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Große Vorteile durch Big Data

Das Auswerten riesiger Datenmengen ist in der Qualitätssicherung angekommen
Große Vorteile durch Big Data

Das Sammeln und schnelle Analysieren großer Datenmengen wird zum großen Thema für die Qualitätssicherung. Verschiedene Beispiele aus dem Automobil- und Maschinenbau-Umfeld belegen die Vorteile von Big Data.

Die Qualität von Folien hängt hochgradig von den Einstellungen an den Maschinen ab. Mehr als 10 000 Parameter gibt es beispielsweise bei den Produktionsanlagen von Brückner Maschinenbau, mit denen verschiedenste Folientypen gefertigt werden – als hochwertiges Verpackungsmaterial und für technischen Anwendungsbereiche wie zum Beispiel Kondensatoren, Solar-Module oder Displays. Um den steigenden Qualitätsanforderungen der Kunden gerecht zu werden, überwacht und analysiert der Maschinenbauer aus dem bayerischen Siegsdorf die Folienproduktion permanent. Dies erfolgt einerseits manuell durch Qualitätsprüfungen im Labor und andererseits automatisch durch die kontinuierliche Erfassung von Sensor- und Messdaten wie Temperaturen, Drücke, Geschwindigkeiten und Foliendicke.

Um die von den Produktionsanlagen generierten Sensordaten zuverlässig erfassen und effizient analytisch weiterverarbeiten zu können, entwickelte Brückner Maschinenbau gemeinsam mit einem IT-Dienstleister ein dezentralisiertes System, das Produktions- und Prozessdaten in hoher Frequenz speichern und in Echtzeit analysieren kann: Das Sensornetzwerk, die Inline-Messsysteme und die Kamerainspektionssysteme erzeugen an einer Produktionsanlage jährlich mehrere Terabyte an Prozess- und Qualitätsdaten. Die Erfassungsrate der Daten bewegt sich im Bereich von Millisekunden, Sekunden und Stunden bis hin zur Batch- Verarbeitung. An einer Produktionsanlage werden bis zu 100 000 Datenpunkte erfasst, welche eine Update-Rate von durchschnittlich 1000 Updates pro Sekunde erzeugen.
Dieses Predictive-Maintenance-Beispiel zeigt: Big Data – also das Sammeln und Analysieren großer Datenmengen – ist längst in der Qualitätssicherung angekommen. Kein Wunder: Industrie 4.0, also die Digitalisierung der Fabrik, erfordert die Vernetzung nicht nur von Produktionsmaschinen, sondern auch von Messgeräten in oder an der Fertigungslinie. „Doch das Sammeln von Daten alleine reicht nicht“, mahnte Dr. Rainer Ohnheiser, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Zeiss IMT, auf der Control 2015 in Stuttgart. „Um die Komplexität der riesigen Datenmengen zu beherrschen, welche die Messgeräte erzeugen, braucht es nicht Big Data, sondern Smart Data, also intelligente Daten. Nur so wird aus messtechnischen Daten Wissen.“ Dieses Wissen auf Basis vernetzter Daten könne beispielsweise genutzt werden, um Produktionsentscheidungen zu treffen. Für die Dokumentation der vernetzten Prozesse hat Zeiss die Qualitätsdatenmanagement-Software Piweb im Programm, bei der die messtechnischen Daten – auch von Geräten der Wettbewerber – in einer Zeiss-Cloud gespeichert werden. Hier werden die Informationen so stark verdichtet, dass sie Korrekturwerte für Roboter und andere Automatisierung liefern können. Letztlich lässt sich laut Ohnheiser damit ein höherer Automatisierungsgrad in der Fertigung erreichen. „Wir sehen in Big-Data-Anwendungen in der Messtechnik ein riesiges Potenzial für die Zukunft – und Piweb kann in diesem Szenario die globale Plattform im Bereich der Qualitätssicherung werden.“
Mit dem Thema Produktionsintelligenz befasst sich auch die Zeiss-Tochtergesellschaft OIM in einem Forschungsprojekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Gemeinsam mit dem Softwarehersteller Jedox, dem Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM und dem Sensorhersteller Micronas wird beim Automobilzulieferer Fischer IFM, einem Stanz- und Umformspezialist mit Sitz in Endingen am Kaiserstuhl, erforscht, wie sich die großen Mengen an Messdaten aus Produktionsanlagen mit Hilfe leistungsstarker Software in Echtzeit auszuwerten lassen.
Dabei soll die Inline-Fehlerermittlung bei Fischer IMF künftig anhand bildgebender Zeiss-Sensoren unterstützt werden. Diese Bilddaten werden im Anschluss durch Steuer- und Auswertesysteme des Fraunhofer IPM zu Fehlervektoren verarbeitet. Mittels einer multidimensionalen Datenbank sowie In Memory-Datenverarbeitung von Jedox sollen die Daten analysiert und die Fehler klassifiziert werden. Aus dieser Datenanalyse werden daraufhin Maßnahmen abgeleitet, an das Fischer-Fertigungssystem zurückgekoppelt und fehlerhafte Produkte in Echtzeit aus der Produktionsstraße entfernt. Abschließend soll auf Basis der historischen Daten eine vorausschauende Wartung der in den Prozess eingebundenen Maschinen im Rahmen prädiktiver Analysen möglich werden.
Mercedes-AMG nutzt Big Data in der Motorenprüfung
Der Fahrzeughersteller Mercedes-AMG setzt seit 2014 auf Big Data – und zwar in der Motorenprüfung: Er wertet mit einer übergreifenden Messdatenplattform für Motorenprüfstände alle Sensordaten aus, die bei einem Testzyklus entstehen. Mehrere hundert Sensoren – zum Beispiel für Öldruck, Kühlung oder Abgas – übergeben Messwerte in unterschiedlichen Frequenzen zwischen 0,1 und 1.000 Hz. Um die hierbei sehr schnell entstehenden sehr große Datenmengen effizient in Echtzeit analysieren zu können, kombiniert Mercedes-AMG die leistungsfähige SAP In-Memory-Datenbank Hana mit der Big-Data-Technologie Hadoop für die Speicherung von vorangegangenen Messreihen. Damit können hunderte von Messläufen von verschiedensten Parametern ausgehend in Sekunden angezeigt und analysiert werden.
„Die neue Messdatenplattform in der Motorenprüfung eröffnet völlig neue Möglichkeiten“, erklärte Reinhard Breyer, CIO von Mercedes-AMG im Vorfeld des Big-Data-Strategiedialogs des Cintelligence-Netzwerks in diesem Sommer. „So werden mit Hilfe der Datenanalyse Entwicklungsprozesse optimiert und beschleunigt sowie die Qualitätssicherung der High-Performance-Triebwerke von Mercedes-AMG perfektioniert. Der Big-Data-Einsatz hat Analyse- und Auswertezeiten deutlich verkürzt und die Analysequalität verbessert. Die effizienter gemanagten Prüfkapazitäten kommen wiederum der Entwicklung und der Qualität von neuen Triebwerken zugute.“
Eine Problematik war laut Breyer die vorgelagerte Datenharmonisierung: Um Massendaten vergleichbar oder analysierbar zu machen, müssen sie strukturell harmonisiert werden. Ein Beispiel war die Aufnahmefrequenz der Datenlogger in der Lösung. „Es macht einen großen Unterschied, ob ein Messdatenlogger pro Hertz oder Milli-Hertz Daten überträgt“, so der CIO.
Heute ergibt sich für den Fahrzeughersteller aus der Big-Data-Anwendung ein breites Spektrum an innovativen Ideen. Breyer: „Unser Fachbereich nutzt die vielfältigeren und performanteren Analysemöglichkeiten. Das bedeutet: mehr inhaltliche Analyse statt manueller, punktueller, personalintensiver und zeitraubender Datenaufbereitung. Jetzt unterstützen wir den massiven Ausbau der Plattform, um alle Messdaten im Entwicklungs- und Produktionsprozess schnell und effizient analysierbar zu machen.“
Die Messdatenplattform bietet Mercedes-AMG auch die Grundlage für Predictive Analytics, so Breyer: „In dieser Technologie sehen wir großes Potenzial, etwa um künftig den Entwicklungsprozess durch Simulationen von Messwerten in den Prüfständen zu unterstützen. Aber auch die übergreifende Prozessanalyse von Ereignissen und Messwerten aus den Entwicklungs- und Produktionsprozessen enthält spannende Felder, die wir bei der Geschäftsprozessentwicklung berücksichtigen.“
Ein mittelständisches deutsches Automobilzulieferunternehmen – es entwickelt und produziert Sensoren und elektronische Komponenten für Erstausrüster im Pkw- und im Nutzfahrzeug-Segment – hat mithilfe von Big Data seine notwendigen Kalibrierungspunkte um rund 99 % reduzieren und damit den Kalibrierungsprozess deutlich beschleunigen können.
Sieben Messpunkte statt ursprünglich 500
Die Lösung, die gemeinsam mit Robotron Datenbank-Software, Dresden, entwickelt wurde, umfasste die Regressionsanalyse von 51,5 Mio. Messungen aus dem Produktionsprozess. Vor der Maßnahme wurde bei jedem Sensor zur Kalibrierung an über 500 Messpunkten der magnetische Fluss gemessen. Durch Big Data konnte die Kombination der sieben aussagekräftigsten Messpunkte gefunden werden. Diese sieben Messpunkte erlauben die gleiche Qualität der Kalibrierung wie die ursprünglichen 500 Messpunkte.
Die Daten, welche dieses Big Data-Projekt ermöglichten, waren laut Robotron beim Unternehmen vorher bereits vorhanden. Allerdings wurde das in ihnen vorhandene Potenzial nicht vollständig ausgeschöpft. Anderen Unternehmen empfiehlt der Datenbank-Software-Spezialist daher, den möglichen zusätzlichen Nutzen aus bereits routinemäßig verwendeten Daten oder gar vermeintlichen Datenfriedhöfen nicht zu unterschätzen. Vor diesem Projekt hatte der Automobilzulieferer beispielsweise eine Verringerung der Kalibrierungsschritte um 10 % als ausreichend angesehen, aber tatsächlich wurde eine Verringerung um circa 99 % erreicht.
Das IT-Beratungshaus Experton Group rät Anwendern, den Fokus von Big-Data-Projekten auf neue, datengetriebene Geschäftsmodelle zu legen. „Schließlich nützt es den Unternehmen nur bedingt, wenn mittels teuer erkaufter In-Memory-Technologie ein Report in weniger als einer Sekunde auf dem Bildschirm erscheint, wo zuvor 60 Minuten erforderlich waren. Realtime-Informationen können jedoch geschäftsentscheidend werden, wenn sie richtig in den Geschäftsprozessen eingesetzt werden“, sagt Holm Landrock, Senior Advisor bei der Experton Group. Big Data bedeutet seiner Meinung nach, „aus dem Blick auf immer mehr Daten zu neuen Erkenntnissen zu kommen und nicht nur alte Erkenntnisse auf mehr Daten zu stützen“. ■
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