Kenntnis der Meßunsicherheit ist für die Vergleichbarkeit von Meßergebnissen sowie für das Treffen sicherer Prüfaussagen von großer Bedeutung. Am Lehrstuhl Qualitätsmanagement und Fertigungsmeßtechnik der Universität Erlangen-Nürnberg wurde ein Programm entwickelt, mit dem die Meßunsicherheit nach ISO-GUM für eine Reihe von Geräten der Längenmeßtechnik unter Angabe von Meßwert und Meßbedingungen auf einfache Weise ermittelt werden kann.
Prof. Dr.-Ing. A. Weckenmann, Universität Erlangen-Nürnberg, QFM
Jede Messung ist mit einer Unsicherheit behaftet. Beim Anwenden einfacher Meßgeräte wie Meßschieber und Meßuhren wird bisher meistens auf eine explizite Berechnung der Meßunsicherheit verzichtet. Vor dem Hintergrund der ISO 9000 und ISO 14253-1 (Entscheidungsregeln) wird die genaue Kenntnis und Protokollierung der Meßunsicherheit für alle Messungen immer bedeutender.
Berechnung der Unsicherheit nach GUM
Um dem Mangel an einer allgemein anerkannten Übereinkunft über die Behandlung der Unsicherheit im Meßwesen zu begegnen, wurde nach mehrjährigen Beratungen von 7 internationalen Organisationen im Auftrag des CIPM der „Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement (GUM)“ im Jahre 1995 veröffentlicht. Ziel dieses Leitfadens ist es, eine Anleitung zu geben, wie man Unsicherheiten berechnet, um eine Grundlage für den internationalen Vergleich von Meßergebnissen zu schaffen. Die im GUM vorgeschriebene Vorgehensweise zur Ermittlung der Unsicherheit ist wegen des Anspruchs auf Allgemeingültigkeit relativ schwierig und für die unmittelbare Anwendung in der täglichen Praxis kaum geeignet. Aus diesem Grund wurde ein Programm erstellt, mit dessen Hilfe die aufgabenspezifische Unsicherheit für Handmeßmittel der Längenmeßtechnik entsprechend der Vorgehensweise nach GUM ermittelt werden kann. Es läuft unter Windows 95/NT und ist für den Einsatz im Werkstattbetrieb oder Prüfplanung vorgesehen. Es ermöglicht auch Anwendern ohne Hinter-grundkenntnissen die Unsicherheit für durchgeführte Messungen GUM-konform zu bestimmen.
Programmbeschreibung
Die Funktionsweise wird am Beispiel einer Messung mit einer Bügelmeßschraube erläutert:
l Der Anwender gibt den Meßwert ein und wählt weitere für die Meßaufgabe zutreffende Eingangsfaktoren aus, wie z.B. Skalenteilungswert der verwendeten Meßschraube, Art der Messung, Werkstoff und Temperatur des Werkstücks, Temperatur der Meßschraube, Vertrauensniveau für die Angabe der erweiterten Unsicherheit, und löst die Berechnung der Unsicherheit aus.
l Im Programm ist das Modell der Messung in Form einer Gleichung abgelegt. Dabei werden nach Möglichkeit alle Einflußfaktoren auf den Meßwert berücksichtigt. Für Eingangsgrößen, die ebenfalls mit einer Unsicherheit behaftet sind, werden Wahrschein-lichkeitsverteilung (Dreieck-, Rechteck- oder U-Verteilung) sowie Ober- und Untergrenzen für den Wertebereich der Größe zweckmäßig bestimmt und bei der Berechnung der Standardunsicherheiten berücksichtigt.
l Aus der Modellgleichung werden durch partielle Ableitung Empfindlichkeitskoeffi-zienten für die jeweiligen Eingangsgrößen berechnet, die zusammen mit den Einzelunsicherheiten in die Berechnung der kombinierten Standardunsicherheit eingehen. Aus der kombinierten Standardunsicherheit wird durch Multiplikation mit einem von dem Vertrauensniveau abhängigen Faktor die erweiterte Standardunsicherheit bestimmt.
l Als Ergebnis der Berechnung wird die erweiterte Standardunsicherheit sowie eine Liste mit den prozentualen Anteilen der Einflußgrößen an der Gesamtunsicherheit angezeigt. Die Anzeige der prozentualen Anteile ist nützlich, um die Einflüsse zu erkennen, die für das Entstehen der Unsicherheit maßgeblich sind. Sollte eine Verringerung der Unsicherheit notwendig sein, können gezielte Maßnahmen zur Verminderung der Unsicherheit erstmals an dem Einflußfaktor mit dem größten Unsicherheitsbeitrag vorgenommen werden. In der aktuellen Version ist die Unsicherheitsberechnung für die Meßgeräte Meßschieber, Bügelmeßschraube, Meßuhr und Feinzeiger realisiert. Eine Erweiterung der Programmfunktionalität auf andere Meßgeräte und spezielle Meßaufgaben ist vorgesehen. Das Ausleiten der Ergebnisse in ein benutzerdefiniertes Format kann realisiert werden.
Weitere Informationen A QE 306
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