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Durchblick bei Linsen

Ein kurzer Versuch über das Scharfstellen
Durchblick bei Linsen

Optik – kein Problem – ist ja einfaches Schulwissen. Aber Hand auf’s Herz – gelingt Ihnen die Berechung der Brennweite eines Objektivs für diese oder jene optische Messaufgabe? Wenn Ja sind Sie eine große Ausnahme und sollten nicht weiter lesen. Allen anderen bietet sich hier die zweite Chance.

Henning BässmannThe Imaging Source Europe GmbH,Bremen

Also nochmal von vorne: „Glasscherbe verursachte Waldbrand“ – diese oder ähnliche Meldungen sind im Sommer nicht ungewöhnlich. Wie konnte das passieren? Von nahem betrachtet verlassen die Lichtstrahlen die Sonne kreuz und quer. Auf eine große Entfernung ist die Sonne aber nur noch ein kleiner Punkt der parallele Lichtstrahlen aussendet (Abb. 1a). Gehen diese parallelen Lichtstrahlen durch eine Linse (oder durch irgend ein linsenähnliches Glasstück), treffen sie sich hinter der Linse im Brennpunkt (im Zusammenhang mit Waldbränden ist der Name hier Programm). Was aber passiert, wenn der Lichtpunkt so nahe an der Linse ist, dass man nicht mehr von parallelen Lichtstrahlen ausgehen kann? Sie treffen sich hinter dem Brennpunkt (Abb. 1b). Schaut man sich die Abbildung des Punktes auf der Höhe des Brennpunktes an (oder kurz gesagt: liegt die Abbildungsebene im Brennpunkt), sieht man einen matten, unscharfen Fleck. Und damit sind wir bei der Frage des „Scharfstellens“. Dazu vergrössert man den Abstand zwischen Abbildungsebene und Linse solange, bis die Abbildungsebene und der Treffpunkt der Lichtstrahlen übereinander liegen (Abb. 1c). Für einzelne Lichtpunkte stellt sich das alles also recht einfach dar. Was geht aber bei der Abbildung irgendwelcher Schrauben, Platinen oder Stahlplatten vor sich?
Vom Lichtpunkt zum Bild
Ein Lichtpunkt muss nicht notwendigerweise direkt einer Sonne, Kerze oder Lampe entspringen. Die meisten uns umgebenden Objekte reflektieren Licht auf die eine oder andere Weise. Also können wir uns die Oberflächen dieser Objekte als ein Ensemble aus unendlich vielen Lichtpunkten vorstellen. Verfolgen wir auf diese Weise z.B. den End- und Anfangspunkt des Pfeils in Abb. 1d, bilden die ebenfalls wieder End- und Anfangspunkt des abgebildeten Pfeils (allerdings auf dem Kopf stehend). Sämtliche übrigen möglichen Lichtpunkte an der Oberfläche des Pfeils werden auf dieselbe Weise behandelt und so ensteht ein komplettes Abbild des Pfeils auf der Abbildungsebene.
Von der Linse zum Objektiv
Kokeln gehört sicher zu den weniger erwünschten Anwendungen von Linsen. In der optischen Messtechnik ist das Ziel die Abbildung eines Gegenstandes auf einen Bildsensor (wie z.B. ein CCD-Chip). Das so entstandene Bild (Abb. 1d) ist die Basis für verschiedenste Messungen – wie z.B. der Grösse, Lage oder Oberflächenbeschaffenheit. Man verwendet hier allerdings nicht mehr einzelne Linsen, sondern fasst solche zu Objektiven zusammen. Real exis-tierende Objektive sind hinsichtlich ihrer Abbildungsqualität wesentlich besser, als real existierende Linsen. In unserem Arbeitsalltag können wir es uns glücklicherweise einfach machen und ein Objektiv als ideale Linse betrachten. Aber welches Objektiv ist nun das richtige? Dessen grundlegenste Eigenschaft ist das Verhältnis der Grösse des Bildes zur Größe des Gegenstands:
Abbildungsmaßstab = Bildgröße 4 Gegenstandsgröße
Bilden wir also z.B. eine Schraube mit einer Länge von 5cm auf 5mm ab ist der Abbildungsmaßstab 0,1. Ist das Objekt mit z.B. 0,5mm sehr klein und soll auf 5mm vergrössert abgebildet werden ist der Abbildungsmaßstab 10.
Nun ist der Abbildungsmaßstab zusätzlich abhängig vom Arbeitsabstand (Abb. 1d). Je weiter der Gegenstand entfernt ist, desto kleiner ist sein Abbild. Die Angabe des Abbildungsmaßstabs macht also nur dann Sinn, wenn wir gleichzeitig den Arbeitsabstand wissen. Das ist Ihnen zu umständlich? Klar – also brauchen wir einen Parameter, der Objektive direkter beschreibt. Die Lösung kennen wir aus dem Alltag. Es ist die Brennweite:
Brennweite = Arbeitsabstand * Bildgröße 4Gegenstandsgröße + Bildgröße
Urlaub und optische Messtechnik haben etwas gemeinsam?
Ehrlich gesagt wenig. Aber das Schießen von Urlaubsfotos und die optische Versmessung einer Stahlbramme beruhen auf den selben optischen Gesetzen. Nehmen wir an, der Bildsensor hat die Abmessungen eines Kleinbildfilms mit 24 mm Höhe und 36 mm Breite. Hierauf wollen wir unseren Strand auf eine Breite von 1000 m in einem Abstand von 500 m bannen.
Die Brennweite ist dann:
(500.000 mm * 36 mm) 4 (1.000.000 mm + 36 mm) = 18 mm
Tauschen wir den Kleinbildfilm gegen ein typisches CCD-Chip mit einer Abmessung von 4,8 * 6,4 mm bekommen wir eine deutlich niedrigere Brennweite von 3,2 mm.
Kein Strand ohne Bay Watch-Typ. Soll sein Bild bei einer Entfernung von 500 m und einer Größe von 2 m einen Kleinbildfilm füllen, bekommen wir eine Brennweite von 5,929 mm.
Solche Brennweiten gehören nicht gerade zu einer Foto-Grundausrüstung. Wir müssen wohl oder übel näher an den Typen ran. Bei einem Abstand von 10 m bekommen wir ihn mit einer Brennweite von knapp 120 mm formatfüllend auf den Kleinbildfilm.
Für Freunde kleinerer Lebewesen führt oftmals weniger ein zu grosser Abstand als vielmehr ein zu kleiner Abstand zu Kopfzerbrechen.
Nähern wir uns einem Insekt mit einer Höhe von 10 mm auf 30 cm bekommen wir es mit einer Brennweite von 212 mm auf einen Kleinbildfilm.
Aber haben Sie schon einmal versucht ein „normales“ 200er Objektiv bei einem Abstand von 30 cm scharf zu stellen?.
Vergessen Sie’s.
Die Mystik der Zwischenringe
Manchen technischen Dingen wird wesentlich zuviel zugetraut. Dazu gehören insbesondere auch Zwischenringe. Sie werden zwischen Objektiv und Kamera geschraubt, um den Kameraauszug, also den Abstand zwischen Abbildungsebene und Linse zu erhöhen (Abb. 1d). Wozu ist das gut? Je näher ein Lichtpunkt der Linse ist, desto weiter hinter dem Brennpunkt treffen sich die Strahlen und um so größer muss zum scharf stellen der Kameraauszug sein (Abb. 1b und 1d). Real existierende Objektive realisieren den Kameraauszug durch einen sog. Schneckenzug, der Ihnen das Verschieben der Linsen im Objektivgehäuse und damit das scharf stellen erlaubt. Der maximal mögliche Kameraauszug bestimmt also den kleinst möglichen Arbeitsabstand (auch MOD = Objektdistanz). Möchte man dem Objekt der Begierde näher kommen erhöht man den Kameraauszug einfach durch Zwischenringe. Diesen eigentlich simplen Effekt umranken verschiedenste Mysterien wie z.B. eine angebliche Erhöhung oder, je nach Glaubensrichtung auch Verkleinerung der Schärfentiefe. Es ist alles Unfug! Stürzen wir uns lieber auf weitere in der Praxis relevante Detail-Teufel wie z.B. der Frage:
Warum C-Mount Objektive?
In grauer Vorzeit wurden Filme mit Röhrenkameras aufgenommen. Die Außendurchmesser dieser Röhren waren 1/2″, 2/3″ und 1″, die lichtempfindlichen Rechtecke auf der Stirnseite dieser Röhren entsprechend kleiner. Abb. 2 zeigt deren Abmessungen. Sie sind auch die Basis für die heute dominierenden CCD-Bildsensoren. Diese tendieren allerdings zu immer kleineren Formaten wie 1/3″ und 1/4″. Den Objektiv-Anschluss der Röhrenkameras nannte man C-Mount (C wie Cinema). Es handelt sich dabei um ein 1″ Grobgewinde und bietet daher eine einfache, kompakte und robuste Basis für Wechselobjektive. Die CS-Mount Variante unterscheidet sich hiervon nur im Auflagemass (Abb. 3). Die unterschiedlichen Abmessungen der Bildröhren bzw. CCDs spiegeln sich in den verschiedenen Objektiv-Formaten der Objektive wider. Leider. Denn das führt zu dem Glauben, ein 1/3″ Sensor bedürfe auch eines 1/3″ Objektivs.
Alles dreht sich um den Bildkreis
Weiße Wände sind zwar etwas langweilig, eignen sich aber hin und wieder für kleine Gedankenexperimente. Stellen Sie sich vor, Sie richten ein Objektiv auf eine solche Wand. Was wird das Bild sein? Ein ebenso langweiliger runder heller Fleck. Man kann nun Objektive so bauen, dass bei gleicher Brennweite dieser Fleck (Fachleute nennen ihn Bildkreis) größer oder kleiner ist. Im Fall eines 1/3″ Objektivs ist dessen Bildkreis etwas größer als die Diagonale eines 1/3″ Sensors. Unser heller Fleck deckt also den Sensor vollständig ab. Ein 1/2″ Sensor läge allerdings an seinen Ecken im Dunkeln. Fazit: Das Format des Objektivs muss größer oder gleich dem des Sensors sein. Nun sind auch leider Objektive nicht perfekt. Ihre Fehler zeigen sie hauptsächlich an ihren Rändern. Daher ist es empfehlenswert, das Objektiv-Format so groß wie möglich zu wählen. Die zweite mögliche Maßnahme ist genauso simpel. Wenn man das Licht gar nicht erst durch die äußeren Bereiche der Linsen hindurchlässt, entstehen dort auch keine Fehler. Unser Werkzeug dazu ist die Blende.
Ein tiefenscharfer Blick
Blenden bewirken nicht nur eine Verringerung der Objektivfehler, sondern beeinflussen auch die Tiefenschärfe. Aber was ist eigentlich „scharf“? Die Antwort ist unscharf: In Abb. 4 erzeugen zwei Lichtpunkte A und B zwei Bilder A‘ und B‘. Der Kamerauszug (Abb. 1d) ist so eingestellt, dass Bild A‘ exakt auf den Sensor fällt. Das ist scharf! Punkt B ist näher an der Linse, also liegt Bild B‘ hinter A‘. Das Bild von B auf dem Sensor ist damit ein unscharfer Fleck. Die Fachleute sprechen vom Unschärfe-Kreis.
Messerscharf geschlossen hieße das aber, dass nur ein Punkt wirklich scharf und alle davor und dahinter liegenden Punkte unscharf abgebildet werden. Dann kann es doch gar keine Tiefenschärfe geben!? Stimmt.
Aber ein Blick auf CCD-Chips zeigt, dass deren Pixel nicht unendlich klein sind. Die Pixel der in der Messtechnik weit verbreiteten 1/2″ Sensoren sind gut 8 * 8 µm groß. Daher bezieht sich die Angabe der Schärfentiefe von C-Mount Objektiven häufig auf einen Unschärfekreis-Durchmesser von 10 µm. Unschärfekreis-Durchmesser von 50 µm sind aber durchaus erlaubt.
In der Praxis ist es nur selten notwendig die Schärfentiefe exakt zu berechnen. Allerdings ist – wie die Zwischenringe – auch das Thema Schärfentiefe eher mit Glauben, als mit Wissen belegt. Die Schärfentiefe ist abhängig von 3 Parametern:
Unschärfekreis: Je kleiner der erlaubte Unschärfekreis ist, desto kleiner ist die Schärfentiefe.
Blende: Je kleiner die Blendenzahl (also je „offener“ die Blende) ist, desto kleiner ist die Schärfentiefe.
Brennweite: Je grösser (!) die Brennweite ist, desto kleiner ist die Schärfentiefe. Der Zusammenhang ist quadratisch. Also bedeutet schon eine kleine Erhöhung der Brennweite eine deutliche Abnahme der Schärfentiefe.
Wie schon gesagt – es gibt verschiedenste Glaubenssätze zum Thema Schärfentiefe. Besonders beliebt ist die Annahme, Spezialformen von Objektiven (wie z.B. die sog. Telezentrischen Objektive) hätten eine „bessere Schärfentiefe“. Nichts davon stimmt!
Es gäbe noch viel zu erzählen
Z.B. über Bildwinkel, Nahlinsen, Makroobjektive, telezentrische Objektive und vor allen Dingen über die erstaunliche Tatsache, dass leicht unscharfe Bilder zu exakteren Messergebnissen führen! Aber wozu im Zeitalter des Internet soviel Papier verwenden. Schauen Sie einfach einmal unter
oder suchen Sie den Kontakt über die Kennziffer.
Weitere Informationen A QE 403
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