Wer wissen möchte, ob ein Apfel Pestizide enthält oder eine Stelle am Gebrauchtwagen nachlackiert wurde, muss künftig nur sein Mobilgerät zücken. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF) haben eine App mit dem Namen Hawkspex mobile entwickelt, mit der sich das Smartphone wie eine Hyperspektral-Kamera nutzen lässt.
„Der Anwender braucht für die Messung nichts weiter als die Kamera, die ohnehin in seinem Smartphone integriert ist“, sagt Professor Udo Seiffert, Kompetenzfeldleiter am Fraunhofer IFF. Dafür wählten er und sein Team einen besonderen Ansatz. Denn üblicherweise justiert eine Hyperspektral-Kamera jeweils auf verschiedenfarbiges Licht und ermittelt, wie viel Licht dieser Farbe das Objekt zurückwirft. So erstellt sie einen gesamten spektralen Fingerabdruck des Gegenstands. Aus diesem können die Forscher über ein mathematisches Modell beinahe beliebige Informationen über das Objekt extrahieren – wie etwa die Inhaltsstoffe.
„Da im Smartphone keine Hyperspektral-Kamera integriert ist, haben wir dieses Prinzip einfach umgedreht“, erläutert Seiffert. „Wir haben mit der Kamera einen breitbandigen dreikanaligen Sensor – also einen, der alle Wellenlängen misst – und beleuchten den Gegenstand mit Licht unterschiedlicher Farbe.“ Das heißt: Nicht die Kamera misst die Lichtintensität in den verschiedenen Farben, sondern das Display beleuchtet das Objekt nacheinander in Sekundenbruchteilen in einer Reihe von unterschiedlichen Farben.
Wirft das Display also nur rotes Licht auf das Objekt, kann das Objekt auch nur rotes Licht reflektieren – und die Kamera nur rotes Licht messen. Intelligente Auswertealgorithmen sorgen dafür, dass die App mit der begrenzten Rechenleistung eines Smartphones auskommt und die eingeschränkten Leistungen von Kamera und Display kompensiert.
Der Bedarf an einem solchen System sei von Kunden an die Forscher herangetragen worden, berichtet Andreas Backhaus, Research Manager am Fraunhofer IFF. „Man hat gesehen, dass man mit der Technologie viele Probleme lösen kann. Doch es gab Bedarf, diese so herunterzubrechen, dass sie sich quasi als Massenprodukt nutzen lässt – kostengünstig und mit Hardware, die man in der Tasche mit sich trägt.“
Kostengünstige Qualitätskontrolle –
auch im industriellen Umfeld
Die App ist daher nicht nur für Privatnutzer, sondern auch im kommerziellen Bereich von großem Interesse. So lassen sich mit ihr Bereiche erschließen, bei denen sich ein Präzisionsmessgerät nicht lohnen würde. Beispiele sind die Qualitätskontrolle von Lebensmitteln, die Wirksamkeit von Kosmetikprodukten oder auch die Landwirtschaft. Der Landwirt kann so beispielsweise auf einfachem Weg Aussagen dazu erhalten, ob seine Pflanzen ausreichend mit Nährstoffen versorgt sind oder ob er zum Dünger greifen sollte.
„Es sind so zahlreiche Einsatzbereiche denkbar, dass der Markt uns sicherlich überrennen wird“, glaubt Seiffert. Derzeit sei geplant, die App Ende 2017 auf den Markt zu bringen.
Dabei setzen die Wissenschaftler auf einen Ansatz, der dem Online-Lexikon Wikipedia nachempfunden ist. Nutzer sollen neue Anwendungen – zum Beispiel die Beurteilung der Belastung von Salatköpfen mit Pflanzenschutzmitteln – kreieren, indem sie das System für eine solche Fragestellung anlernen. Das heißt: Sie vermessen etwa behandelte und unbehandelte Salatköpfe verschiedener Sorten mit der App und schicken die Daten zum Fraunhofer IFF. Dort prüfen die Forscher die Messungen und schalten die Anwendung für alle Nutzer frei. ■
Der Autor
Markus Strehlitz
Redaktion
Quality Engineering