Startseite » Allgemein »

Eintauchtiefen in thermische Systeme

Temperaturmessung
Eintauchtiefen in thermische Systeme

Ein grundsätzliches Gesetz der Temperaturmessung ist, dass eine Temperatur, die ein Thermometer misst, nur dessen eigene Temperatur erfasst. Das bedeutet, dass ein Thermometer, um die Temperatur eines Mediums zu messen, ausreichend in das Medium eingetaucht sein muss, damit das Thermometer die Mediumstemperatur erreichen kann. Das Ziel dieses Aufsatzes ist es, einige einfache und praktische Regeln zu entwickeln, die bei der Berücksichtigung der Eintauchtiefen helfen können.

John P. Tavener und Dipl.- Ing. Peter Klasmeier, Fulda

Überblick über bestehende Literaturinformationen
Folgender Text aus dem Kapitel 3.2.4 aus dem Buch „Supplementary information to the International Scale of 1990“ (1)sollte berücksichtigt werden:
„Ein Thermometer ist ausreichend eingetaucht, wenn sich keine Änderung der angezeigten Temperatur durch zusätzliches Eintauchen in das konstante Temperaturvolumen ergibt. Die notwendige Eintauchtiefe, um die gesamte Genauigkeit des Thermometers auszunutzen, ist sehr stark abhängig von zwei Faktoren, von der zu messenden Temperatur und von der Thermometerkonstruktion. Natürlich sollte letzteres radiales Eindringen thermischer Strahlung ermöglichen und Längsstrahlung verhindern“.
„Auch erhöht sich die erforderliche Eintauchtiefe bei Temperaturen oberhalb der Raumtemperatur mit der Temperatur, bis hin zu einem Maximum, das in etwa bei 400 °C bis 500 °C erreicht ist. Danach fällt der schnelle Anstieg durch Wärmeleitung leicht ab durch den Übergang zu Wärmestrahlung. Dies unter der Annahme, dass entsprechende, ausreichende Barrieren für die Längsstrahlung vorhanden sind und damit Strahlungsleitung verhindern.“
Zusätzliche Hinweise, kann man in dem Buch „Traceable Temperatures“ (2) finden. Der Text beschäftigt sich mit den Eintauchtiefen in einer sehr praktischen Art. Die Autoren waren mutig genug, Zahlen in ihren Abhandlungen zu verwenden. Sie sagen über Eintauchtiefen:
„Das Problem tritt grundsätzlich auf, weil es einen andauernden Wärmefluss entlang des Schutzrohres des Thermometers zwischen dem interessierenden Medium und der Welt darum gibt. Da Wärme nur fließen kann, wo es eine Temperaturdifferenz gibt, beweist der Wärmefluss, dass die Spitze des Thermometers auf einer geringfügig anderen Temperatur ist als das interessierende Medium“.
Die Grafik (Bild 1.0) zeigt dies. Der Wärmefluss entlang des Schutzrohres eines Thermometers veranlasst es, eine Temperatur anzuzeigen, die etwas geringer ist als die des Mediums. Ein einfaches Modell dieses Effektes zeigt den Fehler der Temperaturanzeige in Abhängigkeit der Eintauchtiefe durch
– Tm = (Tamb – Tsys) k exp ( -L ). Gl. 1
Deff
Dabei sind Tsys und Tamb die System- beziehungsweise die Umgebungstemperatur, L die Eintauchtiefe, Deff der effektive Thermometerdurchmesser und K ist eine Konstante in etwa m 1. Die in Bild 1.1 für K = 1 dargestellte Gleichung ist sehr nützlich, um die Mindesteintauchtiefe zu ermitteln. Sie stellt sicher, dass der Fehler durch Wärmeableitung zu vernachlässigen ist.
Aus Bild 1.1 können wir drei sehr nützliche „Breite-Daumen-Regeln“ erkennen:
  • 1. Für „industrielle“ Thermometer sollte eine Eintauchtiefe von 5 Durchmessern für eine Genauigkeit von 1 Prozent ausreichend sein.
  • 2. Für gute Laborthermometer wird eine Ein- tauchtiefe von 10 Durchmessern empfoh- len, für eine Genauigkeit von 0,01 Prozent.
  • 3. Für beste Laborpraxis empfehlen sich Ein- tauchtiefen von 15 Durchmessern für eine Genauigkeit von 0,0001 Prozent.
Diese Eintauchtiefen sind ausreichend für eine Thermoelement-Verbindung oder dünne Thermistoren. Für einen Fühler, der einen Pt 100-Messwiderstand beinhaltet, muss die Länge des benutzten Messwiderstandes zur Eintauchtiefe dazugerechnet werden. Denn es sollte kein Messwiderstand sollte in dem Bereich des Wärmeleitungsgradienten liegen.
Es gibt eine Gleichung und eine grafische Darstellung, welche gute Ergebnisse in einem „gut-gerührten“ Ölbad ergibt. Die Supplementary Information deutet eine Temperaturabhängigkeit an, die in der Darstellung noch nicht berücksichtigt wurde. Wenn die notwendige Eintauchtiefe für eine erforderliche Genauigkeit bis zu einer Temperatur von 500 °C ermittelt ist, sind die meisten Anwendungen abgedeckt.
Nach der Festlegung von drei Eintauchtiefen für 1. industrielle, 2. Labor und 3. beste Anwendung kann man sich nun mit diesen konkreter beschäftigen.
Industrielle Thermometrie
Typisches und ähnliches Beispiel einer industriellen Anwendung ist der Einsatz eines Thermoelementes in einem Schutzrohr oder in einem Metallblockkalibrator. Ein Schutzrohr wird verwendet, entweder um das Thermometer vor dem Prozessmedium zu schützen, oder um das Medium abzudichten. Somit kann das Thermometer entfernt werden, ohne dass Prozessmedium austritt. Das Schutzrohr kann in den Prozessablauf eingeschraubt oder eingeschweißt sein. Üblicherweise ist das Verhältnis von Durchmesser zur Länge 1 zu 5 oder mehr. Bei der Betrachtung der Eintauchtiefe muss an den Außendurchmesser der „Installation“ gedacht werden, also an den Schutzrohrdurchmesser, weniger an den Durchmesser des Fühlers in dem Schutzrohr.
Ein anderes Beispiel ist der Metallblockkalibrator. Diese kleinen Öfen haben üblicherweise einen Metalleinsatz mit verschiedenen Bohrungen, um die zu kalibrierenden Thermometer aufzunehmen. Wieder muss man über den Durchmesser des Einsatzes nachdenken, nicht über den des Thermometers. Ein üblicher Durchmesser solcher Einsätze beträgt 50 mm. Üblicherweise wird die Temperatur am Boden des Einsatzes mit etwa 1 Prozent geregelt, und da die radiale Verteilung der Temperatur genügend gleich ist, wird der axiale Gradient zu wenig kontrolliert. Unabhängig von dem Temperaturfühlerdurchmesser werden die Eintauchtiefenfehler hier von den ungenügenden Eintauchverhältnissen des Einsatzes dominiert.
Diese Fehler können größtenteils vernachlässigt werden, wenn:
  • a. Man sich nicht auf die Temperatur ver- lässt, die durch das Regelthermometer an gezeigt wird und man statt dessen ein un- abhängiges Referenzthermometer in den Einsatz gibt, exakt dort wo sich auch das zu kalibrierende Thermometer (gleiche Eintauchtiefe!) befindet.
  • b. Das Referenzthermometer gleicht soweit wie möglich in der Konstruktion und dem thermodynamischen Verhalten dem zu ka- librierenden Thermometer.
In der Tat ist diese Anordnung des Referenzthermometers mit dem zu kalibrierenden Thermometer unausgesprochene Anforderung der DIN EN ISO 9000 ff.
Fühler in Schutzrohren oder Metallblockkalibratoren nehmen nicht in der gleichen Weise Wärme auf oder leiten sie ab wie Fühler in umgewälzten Flüssigkeitsbädern. Nicholas und Whites gehen in ihren Darstellungen nicht darauf ein. Der Grund ist, dass die Gleichung annimmt, dass
Deff / Dactual = 1 Gl. 2
wie es für umgewälzte Bäder der Fall ist. In Situationen, wo es einen Luftspalt gibt wie in Schutzrohren oder in Metallblöcken, ist
Deff / Dactual > 1 Gl. 3
Ein zweites Beispiel zeigt auf, wo ein Thermoelement mit einem Durchmesser von 6 mm kalibriert wird. Die Temperatur in einem Metallblockkalibrator liegt 500 °C über der Umgebungstemperatur, die gewünschte Genauigkeit 0,5 °C.
i Tm = 0.5 P 0.1% Gl. 4
Tsys – Tamb 500
Im Bild 1.1 wird für Deff = 1 eine Mindest-Eintauchtiefe von 7 x Durchmesser oder 42 mm ermittelt. Wenn jedoch Deff = 2 D, würde diese auf 84 mm erhöht werden.
Für industrielle Platin-Widerstandsthermometer müssen rund 40 mm für das Messelement dazugerechnet werden. Das ergibt 120 mm. Da für Platin-Widerstandsthermometer manchmal eine bessere Messunsicherheit als Thermopaare (z. B. 0,05 °C) erfordern, sollten weitere 23 mm dazu addiert werden. Das ergibt dann eine Gesamteintauchtiefe von 145 mm.
Was Nicholas & White nicht angeben, sind Beträge für Deff / D für Metallblock-Kalibratoren.
Glücklicherweise hat ein „Northern Temperature Primary Laboratory“ so viele Metallblock-Kalibratoren der herstellereigenen Konstruktion bei verschiedenen Temperaturen und über viele Jahre hinweg komplett untersucht. Betrachtet man die 0,5 °C als ein Kriterium, so ist grundsätzlich festzustellen, dass immer unabhängig von der Temperatur (Untersuchungen wurden bei 250 °C, 450 °C und 650 °C durchgeführt) 80 mm Eintauchtiefe für ein 6 mm Typ N-Thermopaar in einer x 6,5 mm Bohrung notwendig sind, um Wärmeableitung/Vertikales Temperaturprofil des Metalleinsatzes kleiner als 0,5 °C werden zu lassen.
Das bestätigt die Annahme von
Deff / D = 2.
Dank dieser Überlegungen und der zusammen genommenen Anstrengung der oben aufgeführten Autoren ist es möglich, einige Regeln zu bestimmen, die wirklich praktisch und hilfreich sind.
Bild 1.1 kann für umgewälzte Flüssigkeitsbäder und Bild 1.2 für Metallblockbäder mit kleinen Luftspalten angewandt werden.
Gute Laborpraxis
Laborthermometer erfordern eine bessere Messunsicherheit. Als ein praktisches Beispiel kommt die Ermittlung der Mindest-Eintauchtiefe für ein Thermometer mit x 4 mm Schutzrohr zum Einsatz, wobei das Messelement in den letzten 40 mm des Schutzrohres untergebracht ist. Die Messung sollte einen Eintauchfehler von weniger als 0,01 °C bei Temperaturen bis zu 100 °C haben.
Zuerst wird die relative Unsicherheit der Messung ermittelt:
i Tm = 0.01 P 0.01%. Gl. 5
Tsys – Tamb 100 – 20
Dann wird unter Anwendung des Bildes 1.1 ermittelt, dass die Mindest-Eintauchtiefe ein bisschen größer als 9 x der Durchmesser ist. Sicherheitshalber taucht man das Thermometer 10 x Durchmesser oberhalb des Messelementes ein. Bei diesem Beispiel wären das also 80 mm Gesamteintauchtiefe. Über den Daumen gepeilt sind 10 x Durchmesser für präzise Thermometrie (P ± 0,01%) ein guter Wert. 5 x Durchmesser sind mehr typisch für industrielle Thermometrie (P ± 1%).
Beste Laborpraxis
Beste Laborpraxis sind die aufregendsten Messungen, zum Beispiel mit Normal-Platinwiderstandsthermometern (NPWTHs) in Fixpunktzellen. Diese Messungen stiften erst einmal Verwirrung:
Das Thermometer ist in das Metall der Fixpunktzelle nur 160 mm bis 200 mm eingetaucht, obwohl ein Normalplatin-Widerstandsthermometer (NPWTH) eine Eintauchtiefe von etwa 300 mm erfordert. Wie kann es sein, dass die höchst präzisesten Messungen auf der Welt mit einem offensichtlichen Mangel an Eintauchtiefe in Zellen gemacht werden?
Die einfache Antwort ist, dass die Temperatur oberhalb der Zelle und damit für weitere 200 mm innerhalb, typischerweise 0,5 °C der Zellentemperatur selbst ist, folglich beträgt der Temperaturgradient nur 0,5 °C. Weiterhin ist der Bereich darüber gegen Wärmeleitung und Wärmestrahlung mit Strahlungsschildern isoliert. Das reduziert den Temperaturgradienten und konsequenterweise die erforderliche Eintauchtiefe.
Nimmt man zum Beispiel eine Zinkzelle, die das Eintauchen von 200 mm unterhalb der Oberfläche des reinen Zinkmaterials erlaubt, erhält man folgende Erkenntnisse: Die Fest-Flüssige-Gleichgewichtstemperatur (Die Temperatur an der die Messungen gemacht werden) beträgt 419 °C.
Wenn Tm = 0,0001 °C sein soll, ermittelt man eine Eintauchtiefe von 32 x dem Durchmesser zuzüglich der Länge des Messwiderstandes. Da sich das Thermometer in einem Luftspalt befindet, kommt Bild 1.2 zur Anwendung:
iTm = 0.0001 P 0.00002%. Gl. 6
Tsys – Tamb 400
Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass für eine Länge von 200 mm der Temperaturgradient längs des Thermometers nur 0,5 °C beträgt. Die Messungen ergeben dann 0,0001/0,5 = 0,0002 oder nur 15 x Durchmesser zuzüglich der Länge des Messwiderstandes. Für ein NPWTH mit x 8 mm heisst das eine Eintauchtiefe von 120 mm zuzüglich 50 mm Messwiderstandslänge. Das bedeutet, dass 130 mm weniger Eintauchtiefe in der Zelle selbst notwendig sind. Nur 170 mm sind erforderlich.
Das eben beschriebene Beispiel deutet Wege an, bei denen unter bestimmten Voraussetzungen Fehler der Eintauchtiefen zukünftig kontrolliert werden können. Nimmt man an, dass sich ein Thermometer in einem Metalleinsatz befindet und dieser Einsatz wiederum in einem Metallblockkalibrator, wird der Wärmeleitungsverlust entlang des Thermometers durch diesen eingegrenzten Luftraum reduziert, weil natürlich hier die Temperatur höher ist als die der Umgebung. Dabei ist der Einsatz kürzer als die Heizwicklungslänge des Ofens, so dass es einen Luftraum oberhalb des Einsatzes im Ofen gibt. Vielleicht ist auch ein Wärme-Isolierstück in diesem Bereich eingesetzt, um Wärmeverlust durch Konvektion zu reduzieren. Diese Reduzierung der erforderlichen Eintauchtiefe sollte für Thermometer in einem Schutzrohr ähnlich betrachtet werden.
Mit diesem Wissen kann nun die Wirkungsweise von Systemen wie ein Metalleinsatz, beschrieben im Industriellen Thermometriebereich dieses Aufsatzes, überprüft werden. Wenn der Einsatz (wie die im vorherigen Beispiel gegebene Fixpunktzelle) unterhalb der Oberkante der Heizwicklung des Metallblockkalibrators ist, wird ein darin befindliches Thermometer nicht die gleichen Wärmeableitungseffekte zeigen wie ein Thermometer, das direkt den Übergang zu Umgebungstemperaturen hat.
Temperaturfühler in solchen Metalleinsätzen haben Wärmeableitprobleme nur in dem Bereich, wo sie das Kalibriersystem verlassen. Folglich ist dann ein guter Kompromiss erreicht, wenn das mathematische Modell innerhalb des Umfangs dieses Aufsatzes liegt. Aber der Standard-Eintauchtest, den Fühler um 1 oder 2 Durchmesser herauszuziehen, wird die überprüfte Wirkungsweise bestätigen.
Der bisherige Überblick zeigt Wege auf, die erforderlichen Eintauchtiefen für unterschiedliche Temperaturfühler, in unterschiedlichen Konfigurationen und Applikationen zu ermitteln. Die praktischen Hinweise sollten den Leser befähigen, eine bessere Auswahl der Kalibriereinrichtung im Hinblick auf Installation und Konstruktion treffen zu können. Natürlich auch ein Wort zur Vorsicht: Das bisher Beschriebene kann nur eine Richtlinie sein. Es gibt immer Ausnahmen, deshalb sollte man Nicholas und Whites folgen:
„In allen Fällen, wo Eintauchfehler vermutet werden, ist es einfach, die Eintauchtiefe um ein- oder zwei Durchmesser zu verändern, um dann festzustellen, ob sich die Anzeige verändert. Als grobe Annäherung kann festgestellt werden, daß 60 Prozent des Gesamtfehlers jedesmal eliminiert werden, wenn die Eintauchtiefe um einen effektiven Durchmesser erhöht wurde.
Weitere Informationen A QE 600
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Quality Engineering
Titelbild QUALITY ENGINEERING 1
Ausgabe
1.2024
LESEN
ABO
Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Whitepaper zum Thema QS


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de