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Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

3D-Visualisierung vermittelt ersten Qualitätseindruck
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Opel bewertet Spalt- und Versatzmaße schon in frühen Entwicklungsphasen mit Hilfe der Icona-Software Aesthetica. So lässt sich nicht nur die so genannte Perceived Quality bewerten, sondern Entwicklungszeit und -kosten sinken. Anhand eines 3D-Modells lassen sich Entscheidungen schneller und damit früher treffen, viele Probleme können auf diese Weise häufig kostenneutral gelöst werden.

Edgar Lossnitzer, Wolfgang Fetsch und Jens Fischer sind Mitarbeiter von Opel im Bereich Dimensional Management. Lossnitzer war zuvor bereits bei EDAG Leiter Dimensional Management. Er definierte neue Prozesse und leistete zu diesem Thema Pionierarbeit

Mit dem Insignia konnte der Automobilhersteller Opel die Auszeichnung ‚Car of the year 2009’ gewinnen. Kühn modellierte Formen treffen deutsche Präzision – so lässt sich das Design des Fahrzeugs zusammenfassen. Dabei geht es auch um die so genannte ‚Perceived Quality’, also den ersten emotionalen Eindruck eines Kunden bezüglich der Qualität ungeachtet der Funktionalität. Sie ist eine Schlüsselkomponente der Markenidentität, da eine sichtbar hohe Qualität ein Differenzierungsfaktor für den Verbraucher ist. Er trifft darüber eine Vorauswahl bezüglich Produkt und Marke.
Eine Rolle spielen hier beispielsweise die Spaltmaße der Karosserie. Für das Managen von Toleranzen über das gesamte Entwicklungsspektrum hinweg, ist bei Opel die vor zehn Jahren gegründete Abteilung ‚Dimensional Management’ im Internationalen Technischen Entwicklungszentrum Rüsselsheim verantwortlich. Hier wird die dimensionelle Qualität bereits zum Projektbeginn in einem Fugenplan (Dimensional Technical Specification, DTS) definiert und dann fortan während der gesamten Entwicklungsphasen bis hin zur Produktion verfolgt. Sämtliche für den Kunden sichtbaren Spalte und Versatze sind im DTS mit ihren Nominalwerten und zulässigen Abweichungen spezifiziert.
In den Anfängen kam es aber zu vielen Fehlinterpretationen der mittels Toleranzsimulation erzeugten Zahlenkolonnen. Das führte in den Abstimmungsbesprechungen zum DTS oftmals zu heftigen Diskussionen und damit zu einigen Folgebesprechungen, bis mit der partiellen Darstellung anhand von Hardwaremodellen eine Klärung und Einigung erreicht werden konnte. Dieses Vorgehen war sehr zeitintensiv. Bei darauf aufbauenden Entscheidungen kam es zu Zeitverzögerungen und damit höheren Kosten.
In Rüsselsheim hielt man deshalb Ausschau nach einer Visualisierungssoftware. Bereits 2004 kam Opel mit dem Softwareentwickler Icona Solutions und dessen Vertriebspartner Casolute zusammen. Icona liefert die Software Aesthetica, mit der sich Fahrzeuge ganzheitlich beurteilen lassen. Toleranzen werden an der Produktgeometrie in digitalen 3D-Modellen dargestellt – unter Verwendung verschiedener Lichtquellen, Farben und Materialien. Das gilt auch für komplexe Deformationseffekte wie Wölben, Biegen und Verdrehen, so dass man die Problembereiche identifizieren kann. Somit lässt sich das fertige Produkt bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Fahrzeugentwicklung realistisch visualisieren. Opel kann so Perceived-Quality-Reviews durchführen, bei denen sich Fragen rund um Passgenauigkeit (Fit) und optische Qualität (Finish) direkt klären lassen.
Früh Probleme kostenneutral lösen
Von Vorteil ist, dass Icona auch spezifische Anforderungen des Anwenders berücksichtigt und entsprechende Lösungen erarbeitet. Bereits nach kurzer Zeit konnten auf diese Weise die Wünsche der Mitarbeiter der Abteilung Dimensional Management umgesetzt werden, zusätzlich Funktionen in Aesthetica integriert werden.
Zum Zeitpunkt der Softwareeinführung bei Opel befand sich der neue Insignia gerade im Anfangsstadium seiner Entwicklung. Um konsequent enge Spaltmaße und Funktionsmaße zu gewährleisten, wurden mit virtuellen Werkzeugen Problembereiche bereits frühzeitig identifiziert. Der große Vorteil dabei: Auf diese Weise ließen sie sich nahezu kostenneutral lösen.
Wunderten sich die Mitarbeiter anfangs, dass nun zu den DTS-Besprechungen ins virtuelle Studio geladen wurde, setzte sich schnell die Erkenntnis durch, dass sich anhand der konkreten Darstellung Entscheidungen sofort treffen lassen. Das ist eine der Stärken von Aesthetica, auch im Zusammenspiel mit zusätzlicher Software. So lassen sich auch fotorealistische Bilder erzeugen. Die anfangs kritischen Stimmen bezüglich der höheren Investitionen bezüglich Software und 3D-Darstellung per Powerwall verstummten deshalb. Heute lassen sich verschiedene Alternativen zur technischen Umsetzung direkt in das Aesthetica-Modell einbringen, so dass man direkt dreidimensional sieht, wie sich das auf das Produkt auswirkt. Somit entsteht der Eindruck, vor einem realen Fahrzeug zu stehen. Vor allem im Innenraum konnte man sich so auf die Sichtbereiche von Fahrer und Beifahrer konzentrieren.
Aesthetica lässt sich in jeder Phase des Entwicklungsprozesses einsetzen, um den Einfluss von Toleranzen visuell darzustellen. In der Konzeptphase werden – sobald Stylingdaten verfügbar sind – die ersten Modelle aufgebaut. Diese lassen sich kontinuierlich den Änderungen anpassen, von der Design&Validation- bis hin zur abschließenden Confirmation&Improvement-Phase. Wichtig ist es, die Entscheidungsträger bereits während der Konzeptphase einzubinden, um ihnen das neue Produkt inklusive aller Toleranzen – mit deren Auswirkungen – vorstellen zu können. Durch die so mögliche schnelle Einigung werden entsprechende Entscheidungen für die Produktentwicklung zeitgleich freigegeben, ohne dass es später zu Überraschungen kommt.
Um die Besprechungen in den VR Räumen so effizient wie möglich zu gestalten, wird im Vorfeld eine Art Drehbuch erstellt. Hierbei wird definiert, welche Bereiche des Fahrzeugs aus welcher Perspektive, mit welcher Materialkombination und welchem Licht gezeigt werden sollen. All dies lässt sich in Aesthetica speichern, jeder Zustand ist dadurch stets rekonstruierbar. Ebenso wird in der Besprechung auf neue Punkte direkt eingegangen, auch hier lassen sich die gewünschten Merkmale einstellen und speichern. Mit dieser schnellen Reaktionszeit können in den Besprechungen aufkommende Ideen direkt diskutiert, weiterverfolgt oder verworfen werden. Auf den Bau von entsprechenden Hardwaremodellen kann teilweise verzichtet werden, was zu weiteren Kostensenkungen und vor allem einer Zeitersparnis führt.
Entsprechend dem Fahrzeugentwicklungsstand werden in den Besprechungen unterschiedliche Ziele verfolgt. Mit den ersten Modellen wird zunächst eine Art ‚Review’ gemacht, in dem spezifische Regionen des Fahrzeuges betrachtet werden, bei denen aus dimensioneller Sicht im Laufe der weiteren Entwicklung Probleme entstehen können. Hierbei lässt sich auch der bei Designern bekannte ‚Zebralichteffekt’ verwenden, um Übergänge zwischen den Bauteilen zu beurteilen. In dieser Phase werden zudem die zulässigen Grenzwerte für die Fugen und Versatze definiert, wobei gleichzeitig die ästhetische Wirkung auf das Erscheinungsbild geprüft wird.
Aesthetica unterstützt es, bestimmte Spalt- und Versatzmaße in einem Fahrzeugbereich so zu definieren, dass eine harmonisch wirkende Einheit entsteht. Hier ist die dreidimensionale Darstellung unabdingbar, da sonst keine Rückschlüsse auf das reale Fahrzeug gezogen werden können. Das gilt insbesondere für Bereiche, in denen viele Bauteile aufeinander treffen – etwa das Fahrzeugheck, die Front oder Armaturentafel/Türverkleidung. Um ein harmonisches Erscheinungsbild zu gewährleisten, wurde etwa bei der Entwicklung des Insignia Sports Tourer das Fahrzeugheck einer Untersuchung mit Aesthetica unterworfen. Hierbei ließen sich – ausgehend von ersten Designentwürfen – mit Hilfe des Gap-/Flush-Fitting-Tools verschiedene Spalt- und Versatzmaße einstellen und beurteilen.
In späteren Entwicklungs-Phasen (Design&Validation) wird das Augenmerk weiter in Richtung der berechneten Spalt- und Versatzmaße verschoben. Die Berechnungen erfolgen auf Basis der Montageprozesse, Einzelteilgeometrien sowie Einzelteil- und Montagetoleranzen. Zur Visualisierung werden getrennte Exterieur- und Interieur-Modelle benötigt, da die Entwicklungen zu unterschiedlichen Zeiten starten.
Im Interieur-Bereich werden in der Regel lediglich partielle Modelle erstellt, die nur die Bereiche Vordertürverkleidung, Instrumententafel und Mittelkonsole beinhalten. Um diese Bereiche auch mit den richtigen Blickwinkeln von Fahrer- und Beifahrer zu betrachten, werden in den Modellen auch Informationen der so genannten Ramsis-Mensch-Modelle verwendet. Dazu lassen sich im Aesthetica-Modell an den Koordinaten der Augen Rotationspunkte setzen, um die der Blick in alle Richtungen gedreht werden kann. Somit können sensible Bereiche ermittelt und mit entsprechendem Fokus auf das Erscheinungsbild behandelt werden. Außerdem wird durch die festgelegten Blickwinkel vermieden, dass bestimmte Bereiche als problematisch definiert werden, nur weil sie aus unrealistischen Positionen beurteilt werden.
Im Bereich des Exterieurs lassen sich die durch die Toleranzberechnung als kritisch eingestuften Bereiche des Fahrzeuges mit Aesthetica visualisieren und in Besprechungen allen Entscheidungsträgern mit Hilfe des bereits erwähnten Gap-/Flush-Fitting-Tools im VR-Raum vorstellen. Hier können die Teilnehmer direkt sehen, wie groß die eingestellten Spaltmaße sind. Um den optischen Gesamteindruck des Produktes weiter zu verbessern, kann bei fortgeschrittener Modellreife das Augenmerk auch auf zusätzliche Elemente gelegt werden. Dazu zählen:
  • Sichtbare Strukturelemente wie Schrauben, Nieten oder Rippen innerhalb der Spalte
  • Verklipsungen von Bauteilen im sichtbaren Bereich
  • Sichtbare Untermaterialien wie beispielsweise Dichtschaum oder Kleber
  • Durchscheinende Elemente bei transparenten Bauteilen, etwa Leuchten
Opel hat auf diese Weise mit der Software Aesthetica ein Visualisierungswerkzeug gefunden, mit dem sich Fahrzeuge effektiver und zu geringeren Kosten entwickeln lassen. Seit der Softwareeinführung gibt es keine langatmigen Diskussionen mehr um wenige Zehntel-Millimeter. Notwendige Änderungen lassen sich zusammen mit dem Management besser besprechen, Entscheidungen fallen schneller und Entwicklungskosten sinken. Durch eine zielgerichtete Festlegung auf die notwendigen physischen Validierungsmodelle werden zudem erhebliche Ressourcen eingespart, die zusammen mit dem Faktor Zeit die Softwareanschaffung bereits mehr als kompensiert haben.
Icona Solutions Ltd, Heywood/UK, www.iconasolutions.com
Opel, Rüsselsheim, www.opel.de
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