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EQA geht erstmals nach Deutschland

European Quality Convention 1998
EQA geht erstmals nach Deutschland

Am Morgen des 22. Oktobers trafen sich die Qualitätsprofis des Tagungshotels Schindlerhof, um in aller Aufregung und mit großer Freude als erstes deutsches Unternehmen dem European Quality Award „entgegenzufliegen“. Im Fluge haben ihn die engagierten MitarbeiterInnen allerdings nicht erobert. Und auch die anderen Preisträger haben große Anstrengungen unternommen, um die hohen Forderungen der EFQM zu erfüllen.

An der diesjährigen Quality Convention der European Foundation for Quality Management (EFQM) in Paris haben wieder rund 2 000 Top-Manager aus ganz Europa teilgenommen. Ein Highlight des Programmes war eine Video-Konferenz zwischen dem Chef der Deutschen Telekom, Ron Sommer und seinem französischen Kollegen der France Telecom, Michel Bon. Die beiden Partner diskutierten über die Chancen, die sie innerhalb ihrer beiden Unternehmen haben und zum Vorteil für ihre Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter umsetzen können. Daneben fanden eine Reihe von Workshops rund um das Thema Total Quality Management statt.

Der European Quality Award
Am Abend des zweiten Veranstaltungstages überreichte der französische Industrieminister Christian Pierret im Pariser Palais de Congrès den begehrten European Quality Award (EQA). Dieser höchste europäische Qualitätspreis gilt als europäischer Pentant zum amerikanischen Malcom Baldrige Award. Er wird jedes Jahr nach einem strengen Ausleseprozeß von einer unabhängigen Expertenjury verliehen. Mit dem Award werden Unternehmen geehrt, die mit Hilfe des EFQM-Modells für Business Excellence an einer kontinuierlichen Verbesserung ihrer Unternehmensabläufe arbeiten. Der EQA wurde 1991 von europäischen Spitzenunternehmen mit Unterstützung der EU-Kommission aus der Taufe gehoben. Die EFQM, die sich für den Award verantwortlich zeichnet, hat mehr als 600 europäische Mitgliedsunternehmen aus den Bereichen Handel, Industrie und öffentlicher Dienst.
Award Gewinner 1998
In der Kategorie Großunternehmen gewann TNT United Kingdom Ltd. Der Marktführer bei Expresskurierdiensten, Eiltransporten und weiteren logistischen Dienstleistungen arbeitet in einzelnen Divisionen, die sich jeweils auf den Transport von Zeitschriften, Nahrungsmitteln, Getränken, Geld und Autoteilen spezialisiert haben. TNT hat bereits drei Europäische Qualitätspreise gewonnen und beschäftigt 10 000 Mitarbeiter.
In der Kategorie unabhängige kleine und mittlere Unternehmen konnte der Schindlerhof aus Nürnberg als erstes deutsches Unternehmen überhaupt den Preis in Empfang nehmen.
In der Kategorie abhängige kleine und mittlere Unternehmen siegte letztlich die Firma BEKO Ticaret AS aus der Türkei. Die Tochterfirma der türkischen Koç Gruppe ist im Bereich Marketing und Vertrieb von Endverbrauchsgütern tätig. Sie exportiert die Marke „BEKO“ in 45 Länder weltweit.
Siemens im Finale
Vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr. Dieses Mal kam die Siemens AG Bereich Energieerzeugung (KWU) immerhin als erstes Großunternehmen und gleich im ersten Anlauf ins Finale. Bereits im Dezember 1991 hat sich Siemens dem Business Excellence als Management Methode verschrieben. Dabei setzen die Erlanger vor allem auf Kundenorientierung und die Integration der Mitarbeiter in die neue Strategie. In den vier Jahren seit Einführung des EFQM-Management Modells hat Siemens KWU gute Fortschritte bei der Analyse und Verbesserung der Arbeitsprozesse erreicht. So gibt es z. B. mit einem Großteil der Mitarbeiter klare Zielvereinbarungen, Mitarbeiter- und Kundenbefragungen sowie die Beurteilung der Führungskräfte durch die Mitarbeiter. (Ein ausführlicher Bericht folgt in einer der nächsten Ausgaben.)
Der strahlende Sieger
Renate und Klaus Kobjoll gründeten 1984 den Schindlerhof in Nürnberg. Die Auslastung des Tagungsbereiches liegt bei 90 Prozent, die des Hotels bei 70 Prozent. 55 Mitarbeiter kümmern sich um das Wohl der Gäste im Schindlerhof, der übrigens 1995 als erstes Hotel Deutschlands nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert wurde und bereits 1997 zu den Finalisten des EQA gehörte.
Freizeitähnliche Arbeit bei höchsten Entscheidungsspielräumen in einem Team, das sich freundschaftlich verbunden ist: Mit diesem Konzept ist der Schindlerhof seit 1984 gewachsen und konsequent perfektioniert worden. Die bedingungslose Mitarbeiterorientierung des Tagungshotels ist ein meßbarer Wettbewerbsvorteil. Über mehr als ein Jahrzehnt gewachsen, ist das Konzept schwer und schon gar nicht rasch kopierbar. Eine „SpielArt“, die täglich weiterentwickelt wird: Abteilungsleiter gestalten als Regisseure die Bühne, auf der sich die Mitarbeiter bewegen. Entertainer wie Inhaber Klaus und Renate Kobjoll sorgen bestenfalls für Special Effects. Ein Stück, das jeden Tag vom gesamten Team in spielerischer Interaktion mit den Gästen voll Begeisterung neu inszeniert wird.
An einer erfolgreichen Zukunft bauen die Nürnberger schon heute: Zur Zeit werden weitere 5,7 Millionen DM in einen dritten Bauabschnitt investiert. Fokussiertes Ziel des Schindlerhofes ist es, zum führenden Tagungshotel Europas zu werden.
Die Finalisten
Kategorie Großunternehmen:
Siemens AG, Bereich Energieerzeugung (KWU), Deutschland;
Alstom Transporte SA Maintenance Unit in Spain, Systemwartung, Spanien;
Arçelik AS, Haushaltsgeräte, Türkei;
BT Northern Ireland, Telekommunikationsanbieter, Großbritannien;
NETAS, Telekommunikation, Türkei;
Sollac, Stahlprodukte, Frankreich;
Telecom Italia, Telekommunikationsanbieter, Italien;
TNT United Kingdom, Post-, Liefer- und Kurierdienste, Großbritannien;
Yellow Pages, Gelbe Seiten, Großbritannien.
Kategorie unabhängige kleine und mittlere Unternehmen:
Schindlerhof, Tagungshotel, Nürnberg;
DiEU, Danish International Continuing Education;
Beratungsdienstleistungen, Dänemark;
Fundera Condals SA, Automobilzulieferer, Spanien;
Hermes Softlab d. o. o., Softwarehersteller, Slovenien.
Kategorie abhängige kleine und mittlere Unternehmen:
Bekaert-Stanwick, Teil der Bekaert-Gruppe, Unternehmensberatung, Belgien;
Beko Trading Co., Marketingfirma im Bereich Endverbraucher, Türkei;
Burton-Apta, Brennofenhersteller für keramische Industrie, Ungarn;
Daramic SA, Batteriebestandteile, Frankreich;
Vallourec Composants Automobiles, Automobilzulieferer, Frankreich.
Kategorie Öffentliche Hand:
AVE, Hochgeschwindigkeitssektor der spanischen Bahn;
Inland Revenue Accounts Office, Combernauld, Finanzamt, Großbritannien.
Interview
Renate und Klaus Kobjoll, Inhaber des Tagungshotels Schindlerhof gewannen mit ihrem Team den diesjährigen European Quality Award in der Kategorie „unabhängige kleine und mittlere Unternehmen.
QE: Frau Kobjoll, Herzlichen Glückwunsch zu dieser hohen Auszeichnung. Wie fühlen Sie sich?
!Es ist, als ob wir einen großen Berg bestiegen haben und jetzt am Gipfel angekommen sind.
QE: Und nun stehen Sie auf dem Berg. Wohin werden Sie gehen?
!Die Qualitätsarbeit endet nie. Daran muß man immer arbeiten. Zunächst müssen wir das erreichte Niveau permanent inspizieren, um es halten zu können, dann darauf aufbauen, um weiterzugehen. Das ist sehr schwierig. Es bedeutet, im täglichen Betrieb mit den vielen hundert Gästen immer wieder Qualität zu bieten und die ständig neuen Herausforderungen der Gäste zu erfüllen. Wir möchten auch die ausgefallensten Wünsche unserer Gäste erfüllen, selbst wenn es etwas ist, was wir noch nie gemacht haben.
Es gibt keinen höheren Preis im Moment. Wir wollen unsere Qualität jetzt nach innen sichtbar machen, unsere Auslastung steigern, führend sein in der Tagungshotellerie.
QE: Woher kam der Ansporn, sich um den EQA zu bewerben?
!Mein Mann ist bei uns der Visionär. Er hat die Ideen. Nach unserer ISO 9001-Zertifizierung gab es nur noch die Herausforderung, den EQA zu bekommen. So haben wir angefangen, uns mit dieser Materie zu beschäftigen. Da wir schon immer viel im Unternehmen hinsichtlich Qualitätsmanagement gemacht haben, konnten wir das Geforderte schnell umsetzen.
QE: Wie haben Sie an dieser hohen Zielsetzung gearbeitet?
!Wichtig ist es erst einmal, das Bewußtsein zu erlangen: „Was ist Qualität?“ und „Warum möchte ich Qualität bieten?“. Unsere Mitarbeiterin Elke Fischer hat sich als erste mit der Materie auseinandergesetzt. Dann folgten wir, die Führungskräfte und schließlich die Mitarbeiter. Wir haben umfangreiche Schulungen mit jedem Mitarbeiter durchgeführt. Es folgte die Selbstbewertung nach EFQM. Dabei stellen die meisten fest, daß sie sich überhaupt nicht bewerben brauchen, wenn sie nur 200-400 von 1 000 Punkten erreichen. Die ISO 9001 erforderte nur etwa ein Zehntel der EFQM-Vorgaben. Nach unserer Bewerbung im letzten Jahr kamen wir ins Finale, hatten aber noch einige Schwachstellen, vor allem im Prozeßmanagement. Zwar hatten wir all unsere Prozesse erfasst und niedergeschrieben, nach EFQM waren diese aber noch nicht strukturiert genug. Also haben wir unser Prozeßmanagement überarbeitet, die Prozesse auch bildlich erfasst, dies überall ausgehangen und die Mitarbeiter darüber geschult. Dann kam die Jury wieder ins Haus und wir konnten sie überzeugen.
QE: Wie erfolgte die Bewertung durch die Jury?
!Es kamen fünf Assessoren aus fünf verschiedenen Ländern vier Tage zu uns ins Haus. Unter Leitung des finnischen Chefassessors haben sie alle Abläufe in unserem Unternehmen auf das Genaueste untersucht. Dabei überprüften sie zum einen, ob die Bewerbung stimmt. Wir mußten alle aufgeführten Fakten nachweisen, sie haben alle Akten eingesehen. Zum anderen überprüften die Jurymitglieder, ob die Mitarbeiter voll und ganz hinter den in der Bewerbung beschriebenen Abläufen stehen. Sie haben einzeln mit den Mitarbeitern gesprochen, um zu testen, ob sie die Unternehmensphilosophie verstanden haben und sich damit identifizieren.
QE: Ihre Mitarbeiter sind hochmotiviert, Bewerber stehen Schlange vor Ihrer Tür. Worin liegt das Geheimnis?
!Bei uns kann sich jeder voll ins Unternehmen miteinbringen. Jeder hat Verantwortung. Vom Zimmermädchen bis zum Prokuristen hat bei uns jeder die gleichen Rechte. Über Innovationslisten können die Mitarbeiter ihre Vorschläge machen. Unsere Unternehmensphilosophie überarbeiten wir zusammen mit den Mitarbeitern alle paar Jahre neu. Wir sparen nicht mit Lob. Auch das Lob unserer Gäste geben wir an die Mitarbeiter weiter. Wir führen sehr viele Schulungen durch. Und wenn ein Mitarbeiter unser Haus verlässt, um sich einer neuen Herausforderung zu stellen, verfügt er über beste Referenzen.
QE: Ist dieser Erfolg den ganzen Stress wert?
!Wenn ich zum Ziel habe, hohe Qualität zu bieten und damit begeisterte Gäste zu haben, muß ich etwas tun. Natürlich ist das mit sehr viel Arbeit verbunden, aber es hat uns auch Spass gemacht. Wir haben das Feedback von den Gästen bekommen.
QE: Was würden Sie Unternehmen raten, die die Qualitätsleiter erklimmen möchten?
!Zuerst muß man bei sich selber anfangen. Die Hierarchie muß abgebaut werden. Hierarchisch geführte Unternehmen werden keinen Erfolg haben. Man muß jeden Mitarbeiter gleichwertig annehmen können. Sehr diszipliniert muß man sich mit der Materie beschäftigen und Prozeß für Prozeß durcharbeiten. Die Mitarbeiter müssen begeistert werden und man selbst muß jeden Tag mit bestem Vorbild vorangehen.
QE: Frau Kobjoll, ich danke Ihnen für das Gespräch.
[AS]
Weitere Informationen A QE 303
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