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Durchblick

Transparenz im Karosseriebau mit Inline-Messtechnik
Durchblick

In den letzten Jahren hat sich die Inline-Messtechnik im Karosseriebau der Automobilindustrie etabliert. Das ganze Potential dieser Technologie erschließt sich aber erst dann, wenn die anfallenden großen Datenmengen zeitnah für angeschlossene Qualitätsregelkreise ausgewertet werden können. Im Werk Rastatt der DaimlerChrysler AG wird dies inzwischen für mehrere Fertigungslinien durch Q-VIS, einer Lösung des Mainzer Spezialisten für Inline-Messtechnik Metronom Automation GmbH, realisiert.

Dr. Michael Speckmann, Geschäftsführer der Physolution – Technische Unternehmensberatung und Projektmanagement GmbH

Im Karosserierohbau des Werkes Rastatt der DaimlerChrysler AG werden Inline-Messzellen in den Fertigungslinien verwendet. Je nach Zugänglichkeit der Messstellen, Anforderungsprofil und Wirtschaftlichkeit werden entweder kostengünstige Laserpunktsensoren oder Laserlichtschnittsensoren für die Messaufgaben eingesetzt. Während die meisten Laserpunktsensoren ortsfest montiert sind, befinden sich die Laserlichtschnittsensoren in der Regel auf Standard-Industrierobotern, welche die einzelnen Messpunkte anfahren (hybride Messzelle). Eine solche Lösung bietet den Vorteil, dass gegenüber vergleichbaren Installationen deutlich mehr Messpunkte zur Qualitätsprüfung genutzt werden und verschiedene Karosserietypen in den gleichen Stationen gemessen werden können. Die Industrieroboter wurden für ihre Messaufgaben mit einer Temperaturkompensation ausgestattet, um die notwendige Genauigkeit der Messungen auch im Dauereinsatz zu garantieren. Im Werk Rastatt arbeiten derzeit 17 Stationen mit 26 Robotern in den Fertigungslinien für die A- und die B-Klasse nach diesem Prinzip.
Mit einem im Werk Rastatt neu entwickelten und patentierten Einmessverfahren sind die Messpositionen der Roboter bzw. der Sensoren in kürzester Zeit mit einem Lasertracker einmessbar. Infolgedessen werden keine Masterkarossen mehr benötigt und man erhält absolutgenaue Ergebnisse im Fahrzeugkoordinatensystem. Auf dieser Grundlage ist es möglich, die Messergebnisse der Laserschnittsensoren durch einen Best-Fit-Algorithmus mit dem CAD-Modell der Karosse zu vergleichen und die so ermittelten Abweichungen direkt für Optimierungsmaßnahmen in den Schweißanlagen zu nutzen. Dieses so genannte „Messen gegen CAD“ wurde in Rastatt bereits vor einigen Jahren eingeführt und ist inzwischen etabliert. Der Nachweis der Prüfprozesseignung des Systems gemäß VDA 5 wurde in Zusammenarbeit mit der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig (PTB) ebenfalls erbracht (siehe separater Kasten).
Für jede Messzelle werden die Messergebnisse der unterschiedlichen Sensorsysteme über eine standardisierte XML-Schnittstelle an einen Messzellenrechner der Firma Metronom Automation GmbH vor Ort übertragen. Das System ist skalierbar und so auf beliebig viele Sensorsysteme erweiterbar. Alle Messzellenrechner senden ihre Daten an einen zentralen Server, auf dem die Daten zur Visualisierung, Auswertung und Analyse zur Verfügung stehen.
Überwachung, Analyse und Visualisierung
Derzeit werden mit der Inline-Messtechnik allein in Rastatt ca. 1,2 Millionen Messergebnisse am Tag ermittelt. Um diese Datenmengen effizient und nutzbringend der Qualitätssteuerung zur Verfügung zu stellen, wurden intensive Vorarbeiten vor der Systemeinführung erbracht. Bereits in einer frühen Projektphase wurde untersucht, wie die Messergebnisse optimal visualisiert werden können, um geeignete Entscheidungsgrundlagen für die Qualitätssteuerung zu erhalten.
Um den Datenfluss bestmöglich in den Griff zu bekommen und Synergien mit der Messzellen-Infrastruktur zu nutzen, wurde daher mit dem Mainzer Spezialisten für fertigungsintegrierte Mess- und Auswertesysteme Metronom Automation GmbH die Visualisierungs- und Analysesoftware Q-VIS entwickelt. Unter Einbeziehung der Endanwender bereits in der Prototyp-Phase der Softwareentwicklung entstand eine intuitiv bedienbare Programmoberfläche mit einer hohen Anwender-Akzeptanz. Eines der wesentlichen Ziele war, ein höchst performantes System zu erhalten, welches auf beliebig vielen Bürorechnern zum Einsatz kommen kann. Die Software musste außerdem den Ansprüchen verschiedener Anwendergruppen gerecht werden können.
Das Ergebnis Q-VIS ist ein datenbankbasiertes Client-Server Analyse- und Auswertesystem, welches Client-seitig verschiedene Bausteine umfasst, die auf jedem Bürorechner unter Windows 2000 oder XP installiert werden können. Die wesentlichen Module sind ein Leitstand-, ein Analyse-, ein Visualisierungs- und ein Berichtsmodul.
Das Modul Q-VIS.Leitstand bietet eine Onlinedarstellung aller Messstationen und stellt somit den aktuellen Qualitätsstand der gesamten Fabrik nahezu in Echtzeit (mit weniger als zwei Sekunden Verzögerung) bereit. Der aktuelle Status der Messpunkte ist nach dem Ampelprinzip (grün, gelb oder rot) dargestellt. Durch Klick auf einen Problem-Messpunkt (rot oder gelb) wird die entsprechende Regelkarte geöffnet und der Status bzw. das Problem im Detail dargestellt. Über diese sehr transparente Benutzerführung gelangt der Anwender mit nur drei Mausklicks vom visualisierten Gesamtstatus der Fertigungslinie zu den analysierten Messergebnissen eines einzelnen Sensors an einer bestimmten Karosse. Der Nutzer kann darüber hinaus verschiedene Auswertungen zum aktuellen Qualitätsstand (beispielsweise eine Q-Stopp-Statistik) durchführen, um so maßliche oder systemtechnische Hauptprobleme auszuwerten.
Mit dem Modul Q-VIS.Analyse können sämtliche zur Prozessoptimierung notwendigen Analysen durchgeführt werden. Es sind Messzonenanalysen (Vergleich aller Messpunkte einer Messzone), Globalanalysen (Vergleich von Messpunkten verschiedener Messstationen) und Korrelationsanalysen möglich. Mit der Korrelationsanalyse ist ein automatisierter Vergleich zwischen den Inline-Messungen und offline mit Koordinatenmessgeräten ermittelten Werten durchführbar. Die Ergebnisse fließen unmittelbar in die Nachweise der Prüfprozesseignung gemäß VDA 5 ein und können für halbautomatisch generierten Reporte zur Prüfprozesseignung genutzt werden (siehe auch Kasten „Prüfprozesseignung…“). Somit kann die höchst zuverlässige Inline-Messtechnik gezielt zur Prozessüberwachung und die Koordinatenmessgeräte der Offline-Messtechnik als neutrales Auditinstrument und für Problemmessungen eingesetzt werden.
Über das Modul Q-VIS.Management können zusammenfassende Berichte und Statistiken beispielsweise zum Prozessfähigkeitsindex (CpK) oder zu Q-Stopps generiert werden. Weitere zusammenfassende Berichte sind möglich.
Schließlich können über das Modul Q-VIS.Visualizer alle Messabweichungen an einer Karosserie über eine Vektordarstellung räumlich im Vergleich zum CAD-Modell visualisiert werden. Somit sind räumliche und auch zeitliche Korrelationen zwischen den Abweichungen an verschiedenen Messpunkten direkt zu erkennen und durch geeignete Maßnahmen korrigierbar. Weiterhin kann die räumliche Lage jeder Messpunktlinie gegen einen entsprechenden Ausschnitt des CAD-Modells gestellt werden, um Abweichungen zu erkennen und eine schnelle Problemanalyse und Optimierung durchzuführen.
Das Q-VIS-System ist auf Wunsch komplett vom Hersteller Metronom Automation fernwartbar und besitzt außerdem eine Schnittstelle zur Prozessanalyse-Software der Firma Q-DAS. Somit können direkt aus Q-VIS Datenauswertungen angesteuert werden, welche mit dem Q-DAS Programm qs-Stat erstellt wurden.
Durch das Zusammenspiel der prüfprozessgeeigneten Inline-Messtechnik und der Visualisierung und Auswertung über Q-VIS ist es in Rastatt gewährleistet, die sogenannte Q-Stopp-Philosophie zu leben: Sobald bei einer Messung ein Messergebnis außerhalb der Toleranz ist, bleibt die Anlage stehen, damit nur fehlerfreie Qualität an nachfolgende Bereiche abgegeben wird. Durch den hier beschriebenen Qualitätsprozess wurde ein Regelkreis mit kleinstmöglicher Reaktionszeit implementiert.
Fazit
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Inline-Messtechnik vor allem zusammen mit einem leistungsfähigen Software-Paket wie Q-VIS hervorragend geeignet ist, schnell reagierende und gut dokumentierte Qualitätsregelprozesse aufzusetzen. Mit Q-VIS wird die Produktqualität dokumentiert und Nutzen der Inline-Messtechnik um ein Vielfaches gesteigert, so dass sich diese Prozesstechnologie durch die Verbesserung der Qualität sehr schnell amortisiert. Durch die sehr erfolgreiche Einführung der dargestellten Technologie in der Karosseriefertigung im Werk Rastatt der DaimlerChrysler AG wurde ein best practice-Prozess als Basis für weitere Implementierungen aufgebaut.
Metronom-Automation, Mainz
QE 510

Prüfprozesseignung von Inline-Messtechnik nach VDA 5
Wenn auf Basis der Inline-Messtechnik-Ergebnisse Stellmaßnahmen durchgeführt werden, die die Geometrie der Karosserie verändern, ist der Nachweis der Prüfprozesseignung zu erbringen. Hierzu gab es bisher keine praxistaugliche Methodik. Auf Basis der VDA 5 wurde in einem Projekt mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig (PTB) und Automobil- und Sensorherstellern ein Richtlinienentwurf für die Rückführbarkeit der Inline-Messtechnik erstellt. Damit ist man nun in der Lage, auch für die Inline-Messtechnik Messunsicherheiten ganzheitlich zu bewerten und die Prüfprozesseignung nachzuweisen.
Erstmalig in der Automobilindustrie wurde Ende 2004 in Rastatt für die eingesetzten Inline-Messsysteme mit dem Richtlinienentwurf der Nachweis der Prüfmittelverwendbarkeit anhand eines eigens erstellten Prüfkörpers erbracht. Anfang 2005 wurde mit dem Nachweis der Prüfprozesseignung auch der zweite Schritt erfolgreich umgesetzt und damit die Anwendbarkeit des Richtlinienentwurfs für die Inline-Messtechnik nachgewiesen. Aktuell wird die Integration des Richtlinienentwurfs in die VDA 5 vorbereitet. Das im Artikel dargestellte Analyseprogramm Q-VIS ist bereits vollständig für Nachweise der Prüfprozesseignung gemäß VDA 5 ausgelegt und kann entsprechende Berichte halbautomatisch erstellen.
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