Startseite » Allgemein »

Digital oder Original?

Aufbewahrungspflichten kontra Verjährungsfristen
Digital oder Original?

Digital oder Original?
Elektronische Archivierungssysteme eröffnen erhebliche Rationalisierungs- und Kostenreduzierungspotenziale für Unternehmen. Nicht nur schnellere Zugriffszeiten, Such- und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten, sondern auch das vielfach „leidige Thema“ des Lagerplatzes sprechen für elektronische Archivierungssysteme.

Dr. Claudia Kohl, Rechtsanwältin, teras Rechtsanwälte, Saarbrücken

Im Regelfall werden relevante Schriftstücke in Unternehmen bis zu zehn Jahren aufbewahrt. Diese Zehn-Jahres-Frist resultiert aus den Vorschriften des Handelsgesetzbuches, wonach die dort ausdrücklich genannten Unterlagen längstens zehn Jahre aufzubewahren sind. Übersehen wird dabei oftmals, dass bei Schadenersatzansprüchen die Verjährungsfrist bis zu 30 Jahren betragen kann. Insbesondere bei Ansprüchen aus Produkt- und/oder Produzentenhaftung, die in ein Gerichtsverfahren münden, kommt es dann auf die im Unternehmen vorhandene Dokumentation und unter Umständen auch auf das Vorhandensein der Originalunterlagen an.
Prozessrisiken beachten
Steht das Unternehmen vor der Entscheidung, vorhandene Archivierungssysteme dem neusten technischen Stand anzupassen oder erstmalig ein Archivierungssystem einzuführen, sollten deshalb verschiedene Aspekte in das Auswahlverfahren miteinbezogen werden. Neben den handels- und steuerrechtlichen Anforderungen zur Aufbewahrung von Unterlagen sollten auch die bereits angesprochenen Prozessrisiken beachtet werden.
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass gesetzliche Beschränkungen, die ein bestimmtes Aufbewahrungssystem vorschreiben, nicht existieren. Nach Handelsgesetzbuch sind generell jedoch für die Archivierung von Unterlagen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung zu beachten. Darüber hinaus bestimmt das Gesetz aber auch, dass bestimmte Dokumente, wie zum Beispiel Eröffnungsbilanzen, in jedem Fall im Original aufzubewahren sind. Diese Unterlagen sind auch nach elektronischer Archivierung deshalb zusätzlich im Original vorzuhalten. Antworten auf die Frage, welche Unterlagen wie lange aufbewahrt werden müssen, finden sich unter anderem im Handelsgesetzbuch, in der Abgabenordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz. Je nach Dokumentenart kann also relativ sicher bestimmt werden, nach welcher Zeit Unterlagen vernichtet werden können.
Schwierig wird es, Richtlinien für die Aufbewahrungsdauer und Aufbewahrungsweise prozessrechtlich relevanter Unterlagen zu finden. Hierfür muss man auf die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und der Zivilprozessordnung (ZPO) zurückgreifen.
Nach dem BGB sind Dokumente in gesetzlicher und gewillkürter Schriftform zu unterscheiden. Bestimmt das Gesetz, dass Erklärungen der Schriftform bedürfen, ist eine Unterschrift auf dem Dokument erforderlich. Diese kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auch in elektronischer Form unter Einhaltung der Vorschriften des Signaturgesetzes erfolgen. Andere Dokumente, für die die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich ist, besitzen auch in elektronischer Form ohne Unterschrift beziehungsweise als Fax oder Kopie Rechtsgültigkeit.
Reproduktion oder Urkunde?
Aber nicht nur die Rechtsgültigkeit, sondern auch die Beweiswirkung ist von Bedeutung. Generell kann man davon ausgehen, dass elektronisch gespeicherte Unterlagen ebenso wie Kopien oder auf Mikrofichesystem gespeicherte Dokumente im Zivilprozess zwar als Beweismittel, aber nicht als Urkunden, akzeptiert werden. Gescannte Verträge, Bestellungen, FMEA’s etc. sind als „Reproduktion eines Dokumentes“ deshalb lediglich „Objekt des Augenscheins“ und keine Urkunden.
Soweit Dokumente mit einer elektronischen Signatur versehen sind, sind sie als Urkunde entsprechend den Vorschriften der ZPO als Beweismittel zugelassen. Gleiches gilt natürlich auch für Dokumente, die noch im Original vorliegen und die mit einer Unterschrift versehen sind.
Inwieweit sich die Rechtsprechung zukünftig dem enormen technischen Fortschritt anpassen wird, und auch mit einer Unterschrift versehene und danach gescannte Unterlagen als Urkunden anerkennen, ohne dass die Vorlage des Originals verlangt wird, bleibt abzuwarten. Bis dahin ist davon auszugehen, dass einmal archivierte Unterlagen in einem späteren Prozess als Augenscheins-objekt eingeführt werden und damit der „freien Beweiswürdigung“ des Gerichts unterliegen. Danach hat das Gericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist.
Im Ergebnis kann man deshalb nur sagen, dass eine völlige Eliminierung prozessrechtlicher Risiken nur durch die Aufbewahrung aller Unterlagen im Original möglich ist. Mit Blick auf die prozessrechtlichen Risiken genügen jedoch zehn Jahre dann nicht. Eine längere Aufbewahrung ist jedoch in der Unternehmenspraxis zumeist nicht von Interesse. Insoweit ist eine Risikoabwägung vorzunehmen.
Manipulationen ausschließen
Bei Vorgängen mit sehr hohem Streitwert ist die zusätzliche Aufbewahrung des Originals anzuraten. Handelt es sich um Dokumente, die keine Unterschrift tragen, ist eine elektronische Archivierung unbedenklich möglich, da diesen Unterlagen auch im Original keine Urkundsqualität zukommt. Ist die zusätzliche Aufbewahrung der Originaldokumente aus wirtschaftlichen Gründen oder der Zeitdauer längstmöglicher Verjährungsfristen nicht sinnvoll, ist besonderes Augenmerk auf das Archivierungssystem zu legen. Wird ein Verfahren angewendet, das Manipulationen am archivierten Dokument nahezu ausschließt und die Verfahrensweise ausreichend dokumentiert, kann insbesondere der Kostenvorteil eines elektronischen Archivierungssystems das Risiko, in einem Prozess beweisrechtlich zu unterliegen, überwiegen.
QE 503
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING 1
Ausgabe
1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de