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Erfolg mit Umweltmanagement

Fraunhofer Öko-Audit für Handwerksbetriebe
Erfolg mit Umweltmanagement

Mit Unterstützung der Fraunhofer Technologie Entwicklungsgruppe Stuttgart (TEG) hat eine Heizungs- und Sanitärbau-Firma aus Frickenhausen bei Nürtingen/Neckar als erstes Handwerksunternehmen in Europa eine Standorteintragung nach der EU Öko-Audit Verordnung sowie eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 14000 bekommen. Ein Beispiel, das Schule machen wird. Denn neben Kosteneinsparungen bei der Reststoffentsorgung verbessert das Öko-Audit die Effizienz in der gesamten Organisation eines Unternehmens und schafft wichtige Wettbewerbsvorteile.

Dipl.-Wirt-Ing. Chris Krüger, Redaktionsbüro Syntax, Stuttgart

Dipl.-Ing. Ernst Wolfgang Frey, Umweltauditor (TAE) und Dipl.-Ing. Thomas Seng, EQQ-Quality Systems Manager und Umweltauditor bei der Fraunhofer TEG haben sich eine neu erlassene Erweiterungsverordnung der EU für kleine und mittelständische Unternehmen zunutze gemacht und ein prozessorientiertes Umwelt-management-System entwickelt. Dipl.-Ing. Seng: “Eine Zertifizierung war bislang hauptsächlich bestimmten produzierenden Branchen vorbehalten. Mit dem Fraunhofer-System können sich nun auch Handwerksbetriebe schnell und sicher zertifizieren lassen.”
Auf die oft gestellte Frage seitens der Unternehmer, warum sie ihrem Betrieb eine solche Prozedur zumuten sollten, haben die Fraunhofer-Ingenieure gute Argumente parat. Die Vorteile im einzelnen:
– Kosteneinsparung durch Reststoffverwertung
– Image-Gewinn durch praktizierten Umweltschutz
– Optimierung der innerbetrieblichen Ablauforganisation
Für die Fraunhofer Technologie Entwicklungsgruppe war das vorbildliche Audit der Firma Heizung + Wasser Baur GmbH aus dem schwäbischen Frickenhausen ein Modellprojekt. Dipl.-Ing. Wolfgang Frey: “Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, die besonderen Gegebenheiten und Erfordernisse der Firma Baur zu berücksichtigen, konnten aber gleichzeitig auch allgemeingültige Regeln zur Zertifizierung für Handwerksbetriebe quasi aller Branchen erarbeiten.” Die Vorgehensweise bleibt dabei grundsätzlich gleich: Will ein geeignetes Handwerksunternehmen ein freiwilliges Umweltmanagementsystem aufbauen, werden zunächst in einer ersten Analyse des Ist-Zustandes sämtliche ökologisch und ökonomisch wichtigen Parameter des Betriebs erfasst. Dann wird eine Strategie entwickelt, mit dem das Unternehmen seine Leistungen im Umweltschutz kontinuierlich verbessern kann. Wenn das System im Betrieb etabliert ist, findet eine Auditierung statt. In der von einem vereidigten Gutachter unterschriebenen Umweltschutz-Erklärung wird festgehalten, wie diese Ziele von dem betreffenden Unternehmen erreicht werden. Daraufhin erfolgt die Standort-Eintragung.
Alle Vorgaben kommen ins Umweltmanagement-Handbuch
Im Frühjahr 1998 kam der Stein bei Baur ins Rollen. Zunächst einmal wurden die Mitarbeiter intern geschult und einzuleitende Maßnahmen besprochen. Dazu gehören Vorschläge zur Verringerung des Trinkwasser-, Benzin- und Stromverbrauchs, zur Erhöhung der Recyclingquote oder Überlegungen zur Umstellung der Firmen-Heizung auf Gasbetrieb. Aber auch betriebswirtschaftliche Ziele wie die Forcierung des Solaranlagen-Verkaufs werden vom Öko-Audit berührt. Alle erarbeiteten Vorgaben werden in einem Umweltmanagement-Handbuch festgehalten. Bereits im Sommer 1998 konnte die Umweltbetriebsprüfung durch einen anerkannten Prüfer stattfinden.
Wissenschaftlicher Rat und praktische Unterstützung
Die schnelle und reibungslose Implementierung des neuen Umweltmanagementsystems ist zum großen Teil auf die wissenschaftliche Beratung und praktische Unterstützung der Stuttgarter Fraunhofer-Ingenieure zurückzuführen. Andererseits hatte “die Baur GmbH auch schon vor der Öko-Audit-Zertifizierung ein recht gut funktionierendes Verwertungssystem”, so Dipl.-Ing. Thomas Seng zur Ausgangssituation. Eberhard Baur, Seniorchef des seit 1923 bestehenden Familienbetriebs, hat schon in frühester Jugend ein Bewußtsein für den Wert gewisser Reststoffe entwickelt. Als Bub bekam er einmal für ein Bündel Kupferabfälle 50 Mark, was damals ein kleines Vermögen war. Deshalb wurde der Entsorgung in seinem Unternehmen schon seit jeher ein besonderes Augenmerk gewidmet. “Es war mir schon immer zuwider, Metall- oder Wertstoffe in den Abfallcontainer zu werfen. Durch Öko-Audit habe ich für uns die Chance gesehen, den Betriebsablauf noch weiter in Richtung Wiederverwertung zu trimmen”, erklärt der Senior-Chef.
Immense Einsparungen durch Reststoff-Trennung
Heute wird bei Baur fast alles nach Stoffgruppen sortiert: Styropor, Kunststoffe, Folien, Kupfer, Aluminium, Edelstahl, Schrott, Elektronikschrott, Batterien, Altöl, Bauschutt, Holz um nur die wichtigsten Beispiele zu nennen. Selbstverständlich werden auch Papier, Pappe und Glas getrennt gesammelt. Die letztgenannten Stoffe könnte man fast schon als Rückführ-”Klassiker” bezeichnen, besonders am Standort von Sanitär-Baur. Denn das Örtchen Frickenhausen liegt im Landkreis Esslingen, der in Sachen Müllentsorgung bundesweit schon immer im Trend lag. Das Umweltbewußtsein der Bevölkerung ist hier – nicht zuletzt wegen der erzieherischen Höhe der Müllgebühren -vorbildlich ausgeprägt. Womit wir beim Einsparungspotential unseres Handwerkbetriebs wären. Denn natürlich konnte das Restmüllaufkommen der Firma Baur drastisch reduziert werden. Nach Kubikmeter gestaffelt, musste vor dem ÖkoAudit für allzu leichtfertig Entsorgtes in klingender Münze gezahlt werden. Heute beträgt die Rückführungsquote über 80 Prozent. Neben dem Schutz der Umwelt ist der Einspareffekt allein durch eine konsequent durchgeführte Reststoff-Trennung immens.
“Allerdings”, gibt Junior-Chef Armin Baur zu bedenken, “müssen beim Audit alle an einem Strang ziehen, die Mitarbeiter müssen mitmachen!” Doch da ist bei Baur alles im Lot, das Personal ist motiviert. Es scheint vielen sogar Spaß zu machen, die Aufgabenstellungen gemäß einer eigens an sie übergebenen, persönlichen Umweltmappe zu erledigen. Jeder Mitarbeiter hat dadurch exakte Richtlinien, die jederzeit nachvollziehbar sind und anhand derer er sein Handeln ausrichten kann. Wobei im Land der “Häuslesbauer” ohnehin viele wissen, dass beispielsweise eine Schuttmulde, in der Baustoffe, Alteisen und Holz wie Kraut und Rüben zusammen “entsorgt” wurden, den Bauherrn teuer zu stehen kommt. Hätte er unter minimalem Mehraufwand seine Bauarbeiter zur fachgerechten Trennung angeleitet, wären ihm gerade mal ein Drittel der Abfuhr-Kosten entstanden. Was für den privaten Bauherrn gilt, ist natürlich erst recht für eine Heizungs- und Sanitärfirma wichtig und richtig, die tagtäglich größere Mengen Abraum zu versorgen hat.
So minimiert die Firma Baur dank Öko-Audit tagtäglich ihre Kosten. Und wer die Essenz der Altbatterien-Verordnung im Umweltmanagement-Handbuch stehen hat, weiß natürlich auch, dass der Handel verpflichtet ist, Batterien nach Gebrauch wieder zurückzunehmen. Doch damit nicht genug, in manchen Fällen entstehen auch echte Erlöse wie beispielsweise aus dem Verkauf von Wertstoffen wie Kupfer, Aluminium oder Edelstahl.
Das Öko-Audit bietet gerade Handwerksbetrieben darüber hinaus die Möglichkeit der mittelbaren Kostenreduktion. Denn Umweltschutz macht sich auch im Sicherheitsbereich bemerkbar. Und wer beispielsweise Verfahrensanweisungen zur sachgerechten Abfüllung eines Öltanks herausgibt oder seine Mitarbeiter zur Lagerung von Gefahrstoffen schult, der schafft nicht nur die Auditierung sondern darf auch mit niedrigeren Prämien in der Betriebshaftpflicht rechnen. Weitere, rein theoretische Einsparungen entstehen über eben diese Risikominimierung. Rein theoretisch deshalb, weil die Kosten für eine, womöglich noch betriebsverschuldete, Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters sowieso nicht abzuschätzen wären.
Imagegewinn durch nachvollziehbaren Umweltschutz
Neben den Kosteneinsparungen ist der zu erwartende Image-Gewinn durch ein ÖkoAudit mit Standort-Eintrag nicht zu unterschätzen. Eberhard Baur kann die Vorteile aus eigener Erfahrung genau benennen: Bei uns will der Kunde oft schon in der Angebotsphase wissen, ob und wie Reststoffe entsorgt werden. Durch die ÖkoAudit-Eintragung weisen wir uns als zertifizierter Betrieb aus, bei dem fachgerecht entsorgt wird. Das verschafft uns, besonders bei Großkunden, die sich ähnlichen Systemen unterwerfen, ein hervorragendes Image: Man spricht die gleiche Sprache und arbeitet mit den gleichen Management-Methoden”. Logisch, dass die Stuttgarter Fraunhofer Technologie-Entwicklungsgruppe und hier besonders die Abteilung Geschäftsprozesse und Managementsysteme durch ihre langjährige Erfahrung in diesem Bereich wertvolle Hilfe leisten konnte. Ist der Betrieb erst zertifiziert, kann das Prüfzeichen dezent werbewirksam eingesetzt werden. Es schafft Vertrauen bei selbst nicht zertifizierten Kunden, andere sagen wohlgesonnen “Welcome to the Club”, wieder andere sehen heute eine Zertifizierung in bestimmten Branchen gar als Voraussetzung für eine Auftragsvergabe an.
Optimierung der gesamten betrieblichen Organisation
Die mit am tiefgreifendsten positiven Veränderungen schafft das Öko-Audit aber dort, wo man es zunächst gar nicht vermutet: Im täglichen betrieblichen Ablauf. Spürbar wird dies gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen sowie speziell bei den Handwerksberufen. Denn was bei Großunternehmen und gut durchorganisierten mittelständischen Unternehmen beispielsweise im Dienstleistungssektor längst zum guten Ton gehört, ist dort noch die Ausnahme: ein prozessorientiertes Managementsystem. Dass es sich bei dem von den Fraunhofer-Ingenieuren entwickelten Verfahren um ein auf Umweltbelange ausgelegtes System handelt, ist kein Widerspruch: Jedes funktionierende betriebliche Organisationsschema verfügt auch über strategisch ordnende Maßnahmen.
Öko-Audit greift im Detail in alle Bereiche des Unternehmens ein. Das erfordert ein Überdenken aller bestehender Strukturen und Prozesse. “Heisst das, dass bestehenden betriebliche Abläufe komplett umgekrempelt werden müssen?” ist die besorgte Frage aus Unternehmermund an die Fraunhofer-Ingenieure. “Keineswegs”, so die Antwort von Dipl.-Ing. Wolfgang Frey, “bei einem Öko-Audit werden lediglich bestimmte ökologisch und ökonomisch sinnvolle Abläufe der bestehenden Betriebsstruktur eindeutig zugeordnet.“
Von der Montage bis hin ins Büro ist bei Sanitär Baur jetzt alles sehr bewußt durchstrukturiert. Das Öko-Audit hat quasi nebenbei eine Infrastruktur geschaffen, die einen reibungsfreien Ablauf sämtlicher Vorgänge begünstigt. Beispiel Baur: Geht morgens um acht Uhr von einem Kunden die Meldung ein: “Heizkessel leckt”, werden sofort alle relevanten Daten wie Hersteller, Typ oder Baujahr abgefragt und in die EDV eingegeben. Um zehn Uhr ist der Monteur mit einem Auftrags-Laufzettel vor Ort und um zwölf Uhr mittags ist die Reparatur ausgeführt. Diese computergestützte, optimierte Auftragsabwicklung ist auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht – eine Folge der Öko-Auditierung. Denn im Vorfeld haben die Ingenieure der Fraunhofer Technologie-Entwicklungsgesellschaft aus Stuttgart gemeinsam mit den Baur-Mitarbeitern analysiert, wie die Umweltbelastung durch den Kraftstoffverbrauch der Einsatzwagen reduziert werden könnte. Ergebnis: Zu oft mussten die Monteure doppelte und dreifache Wege zum Kunden zurücklegen, weil ihnen wichtige Informationen zum Brennertyp fehlten und sie entsprechende Ersatzteile nicht mit an Bord hatten. Auch erforderte die Situation vor Ort nicht selten den Einsatz von geeigneten Auffangbehältern oder Ölbindemitteln usw. Die Problemlösung: Heute verfügt der Heizungs- und Sanitärbau-Betrieb über 15 sogenannte Brennertypen-Koffer, die nach jedem Einsatz neu bestückt werden. Das garantiert, dass die Mitarbeiter immer mit dem richtigen Werkzeug und den richtigen Ersatzteilen vor Ort beim Kunden sind.
Sollte sich herausstellen, dass ein Notfall infolge eines Kessel-Totalschadens besteht, findet der Monteur in seiner Umwelt-Mappe sofort die richtige Telefonnummer, um gegebenenfalls einen neuen Brenner direkt vom Hersteller per Express ordern zu können. Hier sind auch entsprechende Verhaltensregeln und Soforthilfe-Maßnahmen etwa bei auslaufendem Öl aufgelistet.
Damit solche Notfall-Situationen beispielsweise bei Großkunden gar nicht erst entstehen können, hat die Firma Baur mit der Öko-Auditierung auch eine Online-Überwachung eingeführt. Dipl.-Ing. Frey: “Es bestehen seither entsprechende Einsatzpläne für eine Notfallgruppe, die im Falle des Falles einen drohenden Schaden repariert, oft bevor der Kunde selbst Kenntnis von der brenzligen Situation hat”.
Umweltmanagement-System für unternehmensstrategische Aufgaben
Hier wird deutlich, dass das Öko-Audit vor allem auch strategischen Aufgaben wie der Kundenzufriedenheit dient. Die Zertifizierung eröffnet dem Unternehmen echte Zukunftsperspektiven. Denn die grundsätzlichen Überlegungen, die im Zusammenhang mit einem Umweltmanagement-System angestellt werden, zielen auf eine langfristige Unternehmens- und Standortsicherung und sichern Wettbewerbsvorteile: Durch Öko- Audit wird ein funktionierendes System und nicht nur ein Konzept geprüft. Dadurch ist sichergestellt, dass die einmal formulierten Ziele – und diese sind, wie dargelegt, auch betriebswirtschaftlicher und strategischer Art – kontinuierlich umgesetzt und immer weiter verbessert werden. Bei der Zertifizierungsfeier der Firma Baur Ende 1998 konnte die erste Umwelterklärung an die Öffentlichkeit gegeben und ein erstes Fazit gezogen werden. Die Bilanz fiel erfreulich positiv aus. Eberhard Baur: “Das gesamte Projekt ist sehr gut gelaufen. Wichtiger als die Prüfung, die zu absolvieren ist, ist es jedoch, das System im Betrieb zu pflegen und lebendig zu erhalten.
Mit Öko-Audit entwickelt sich ein kleiner oder mittelständischer Betrieb also nicht nur in Sachen Umwelt ständig weiter. Eberhard Baur: “indem wir jetzt als zertifizierter Betrieb anerkannt sind und weiterempfohlen werden, sind wir gut im Geschäft. Das wiederum sichert Arbeitsplätze, den Standort und somit letztlich unsere Existenz.”
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