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Einzug in klassische Formmesstechniken

Rundheitsmessungen auf Koordinatenmessgeräten
Einzug in klassische Formmesstechniken

Koordinatenmessgeräte sind die vielseitigsten Messgeräte der industriellen Fertigungsmesstechnik. Ausgestattet mit High-Speed Scanning dringen sie jetzt auch in die klassische Formmesstechnik ein.

O. Jusko, F. Lüdicke, F. Wäldele, Physikalisch technische Bundesanstalt

Koordinatenmessgeräte (KMG) werden in der industriellen Praxis für nahezu alle Anwendungen der dimensionellen Messtechnik eingesetzt. Ihren klassischen Einsatz finden sie in der Einzelpunktantastung von Werkstücken, um deren Maße zu erfassen. Die präzise Formmessung von Werkstücken blieb aber weiterhin die Aufgabe spezieller Formmessgeräte. Neuere KMGs verfügen über Scanningtastköpfe (Fast-Scanning oder High-Speed Scanning), die eine schnelle Vielpunkterfassung der Werkstückoberfläche ermöglichen. Zusammen mit der geeigneten Software zur Formauswertung nach ISO wird so aus einem KMG auch ein Formmessgerät [1]. Es bestand jedoch eine große Unsicherheit unter Anwendern wie Herstellern über die Genauigkeit, sprich Messunsicherheit, die solche Geräte erzielen können. Dies weil nur wenige systematische Untersuchungen bisher durchgeführt wurden [2, 3] und bisher auch nur in der VDI Richtlinie 2617 auf die Problematik eingegangen wurde [4].
Um Aussagen über die Messunsicherheit von Formmessungen mit KMG zu erhalten, führte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig zusammen mit einem führenden deutschen KMG-Hersteller ein Forschungsprojekt durch. Es wurde verabredet, die Rundheit geeigneter Normale stellvertretend für echte Werkstücke zu messen und die Ergebnisse zu vergleichen. Das PTB-Laboratorium für Maß und Form lieferte dazu die Referenzdaten.
Vergleichsnormale
In der Projektvorbereitungsphase wurde schnell klar, dass für den Formmessvergleich Normale verwendet werden müssen, die ein klar definiertes und dynamisch anspruchsvolles Messsignal ergeben. Der KMG-Hersteller stellte daher einen zylindrischen Prüfkörper zur Verfügung, der mit zwei Flicks (Abflachungen an einem Zylinder) mit unterschiedlicher Tiefe (245 µm und 12 µm) und einem rundgeschliffenen Bereich versehen ist. Dieser Körper wird im folgenden Flicksäule genannt. Flicks stellen den Quasistandard der Formmesstechnik für Vergrößerungsnormale dar. Sie werden in der Formmesstechnik benutzt, um die Empfindlichkeit des Gesamtmesssystems zu überprüfen.
Die PTB stellte zwei sogenannte Mehrwellennormale zur Verfügung. Mehrwellennormale sind neuartige von der PTB entwickelte Formnormale, die die Kalibrierung von Formmessgeräten verbessern sollen [5, 6]. Auf ihrem Umfang ist eine Überlagerung von räumlichen Sinuswellen verschiedener Frequenz und Amplitude aufgebracht. Dieses spezielle Messprofil von Mehrwellennormalen ermöglicht eine besonders aussagekräftige und zuverlässige Auswertung der Messdaten.
Messgeräte, Messungen und Auswertung
Die KMG-Messungen wurden auf zwei unterschiedlichen KMG-Geräten durchgeführt: KMG-A und KMG-B. Nach Herstellerangaben ist KMG-A in Richtung Genauigkeit optimiert, KMG-B hingegen in Richtung Dynamik und Geschwindigkeit [7, 8].
An allen Prüfkörpern wurden vom KMG-Hersteller Messungen in mindestens drei Messhöhen durchgeführt. Die Messprofile wurden einerseits normkonform ausgewertet und andererseits in Rohform, das heißt als VDA-Datei nach DIN 66301 der PTB zur Verfügung gestellt. Dort wurden sie weitergehend analysiert. Neben dem Parameter Formabweichung wurde auch die Amplitudenhöhe der Sinuswellen auf den Mehrwellennormalen untersucht.
Ergebnisse
Die Messergebnisse wurden in der PTB ausgewertet und die Differenzen zu den Referenzdaten bestimmt. Für die Formabweichungsergebnisse an der Flicksäule fand man dabei eine Übereinstimmung mit den PTB-Ergebnissen im Rahmen von 1 µm am KMG-A und 2 µm am KMG-B. Für den großen Flick bedeutet dies eine Übereinstimmung innerhalb der Messunsicherheit der PTB.
Bei den MWN wurde eine Übereinstimmung der mit 500 W/U (Wellen/Umfang) gefilterten Werte im Rahmen von circa 0,5 µm am KMG-A sowie 1 µm am KMG-B gefunden. Filtert man die Messprofile mit 15 W/U, verbessert sich die Übereinstimmung auf 0,3 µm am KMG-A und 0,9 µm am KMG-B. Die Mitarbeiter der PTB bestimmten die Referenzmesswerte zu diesen Ergebnissen mit einer Unsicherheit von 0,1 µm.
Die Amplituden der Mehrwellennormal-Sinuswellen wurden von beiden KMG bei einer Vorfilterung der Messprofile mit 500 W/U innerhalb einer Spanne von 0,1 µm in Übereinstimmung mit der PTB gemessen. Bei einer Filterung von 15 W/U waren diese sogar noch besser.
Alle KMG-Messprofile weisen zusätzlich einen etwas höheren Grundrauschpegel als bei Formmessgeräten auf und eine schwache Aufprägung der vierzähligen Symmetrie des KMG (Bild 1), wahrscheinlich bedingt durch die Lageregelung der Achsen.
Fazit
Diese Ergebnisse zeigen, über welch hohen Entwicklungsstand moderne KMG verfügen. Unter entsprechenden Randbedingungen lassen sich Rundheitsmessergebnisse mit einer Unsicherheit erzielen, die traditionellen Formmessgeräten kaum nachsteht. Dies ist sicherlich eine gute Nachricht für den industriellen Anwender. Es sei jedoch auch darauf verwiesen, dass solche Messergebnisse nur von fachkundiger Hand erzielt werden können und nicht quasi automatisch entstehen. Die erwähnten Einflüsse durch Rauschen und Lageregelung schließen allerdings einen KMG – Einsatz für Formkalibrierungen hochgenauer Rundheitsnormale wie etwa Glashalbkugeln noch aus.
Literatur:
[1] Ohnheiser, R, Lang, H., Hinterschweiger, W.: „Leistungsfähigkeit und Einsatzspektrum der Formmessung auf Koordinatenmessgeräten“ in VDI-Berichte Nr. 1258 „Koordinatenmesstechnik“, VDI-Verlag, Düsseldorf, 1996, S. 25-44.
[2] Argo, D.: „Formprüfung auf Koordinatenmessgeräten unter Einsatz von High-Speed-Scanning“, Diplomarbeit, Aalen, 1998.
[3] Jusko, O., Lüdicke, F., Wäldele, F.: „High Precision Form Measurements with Coordinate Measuring Instruments“, Proc. X. International Colloquium on Surfaces, Chemnitz, 2000.
[4] VDI/VDE Richtlinie 2617, Blatt 2.2, „Genauigkeit von Koordinatenmessgeräten – Kenngrößen und deren Prüfung – Formmessung“.
[5] Jusko, O, Lüdicke, F.: „Novel multi-wave standards for the calibration of form measuring instruments“, Proc. 1st EuSPEN, Bremen, 1999.
[6] Jusko, O., Lüdicke, F.: Quality Engineering, 5/2000.
[7] KMG-A: UPMC Carat, Technische Unterlagen der Fa. Carl Zeiss, Oberkochen.
[8] KMG-B: Prismo, Technische Unterlagen der Fa. Carl Zeiss, Oberkochen.
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