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Genauigkeiten auf dem Prüfstand

Kenngrößen und Prüfverfahren für Koordinatenmessgeräte nach internationalen Normen
Genauigkeiten auf dem Prüfstand

Von den Herstellern von Koordinatenmessgeräten werden heute unterschiedliche Genauigkeitsspezifikationen angegeben. Hier finden sich praktisch alle Bezeichnungen wieder, die in verschiedenen Richtlinien und Normen definiert sind. Die darin festgelegten Annahmeprüfungen führen viele Hersteller aber nicht durch.

Am Anfang stand die Genauigkeitsspezifikation der CMMA (Coordinate Measuring Machines Manufacturers Association, 1982), es folgten die erste Richtlinie VDI/VDE 2617 Blatt 2.1 (1986) und die erste Norm DIN ISO 10360 Teil 2 (1992):

  • Längenmessunsicherheit U (U1 in einer Achse, U2 in der Ebene, U3 im Raum)
  • Längenmessunsicherheit E (E1, E2, E3)
  • Längenmessabweichung E0 (E0X, E0Y, E0XY)
  • Längenmessabweichung E0, EL
Daneben tauchen weitere Begriffe auf, die alleine der Phantasie der Hersteller entspringen, dazu gehören Genauigkeit, Messgenauigkeit, Volumetrische Genauigkeit oder Punkt-zu-Punkt-Distanzabweichung.
In der Regel ist immer dasselbe gemeint, nämlich die Längenmessabweichung, wie sie in DIN EN ISO 10360 Teil 1 (2003) definiert ist. Die entsprechenden Normale und Prüfverfahren sind in DIN EN ISO 10360 Teil 2 (2010) festgelegt. Während früher nur Parallel- und Stufenendmaße eingesetzt werden durften, sind inzwischen auch andere Normale zulässig. Dazu gehören Kugelstäbe und Kugelplatten sowie Laserinterferometer, kombiniert mit einem mechanischen Taster.
Es werden sieben Messlinien geprüft, jeweils drei parallel zu den drei Koordinatenachsen etwa in der Mitte des Messvolumens und vier in den Raumdiagonalen. In jeder Messlinie sind fünf verschiedenen Messlängen zu prüfen, die über den Messbereich gleichmäßig abgestuft sein sollen, und deren längste mindestens 66 % des jeweiligen Messbereiches erreicht. Jede Messlänge ist dreimal zu messen, so dass insgesamt 105 Längen geprüft werden. Bewertet wird die Abweichung der angezeigten Länge von der kalibrierten Länge des Normals, die nicht größer als der Grenzwert der Längenmessabweichung sein darf. Der wird meist in der Form E0, MPE = ( A + L / K ) µm angegeben, wobei der Koordinatenmessgeräte-Hersteller die Werte für A und K festlegt und L die aktuelle Messlänge ist. Zusätzlich wird aus den jeweils drei Messwerten die Wiederholspannweite R0 bestimmt, die nicht größer als ihr Grenzwert R0, MPL sein darf.
Wird ein Normal mit kugelförmigen Messflächen eingesetzt, muss jeder angezeigte Wert um die Messabweichung an einem kurzen Endmaß korrigiert werden, um vergleichbare Verhältnisse wie bei den langen Endmaße zu erreichen.
Neu ist in der DIN EN ISO 10360 Teil 2 (2010) ein zusätzlicher Test der Längenmessabweichung EL mit einem seitlich auskragendem Taster, um den Einfluss der Rotation um die Achse der Pinole zu prüfen (Titelbild: KDK Kalibrierdienst Kopp GmbH, Wiesloch). Dieser Taster soll standardmäßig eine Länge von 150 mm haben, und der Hersteller muss dafür einen Grenzwert EL, MPE in der oben angegebenen Form festlegen. Auch hier werden in zwei senkrechten Ebenen je fünf verschiedene Messlängen dreimal gemessen, so dass weitere 30 Messlängen dazukommen.
Diese zusätzliche Prüfung muss bei jeder Annahmeprüfung durchgeführt werden. Die Erfahrung zeigt leider, dass die Hersteller meist weder den Grenzwert EL, MPE in ihrem Verkaufsprospekt angeben noch die entsprechende Prüfung durchführen.
Ähnliches gilt für die Antastabweichung: In der DIN ISO 10360 Teil 2 (1992) wurde die Prüfung der Formabweichung PF mit einem Einzeltaster an einem Kugelnormal definiert. Moderne Koordinatenmessgeräte messen aber nicht nur mit einem, sondern mit mehreren Tastern oder mit einem Dreh-Schwenk-Gelenk in verschiedenen Tasterstellungen. Nach DIN EN ISO 10360 Teil 5 (2011) sind deshalb weitere Kenngrößen zu prüfen:
  • Einzeltaster-Formabweichung PFTU
  • Mehrfachtaster-Formabweichung PFTj
  • Mehrfachtaster-Maßabweichung PSTj
  • Mehrfachtaster-Ortsabweichung PLTj
Alle Prüfungen werden an einer Prüfkugel durchgeführt, die an einem anderen Ort im Messvolumen als die Einmesskugel aufgestellt ist. Es werden fünf Taster beziehungsweise Tasterstellungen geprüft, die jeweils senkrecht zueinander stehen sollen, und jedesmal wird die zugängliche Halbkugel mit 25 Punkten gemessen. Für die Mehrfachtaster-Form- und Maßabweichungen werden alle 125 Punkte zusammen ausgewertet. Die Mehrfachtaster-Ortsabweichung wird als größte Koordinatendifferenz zwischen den fünf einzelnen Kugelmittelpunkten bestimmt. Auch hier geben die Hersteller meist keine Grenzwerte oder nur auf ausdrückliche Nachfrage an, und die in der Norm festgelegten Annahmeprüfungen werden meist nicht durchgeführt. Dabei gibt gerade dieser Test eine schnelles und aussagekräftiges Bild für die richtige Funktion des Messkopfes und ist deshalb zur Beurteilung des Koordinatenmessgeräts unverzichtbar. Darüber hinaus sollte dieser Test auch vom Anwender in relativ kurzen Intervallen selbst durchgeführt werden, um mögliche Fehler kurzfristig zu erkennen.
Bei der Bewertung der Abweichungen auf die Einhaltung der Spezifikation ist zusätzlich die Messunsicherheit zu berücksichtigen, wie es in der Norm DIN EN ISO 14253 Teil 1 (2013) festgelegt ist: Der Hersteller muss die festgelegten Grenzwerte um seine Messunsicherheit einschränken, um nachzuweisen, dass sein Koordinatenmessgerät die Spezifikation erfüllt.
Diese Testunsicherheit wird nach der Technischen Spezifikation DIN ISO/TS 23165 (2008) ermittelt. Bei Längenmessungen gehört dazu mindestens die Kalibrierunsicherheit der Normale. Werden die Längenmessabweichungen mit der rechnerischen Temperaturkompensation des Koordinatenmessgeräts bestimmt, kommen die Beiträge für die Temperaturmessung an den Normalen und die ungenaue Kenntnis ihrer Ausdehnungskoeffizienten hinzu. Deshalb ist die Testunsicherheit mit Temperaturkompensation größer als ohne, die Messabweichungen sind aber in der Regel deutlich kleiner.
Die Längenmessabweichungen müssen für alle neun Messlinien in Diagramme eingezeichnet werden, die auch die Grenzwerte und die Testunsicherheiten darstellen. Auch hier zeigt die Erfahrung, dass die Testunsicherheiten meist nicht ermittelt und berücksichtigt werden. Beste Chancen für die normgerechte Annahmeprüfung bestehen dann, wenn das Koordinatenmessgerät von einem Dienstleister geprüft wird, der dafür von der Deutschen Akkreditierungsstelle (Dakks) akkreditiert ist. ■

Der Autor

40298197

Dr. Michael Hernla
Freiberuflicher Ingenieur
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