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EFQM industrieuntauglich?

Handel hält die deutsche Fahne hoch
EFQM industrieuntauglich?

OBI Baumarkt Franken erhält einen EFQM Excellence-Preis als Vorbild für Kundenorientierung – Trend zur Teilnahme von privaten und öffentlichen Serviceunternehmen bei der höchsten Auszeichnung für Managementqualität in Europa – Deutsche Unternehmen an zweiter Position nach Spanien bei der externen Anerkennung zur Nutzung des EFQM-Excellence Modells – EFQM Modell findet auch außerhalb Europas Anhänger

Birgit Otto, BSC, MA BO Consult, Business Excellence Moderation, Ostfildern

Mit hellenischem Charme und Timing lud die Griechische Managementvereinigung gemeinsam mit der European Foundation for Quality Management zum diesjährigen EFQM Forum nach Athen. Vom 1. bis 3. Oktober trafen sich etwa 850 Gäste, um sich über Erfolgsfaktoren für Hochleistungsorganisationen auszutauschen und die diesjährigen Sieger des EFQM Excellence Awards zu feiern.
Für Deutschland hielt der Handel die Fahne hoch, als es an die Ehrungen ging. „Wir sind stolz und glücklich über diese Auszeichnung,“ sagte Marktleiter Ralf Engler, als er für sein Team in Athen einen Preis als vorbildliches Unternehmen in der Kategorie Kundenorientierung entgegennahm. Es sei der Lohn für einen langen TQM-Weg seit 1999, der mit einer kompromisslosen Ausrichtung auf die Kunden begonnen habe. (siehe Interview)
Deutsche im Ausland
Auf der Finalistenliste der EFQM standen neben dem OBI Baumarkt Franken in Schwabach auch die deutschen Firmennamen Siemens und Volkswagen. Siemens war sogar gleich mit drei Einheiten vertreten. Allerdings versteckten sich hinter dem türkisfarbenen Logo statt der Münchener Zentrale zwei Unternehmensbereiche aus Großbritannien und eine in Madrid ansässige Tochter. Der Medizintechnikanbieter Siemens Medical Solutions in Frimley, südwestlich von London, sowie die spanische Tochter Siemens S.A. mit Sitz in Madrid wurden als Finalisten ausgezeichnet. Die Siemenskollegen des Wechselrichterherstellers aus Congelton (Chesire) wurden wie schon 2005 als Prize Winner in der Kategorie Mitarbeiterentwicklung und Mitarbeitereinbindung geehrt. Auch hier kam der Erfolg nicht über Nacht, sondern als Meilenstein auf einem Weg, der über die Teilnahme an regionalen und nationalen Wettbewerben bis hin zur europäischen Ebene führte.
Auch bei VW vertrat ein polnisches Werk die deutsche Mutter. Sein Weg führte diesen Teilnehmer des diesjährigen Excellence-Wettbewerbs vom ersten Self Assessment 2002 über den Gewinn des Qualitätspreises in der Kategorie Großunternehmen mit Auslandsinvestitionen in Niederschlesien 2003, die Anerkennung als „Recognized for Excellence“ (4-Stars) 2006 – und zwar als erste Einheit im VW-Konzern – bis zum Finalistenstatus 2007.
Awards für KMU
Die schwergewichtige Glas-Skulptur der Excellence Auszeichnung (Award winner) wurde gleich vier Mal vergeben: an den 1991 durch zwei Brüder gegründeten Limoncellohersteller Villa Massa aus Sorrent, an den fast ebenso alten Pflastersteinproduzenten Tobermore aus dem nordirischen Londonderry, an die baskische Schulkooperative Lauaxeta Ikastola und die 1941 gegründete, gemeinnützige Cedar Foundation aus Belfast, die auf die Integration Behinderter spezialisiert ist.
Geboren aus der Total Quality Management Bewegung der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts in den fertigenden Großbetrieben des Westens und Japans hat sich das EFQM-Excellence Modell längst zum Modell ganzheitlicher Managementqualität gemausert.
Die European Foundation for Quality Management (EFQM) hat als Hüterin des Modells in den vergangenen Jahren zudem ein Pyramidensystem aufgebaut, mit dessen Hilfe Organisationen ihren Umsetzungsgrad überprüfen können. Es beginnt mit der Anerkennung in der Kategorie „Committed to Excellence“ als Einsteigerstufe. Daran schließt sich „Recognized for Excellence“ mit 3, 4 oder 5 Sternen als nächste Schritte an. An der Spitze der Pyramide stehen der Gewinn von Preisen (Prize) und schließlich die Auszeichnung selbst (Award). Allen Auszeichnungen gehen Assessments in unterschiedlicher Tiefe voraus, bei denen der Einsatz und die Wirksamkeit des Modells in der Organisation nachgewiesen werden müssen.
Trend „gemeinnützig“
Drei Entwicklungen sind interessant: So scheint sich das Modell als Organisations- und Managementmodell besonders gut bei Aufgaben zu etablieren, die in Europa traditionell öffentliche oder gemeinnützige Organisationen wahrnehmen, insbesondere im Gesundheitswesens, in der Pflege, der Erziehung und der Ausbildung. Hier scheint man sich beim Erstaufbau eines marktwirtschaftlich ausgerichteten Managementsystems sofort an den aktuellen, ganzheitlichen und systemischen Organisationsmodellen zu orientieren. Das EFQM-Modell ist für diese Organisationen natürlich nicht zuletzt wegen seines alle Interessensgruppen einbeziehenden Ansatzes interessant.
Trend „klein“
Ein zweiter Trend wurde besonders bei der Verleihung der diesjährigen Preise und Auszeichnungen um dem EFQM Excellence Award, kurz EEA, am 2. Oktober 2007 in Athen deutlich. Das Managementmodell bewährt sich besonders gut für kleine organisatorische Einheiten, seien es eigenständige Unternehmen, die gerne als KMU (Kleiner und Mittlere Unternehmen) kategorisiert werden oder ziemlich unabhängige Bereiche größerer Einheiten. So gingen alle vier Auszeichnungen auf der höchsten Ebene an kleinere Organisationen, zweimal für gewinnorientierte und zweimal für gemeinnützige Unternehmen.
Gefragt, warum sie mit dem EFQM-Modell arbeiten und trotz oft nur nationaler oder regionaler Wirkungskreise in einem europaweiten Club Mitglied wurden, geben alle eine klare Antwort: Gerade die unglaubliche Mischung von Organisationen, Nationen, politischen und gesellschaftlichen Erfahrungen und Regionen böte eine einzigartige Chance, sich mit Anderen zu vergleichen. Während Großunternehmen aus dem internen Wettbewerb lernen und sich verbessern könnten, sei KMUs ein solcher Weg naturgemäß versagt. In der EFQM-Familie könne man sich mit den unterschiedlichsten Organisationen vergleichen, schließlich gehe es ja nicht um den nackten Zahlenabgleich sondern um ein Benchmarking von Verfahrensweisen. Dabei stelle sich oft genug heraus, dass die Probleme in vielen Organisationen sehr ähnlich gelagert seien, wenn man sie erst einmal aus der branchentypischen Schale herausgeschält habe.
Trend „Service“
Als dritter Trend manifestiert sich die global zu beobachtende Bedeutungszunahme der Dienstleistungen auch bei den EFQM-Auszeichnungen. Zwei Drittel, und wenn man den Öffentlichen Sektor hinzurechnet, der ja auch meist Dienste anbietet, über 87% aller Auszeichnungen wurden an Dienstleistungsorganisationen vergeben. Neben der riesigen Menge an Schulen, Volkshochschulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, stehen auch Industriedienstleistungen und Services für Konsumenten auf der Liste: Gleisverwaltung der Eisenbahn, Uranhandel für Atomkraftwerke, Versicherung, Spielkasino, Telefondienste, Kopierdienste. Energiehandel, Ingenieurleistungen, Banken, Führungskräftevertretung, Management… – die Palette ist weit gefächert. Deutsche Vertreter sind zumindest auf sichtbarer EFQM-Anerkennungsebene dünn gesät.
Trend Risikoprävention
Die deutsche Industrie glänzt in Sachen Business Excellence immer wieder durch Abwesenheit. Lange stand man dem Gedanken, das ganze Unternehmen kontinuierlich auf seine Fähigkeit zu überwachen, Kundenwünsche zu erfüllen und gleichzeitig weitere Interessensgruppen zufrieden zu stellen. Noch heute herrscht in vielen Betrieben die Meinung, innovative Produkte von höchster technischer Perfektion genügten für den wirtschaftlichen Erfolg. Wer das glaubt, sehe sich mit scharfem Blick um. In einer Zeit, in der Alternativen nur einen Mausklick oder ein Einkaufszentrum entfernt bereit stehen, muss einer Innovation eine punktgenaue Marktlandung gelingen, die dem alten Qualitätsschlachtruf „Do it right the first time!“ kompromisslos gehorcht. Keine leichte Aufgabe in einer hoch differenzierten Wertschöpfungskette – und ohne den eisernen Willen, ein Quality Controlling über alle Prozesse einzusetzen, kaum zu erfüllen. QM bedeutet einfach Risikoprävention. QMer wissen das schon lange. Ihren Chefs und Kollegen aus Marketing, Vertrieb, F&E, Design oder Logistik sei das EFQM-Modell ans Herz gelegt.
Gutes QM mildert die SOX-Keule erheblich und erleichtert das Finanzierungsgespräch mit mancher Bank. Man demonstriert vorausschauendes, ganzheitliches Denken und Handeln. Das ist mehr als seine Fertigung in den Griff zu bekommen. Viele Serviceorganisationen haben das längst erkannt und nutzen das Modell, um die Qualität ihres Managements als Ganzes zu verbessern. Wer heute in einem Geflecht von Zuliefern in einer Supply-Chain produziert, der ist näher dran an der Dienstleistung und ihren spezifischen Herausforderungen wie Kommunikation, Virtualität oder Teilhabe des Leistungsnutzers als er sich vielleicht zugeben möchte. Darum ist das EFQM-Excellence Modell auch für die Industrie richtungweisend.
Standortsicherung Excellence
Wer EFQM sagt, will lernen, sich mit anderen austauschen, vergleichen und will besser werden. Das ursprüngliche Konzept, damit in erster Linie europäischen Unternehmen zu einem Vorteil im globalen Wettbewerb zu verhelfen, hat die EFQM angesichts des wachsenden Wettbewerbs der Wirtschaftsblocks präzisiert. Als sichtbare Zeichen wurden Mission und Vision geändert. So strebt man jetzt eine Welt an, „in welcher Organisationen in Europa brillieren.“ Damit wird European Excellence allein zum geographischen Standortmerkmal. So sind Entwicklungen konsequent, wie man sie in Athen beobachten konnte: nicht-europäische Redner im Forum und Teilnehmer aus Dubei und Südafrika unter den Teilnehmern. Auch in der Liste der Auszeichnungen tauchen neben EU-Neulingen wie Bulgarien und Tschechien auch die USA, das Sultanat Brunei und die Islamische Republik Iran auf.
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