieren kann. Sie ist vielmehr Ausdruck eines Willens zum permanenten Wettbewerb um Kunden.
Business Excellence als Heilmittel gegen die deutsche Selbstzufriedenheit?
!In gewissem Sinne, ja. Selbstzufriedenheit stellt sich immer dann ein, wenn man besonders erfolgreich ist. Auf Grund meiner persönlichen wie beruflichen Erfahrung bin ich zu dem Schluß gekommen, daß immer dann, wenn ich am meisten gelobt wurde, wenn wir uns für unsere Erfolge auf die Schulter klopften, bereits die Saat für den nächsten Misserfolg gelegt war. Nicht zuletzt deshalb rate ich den Aktionären von Unternehmen, deren Führer gerade zu „Managern des Jahres“ gewählt werden, zum raschen Verkauf ihrer Aktien.
Wir müssen als Gesellschaft und als Individuen unsere Selbstzufriedenheit bekämpfen. Wenn wir uns weiter auf unseren wohlverdienten Lorbeeren ausruhen, dann werden andere, aktiv ihre Wettbewerbsfähigkeit stärkende Menschen und Gesellschaften uns schlicht und einfach überholen. Das aber können wir uns in unserem ureigensten Interesse und aus unserer Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder nicht erlauben.
Herr Henkel, wir danken für dieses Gespräch.
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