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Dummies sind hart im nehmen

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Dummies sind hart im nehmen

Dummies sind hart im nehmen
Dipl.-Ing. Bodo Steich, HuDe Datenmeßtechnik, Erkelenz
Qualitätssicherung von Komponenten der passiven Fahrzeugsicherheit wird fast ausschließlich mit zerstörenden Prüfungen durchgeführt werden. Unter realitätsnahen Bedingungen werden Lenkräder, Instrumententafeln, Kopfstützen, Gurtsysteme etc. belastet und bewertet.

Dipl.-Ing. Bodo Streich, HuDe Datenmeßtechnik Erkelenz

Die Einhaltung internationaler Sicherheitsstandards, wie z.B. der europäischen Richtlinie ECE-R12 ist Grundlage für die Freigabe von Fahrzeugkomponenten. In der Qualitätsüberwachung der laufenden Fertigung und im Entwicklungsbereich werden entsprechend ECE-konforme Prüfverfahren eingesetzt.
Dieser Beitrag beschreibt eine ECE-konforme Prüfvorrichtung für den sogenannten „Body-Block-Test“, der zur Bewertung verschiedenster Komponenten z.B. des Fahrzeuginnenraums herangezogen wird.
Prüfverfahren
Ein Kernthema im Bereich der Fahrzeuginsassensicherheit ist die Belastung des menschlichen Körpers bei einem Unfall. Zur Simulation dieses Zustandes werden dem menschlichen Körper nachgebildete Torsos, sogenannte Dummies, als Versuchskörper verwendet. Mit verschiedenen Dummy-Geschwindigkeiten und -Gewichten werden Untersuchungen durchgeführt, die das Aufprallverhalten bei Unfällen nachstellen. In der Fertigung erfolgt durch Stichproben eine Qualitätsüberwachung, im Entwicklungsbereich wird das physikalisch Machbare ausgelotet.
Das Mittel zum Zweck: Der Body-Block-Prüfstand
Kurzcharakteristik:V Prüfsystem zur dreidimensionalen Erfassung von Kräften, Geschwindigkeit und Beschleunigungen beim Dummy-Aufprall
– Nutzung eines pneumatischen Katapults zur Beschleunigung des Dummy’s
V Prüfverfahren gemäß den Vorschriften der ECE-R12
V einstellbare Geschwindigkeit durch Vorgabe des Antriebsdruckes über Prüfstands-Steuerechner
V Messung, Berechnung, Darstellung, Protokollierung und Dokumentation von:
– Aufschlagkraft in X-, Y-, und Z-Richtung und der resultierenden horizontalen Kraft
– Dummy-Aufschlaggeschwindigkeit
– optional: durch den Airbag-Aufblasvorgang in der Lenkradnabe erzeugte Zug- und Druckkräfte
– mehrstufige Airbagzündung mit einstellbaren Verzögerungszeiten und Überwachung der Zündimpulse
– digitale Filterung der Meßsignale
– Steuerung von bis zu vier Hochgeschwindigkeitskameras
– Komplettsystem einschl. Mechanik, Installation und Inbetriebnahme
Der Body-Block-Test dient dem Automobilproduzenten und dessen Zulieferern als Nachweis, daß Teile des Fahrzeuginnenraums z. B. Lenkräder oder Instrumententafeln die entsprechenden Vorschriften der ECE-R12 erfüllen.
Hierbei wird ein 34-36 Kilogramm schwerer Dummy, dessen Beschaffenheit in der ECE-R-12 definiert ist, mit einer Geschwindigkeit von mindestens 24,1 km/h im Freiflug gegen einen starr montierten Prüfling gestoßen. Die Grundausführung der vorgestellten Vorrichtung ist für die Prüfung von Lenkrädern und Instrumententafeln mit und ohne Airbag-Zündung ausgestattet.
Optional lassen sich Karosserieteile, Verkleidungen u.v.m. mit dieser Anlage prüfen.
Pneumatischer Antrieb – eine preiswerte Lösung
Die Ausführung der Prüfanlage als pneumatisch angetriebenes Katapultsystem stellt eine preiswerte Lösung dar, mit der alle Anforderungen der ECE-R 12 für Komponentenprüfungen am Fahrzeuginnenraum erfüllt bzw. deutlich übertroffen werden.
Als Randbedingungen sind beispielsweise einzuhalten:
V frei fliegender Prüfkörper (Dummy)
V Aufbau des Prüfkörpers entsprechenchend ECE-R12 Anhang4
V Prüfkörpergewicht 34 bis 36 kg
V Aufprallgeschwindigkeit 24,1 (+1,2) km/h
V Kanalamplitudenklasse 1960 daN (2000 kg)
Um größere Stoßmassen zu beschleunigen und höhere Aufprallgeschwindigkeiten zu realisieren, ist das Antriebssystem des Body-Block-Prüfstands modular gestaltet und somit einfach an verschiedenste Anforderungen anzupassen. Je nach notwendiger Beschleunigungsenergie der Body-Block-Prüfanlage können Hochdruck-Pneumatiksysteme zum Einsatz kommen, oder es genügt wie im Falle der ECE-R12 konformen Prüfung, ein übliches Druckluftversorgungsnetz mit ca. 6 bar Überdruck als Energiequelle des Antriebs zu verwenden.
Beim Aufprall trifft der Dummy auf den Prüfling, z.B. eine Lenkanlage, die an einer starren Stahlkonstruktion montiert ist. Die Aufnahme des Prüfteils am Auffangblock ist horizontal, vertikal und im Winkel verstellbar. Durch diese Verstellmöglichkeiten wird ein den realen Bedingungen im Fahrzeug entsprechendes Aufprallverhalten gewährleistet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die korrekte Einstellung des Hüftpunktes, eines virtuellen Punktes am Dummy, der das Prüfteil an vordefinierter Stelle treffen muß. Mit der Winkeleinstellung in zwei Ebenen wird die Einbaulage des Testobjekts im Fahrzeuginnenraum nachgebildet.
Der Prüfstand ist so konstruiert, daß der Dummy mittels einer Aufnahme freihängend an der Kolbenstange des Katapults adaptiert ist. In einem Pneumatikzylinder wird der den Kolben antreibende Druck in Abhängigkreit der erforderlichen Versuchsgeschwindigkeit durch den steuernden Rechner eingestellt. Als maximale Aufprallgeschwindigkeit lassen sich bei Betrieb des Prüfstands an einem üblichen Druckluftversorgungsnetz über 30 km/h einstellen. Eine Umzäunung verhindert das Betreten der Anlage während des Versuches. Die gesamte Prüfstandssteuerung, Meßwerterfassung, Auswertung und Überwachung wird über ein Steuerprogramm unter Windows( 32-bit Betriebssystemen realisiert. Alle sicherheitsrelevanten Aktivitäten werden durch entsprechende Hardware-Baugruppen überwacht.
Das Ziel – zuverlässige Meßdaten
Die Aufprallgeschwindigkeit des Dummy auf die Lenkanlage wird mittels zwei, in definiertem Abstand voneinander montierten, Lichtschranken erfaßt. Eine dritte Lichtschranke übernimmt die Erzeugung eines systemweiten Triggersignals und kann optional einen oder mehrere Airbags zünden.
Wesentlicher Punkt der Body-Block-Tests ist die Bestimmung der Kraft, die horizontal auf die zu prüfende Einrichtung wirkt. Dazu wird ein 3-Komponenten-Kraftsensor in der Prüflingsaufnahme verwendet, der unter der Voraussetzung einer sehr steifen Auffangmechanik die auftretenden Kräfte in X-, Y- und Z-Richtung genau mißt.
Zur Überprüfung der Einhaltung der ECE-Sicherheitsnormen wird die resultierende Horizontalkraft unter Berücksichtigung der Einbaulage berechnet und als Bewertungskriterium ausgewiesen. Die maximale Horizontalkraft an Lenkanlagen darf z.B. den Wert von 11,11 kN nicht überschreiten, um die ECE-Richtlinie R12 einzuhalten. Die komplette Meßdatenerfassung der Kräfte wird durch einen im Body-Block-Prüfstand integrierten mehrkanaligen Transientenrecorder realisiert.
Durch die Modulbauweise der Meßdatenerfassungsanlage können neben der Kraftmessung weitere schnelle Meßkanäle verwendet werden. So ist es beispielsweise im Entwicklungsbereich der Automobilzulieferer möglich, transiente Weg- und Beschleunigungsmessungen mit dem Prüfstand durchzuführen.
Auf Wunsch kann bei einer Airbag-Zündung der Aufblasdruck des Airbags mittels eines in der Lenkanlage eingebauten Drucksensors gemessen werden. Weiterhin werden die generierten Zündimpulse während der Ausgabe elektronisch geregelt und meßtechnisch zu Dokumentationszwecken erfaßt.
Als integrierte Meßkanäle für die Body-Block-Prüfung stehen zur Verfügung:
V Kraft in X-, Y-, Z-Richtung
V Innendruck des Luftsacks bei Airbag-Systemen
V Strom- und Spannungsüberwachung der generierten Zündsignale
V Beschleunigung des Dummy’s (optional)
V Wegmessung (optional)
Wirksame Dämpfer – Airbags
Eine wichtiger Faktor der Insassensicherheit sind heutzutage Airbags, fast in alle modernen Pkw sind mehrere davon enthalten. Ausgelöst werden Airbags und auch pyrotechnische Gurtstaffer über elektrische Impulse, die eine Steuerelektronik in verschiedenster Form bereitstellt. Im Body-Block-Prüfstand erfolgt die Zündimpuls-Generierung mehrkanalig über ein integriertes programmierbares Zündgerät. Für Mehrfachzündungen von Airbag- oder pyrotechnischen Gurtstraffersystemen stehen in der Grundausführung der Body-Block-Prüfanlage mindestens zwei Zündkanäle zur Verfügung. Bei Bedarf läßt sich die Zahl der Zündkanäle z.B. auf 8 oder 16 erhöhen.
Das richtige Timing mit High-Speed-Video
Als globaler Zeitbezug für alle meßtechnischen Vorgänge wird ein systemweiter Master-Triggerimpuls erzeugt. Dieser Impuls startet über frei programmierbare Verzögerungseinheiten im Mikrosekundenraster die einzelnen auszulösenden Einheiten bei einem Body-Block-Test. Auf diese Weise werden z.B. die Zündverzugszeiten zwischen den einzelnen Airbags und Gurtstraffern verwirklicht, die den realen Verhältnissen im Fahrzeug entsprechen.
Zur Überwachung und Optimierung der Dummy-Bewegung und zur Bestimmung der Aufreiß- und Aufblaszeit der Airbags werden High-Speed-Video-Kameras eingesetzt, die bis zu 4500 Vollbilder pro Sekunde aufzeichnen.
Die digital aufgenommenen Bildinformationen können über einen Videobildschirm visualisiert und auf einen Videorecorder oder CD-ROM überspielt werden.
Die von der Kamera als Zeitbezug benötigte Null-Marke wird üblicherweise mit der Zündung des ersten Airbag-Moduls vom Prüfstand generiert.
Für Filmaufnahmen wird ein spezielles Blitzgerät durch den Master-Trigger angesteuert, um Zeitmarken zu visualisieren.
Steuer- und Auswerte-software
Die für Body-Block-Tests erstellte Anwendersoftware BBTSControl realisiert alle notwendigen Einstellungen, Dialoge und Berechnungen während der Versuchsvorbereitung, -durchführung und -auswertung. Sie ermöglicht dem Bediener über eine menügeführte Nutzeroberfläche die Eingabe von versuchsbegleitenden Kenndaten. Alle Eingaben werden in einer Datenbank prüflingsbezogen gespeichert.
Die Datenübergabe zwischen der Steuer- und Auswertesoftware BBSTControl und anderen Windows(-Anwendungen ist realisiert, Versuchsdaten werden z.B. zur Weiterverarbeitung in Tabellenkalkulationsprogrammen im entsprechenden Format exportiert.
Die Ausgabe der Meßkurven und numerischen Versuchsdaten erfolgt sowohl auf dem Bildschirm als auch auf dem im Prüfstand integrierten Farbdrucker. Mit Zoom- und Cursorfunktionen wird die Auswertung der Meßdaten im Dialog unterstützt.
Resümee
Die vorgestellte Prüfanlage für den Body-Block-Test laut Richtlinie ECE-R12 ist in einem weiten Spektrum von Aufprallversuchen im Automobilsicherheitsbereich einsetzbar. Das Beispiel der Prüfung von Lenkanlagen mit Airbagzündung ist nur ein kleiner Teil der heutzutage durchgeführten Untersuchungen zur Fahrzeuginsassensicherheit. Durch den modularen Aufbau läßt sich die dargestellte Prüfanlage an die steigender Komplexität der Sicherheitssysteme im Fahrzeug anpassen.
Literatur:
[1] Advanced Air Bag Technology Assessment, Final Report April 1998, R.L.Phen u.a., Jet Propulsion Laboratory Pasadena CA, im Auftrag von NHTSA und NASA
[2] Kraftfahrttechnisches Taschenbuch, Bosch, VDI-Verlag 21.Aufl.
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