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Es werde Licht

1800 Magnete über 27 km auf den Zehntelmillimeter genau nivelliert
Es werde Licht

Damit die subatomaren Partikel im Teilchenbeschleuniger des Cern aufeinander treffen, werden sie von rund 1800 Magneten auf Spur gehalten und gebündelt. Um die Magneten mit wenigen Zehntelmillimetern Toleranz im düsteren Tunnel exakt einmessen zu können, hat Nedo ein spezielles LED-Beleuchtungssystem entwickelt, das die Latten nicht erwärmt und den Technikern des Cern ein exaktes Ablesen ermöglicht.

Woraus besteht das Universum? Wie funktioniert es? Wie entsteht Masse? Auf der Suche nach Antworten auf die größten Fragen der Physik werden am Cern kleinste Teilchen betrachtet, Produkte aus Protonen- und Ionen-Zusammenstößen im 27 km langen Ring des Large Hadron Collider (LHC).

Seit Ende 2009 ist der LHC inzwischen in Betrieb: In mehreren Vor-Beschleunigern werden die namensgebenden Hadronen auf über 99 % der Lichtgeschwindigkeit gebracht, bevor sie die 26 659 m lange, annähernd ringförmige Röhre in beide Richtungen umlaufen und dabei – so das Ziel – kollidieren. Detektoren erfassen die dabei freiwerdenden Teilchen, darunter auch neue Typen, die helfen sollen, bislang ungeklärte physikalische Fragen zu klären. Das berühmte Higgs-Boson beispielsweise, das im Juli 2012 am Cern entdeckt wurde, leistet einen großen Beitrag zum Verständnis von Masse und Wechselwirkungen subatomarer Teilchen. Für den Betrieb der gigantischen Anlage ist neben der Energie der beschleunigten Teilchen daher die Zahl der Kollisionen der entscheidende Funktionsparameter: Möglichst viele Zusammenstöße müssen in einem möglichst kleinen, genau definierten Bereich erfolgen, um auswertbare Daten zu erhalten.
Spezielle Invarnivellierlatten zur Einmessung der Magnete
Zur Kontrolle über die Bewegung der Protonen ist der LHC daher mit rund 1800 Magneten bestückt, darunter 1232 Hauptdipolmagnete, die die Teilchen in die Bahn zwingen, und circa 400 Quadropolmagnete, die den Partikelstrahl an den Kollisionspunkten bündeln. Jeder davon muss exakt ausgerichtet sein, um den gewünschten Steuerungseffekt zu erzielen – dies ist umso wichtiger, als der Ring keine perfekte Kreisform aufweist und zudem um 1,4 % geneigt ist. In den seltenen Wartungsphasen des Cern-Beschleunigers messen Techniker der SU-Vermessungsgruppe alle Magnete wieder ein und richten ihre radialen sowie vertikalen Positionen neu aus. Das Cern verwendet dazu hochpräzise Digital-Nivelliere, welche die Höhe von einer Invarlatte mit Barcode-Teilung auf wenige hundertstel Millimeter genau ablesen.
Für Längenveränderungen praktisch unempfindlich
„Invar hat den Vorteil, dass es mit einem Wärmeausdehnungskoeffizienten von weniger als 1,5×10–6 für Längenveränderungen durch Wärme oder Kälte praktisch unempfindlich ist“, erklärt Dr.-Ing. Thomas Fischer, einer der Geschäftsführer vom Nedo, die die Messlatten für das Cern gerliefert haben. „Diese Eigenschaft ermöglicht überhaupt erst eine so exakte Messung.“ Das Invarband liegt in einem Profil aus verwindungssteifem, eloxiertem Aluminium und wird mit einer sehr weichen Feder gespannt, um auch den Dehnungskoeffizienten des Lattenkörpers zu kompensieren. Zudem wird der Barcode per Laser unter beinahe Reinraum-Bedingungen aufgebracht, um eine sehr genaue Teilung zu gewährleisten.
Beleuchtung als entscheidender Faktor für Nivellierpräzision
Die schlechte Beleuchtung im Tunnel des LHC allerdings machte diesen großen Präzisionsaufwand bislang häufig zunichte: Wie die Forschungen von Prof. Fritz K. Brunner und Dr. Helmut Woschitz an der Technischen Universität Graz gezeigt haben, ist eine homogene Lichtverteilung essenziell für den zuverlässigen Einsatz von Bar-code-Latten. Die Vermessungstechniker am Cern mussten sich jedoch mit Hilfsscheinwerfern behelfen, damit die Latten überhaupt abgelesen werden konnten. Dies kostete nicht nur einen wertvollen Teil des ohnehin knappen Zeitfensters, sondern führte auch wiederholt zu Fehlern. „Im besten Fall meldet das Nivellier dann, dass es nicht messen kann. Im schlimmsten Fall liefert es unbemerkt einen falschen Wert“, so Fischer.
Um diese Fehler zu verhindern, entwickelte Nedo eine spezielle Messlatten-Beleuchtung auf Basis von Leuchtdioden. Diese haben den Vorteil, dass sie kaum Wärmestrahlung abgeben und das Invarband nicht beeinflussen. Rund 560 LEDs werden für eine 3 m-Latte benötigt. Sie werden in eine Vorsatzoptik rechts und links der Latte angeordnet und strahlen in einem 45°-Winkel auf die Oberfläche, wodurch zum einen eine gleichmäßige Ausleuchtung sichergestellt und zum anderen die Sicht von vorne nicht behindert wird. Das Licht der Dioden ist gelblich, entsprechend der Hintergrundfarbe des Barcodes. Auf diese Weise werden eine optimale Reflektion und ein sehr hoher Kontrast erreicht.
Flexibel einsetzbar dank Akkubetrieb
Die Anlage lässt sich einfach an jede Invarlatte des Herstellers anklemmen und ist sofort einsetzbar, Bohr- oder Klebearbeiten sind dafür ebenso unnötig wie eine besondere Einweisung. Betrieben wird das System mit abnehmbaren Akkus, was es kompakt und auch in schwierigen Umgebungen flexibel einsetzbar macht. Dank des hohen Wirkungsgrads der LEDs reicht eine Ladung je nach Länge und Barcode für fünf bis zehn Stunden Betrieb aus. Auch wird die Lichtstärke über die gesamte Laufzeit nicht schwächer, so dass die Techniker im Tunnelsystem ohne Unterbrechung lange effizient messen können. Die integrierte Ladungsanzeige verhindert zudem einen überraschenden Ausfall der Beleuchtung.
Im Mai und Juni 2013 nutzte das Cern die anstehende Messkampagne für ausführliche Tests die LED-Beleuchtung. So wurde unter anderem der Schleifenschlussfehler betrachtet, der den Höhenunterschied zwischen dem ersten und dem letzten Messwert einer geschlossenen Schleife angibt. Dabei zeigte sich, dass die beleuchteten Invarlatten eine wesentlich schnellere und dennoch deutlich genauere Messung ermöglichten als das bisherige Behelfssystem. Die Ergebnisse aus diesen Versuchen wurden auch in einer eigenen Diplomarbeit zusammengefasst und analysiert. Die beiden eingesetzten beleuchteten Invarlatten sind seitdem fester Bestandteil der Messmittel zur Wartung des LHC. ■
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