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Kamerabasierte Farbbildanalyse

Vom Laborgerät zur online Prüfung
Kamerabasierte Farbbildanalyse

Die industrielle Bildverarbeitung mit ihren Methoden und Verfahren zur automatischen Sichtprüfung und berührungslosen Meßtechnik stellt nicht nur für Einzelanalysen außerhalb der Fertigungsprozesse sondern immer häufiger in den Prozessen selbst eine wichtige Komponente dar.

Dipl.-Ing.. Andrea Friedrich, Vertriebsleiterin BV, Graphikon GmbH, Berlin

In vielen Unternehmen der Industrie entscheidet die Sichtprüfung durch den Menschen oftmals über die Qualität der Produkte. Die visuelle Inspektion des Menschen bei heutigen Produktionstakten von > 200 Stück/min. hat als objektive Qualitätssicherung jedoch keine Chance. Im Gegensatz zur menschlichen Kontrolle ist durch den Einsatz von Bildverarbeitungssystemen eine Prüfung in online-Verfahren mit Takt-raten > 1000 Stück/min. möglich und bringt vor allem Vorteile wie Reproduzierbarkeit der Meßergebnisse, hohe Meßgenauigkeit, Zuverlässigkeit, Objektivität und Dokumentierbarkeit mit sich.
Obwohl beim menschlichen Sehen die Farbwahrnehmung zweifellos eine grundlegende Bedeutung besitzt und im Bereich der technischen Bildwiedergabe das Farbfernsehen, die Farbfotografie und der Farbdruck selbstverständlich geworden sind, dominiert in der industriellen digitalen Bildanalyse immer noch die Grauwertverarbeitung. Überwiegend sind Bildverarbeitungssysteme installiert, die Bilder von s/w-Kameras auswerten. Die Bilder dieser Kameras werden unabhängig vom Bildinhalt auf 256 Graustufen ab-gebildet. Anwendungsaufgaben, wie Vermessung, Lageerkennung, Vollständigkeitskontrolle, Objekt- und Schrifterkennung sowie Oberflächenkontrolle sind in der Mehrzahl der Fälle mit derartigen Systemen realisierbar. Typische Verfahren, die zum Einsatz kommen, sind u.a. Kontrast-anpassung, Schwellwert-operationen, Filteroperationen, Segmentierung zur Erkennung und Vermessung einzelner Bildstrukturen oder Erzeugung von Histogrammen. Die Ableitung flächenhafter Informationen kann auf Basis von Grauwertschwellen oder Texturmerkmalen erfolgen.
Doch immer häufiger ist Farbe zum Teil für eine Problemlösung unverzichtbar. In vielen Fällen kann aber auch die Nutzung von Farb-informationen eine Erkennungsaufgabe im Vergleich zur Grauwertverarbeitung so vereinfachen und die Ergebnisse verbessern, daß der Mehraufwand gerechtfertigt ist bzw. sogar an anderer Stelle ausgeglichen wird. Als Beispiel sei hier nur die Unterscheidung von Kanten von Objekten und von Schatten genannt.
Die mit Farbe speicherbare Information kann um Größenordnungen höher sein als bei der Grauwertverarbeitung. Die Farbinformation kann außerdem selbst bei schlechten bzw. wechselnden Helligkeiten noch als sicheres Merkmal zur Objekt- bzw. Strukturerkennung eingesetzt werden, wenn eine Entscheidungsfindung anhand von Grauwerten nicht mehr möglich ist.
Die Hinzunahme der Farbinformation kann hier von Vorteil sein, denn eine Klassifika-tion der einzelnen Bildpunkte anhand ihrer Farbe führt unmittelbar zu flächenhaften Informationen über Lage und Form von Ob-jekten.
Die Einbeziehung von Farbinformationen erlaubt auch eine zusammenhängende Abbildung von Regionen und Objekten, die unterschiedlich stark beleuchtet sind, unterschiedliche Helligkeitswerte, aber den gleichen Farbwert aufweisen (Schatten). Damit wird auch die Trennung gesuchter Objekte von einem sich kaum unterscheidenden Hintergrund möglich (durchsichtiger Kleber auf einem Substrat).
Es wurden technisch nutzbare Farbräume (HSI/HSV, Hue (Farbton), Saturation (Sättigung), Intensity oder Value für Intensität) entwickelt, die eine maschinelle Auswertung mit geringen Datenmengen erlauben.
Warum trotz der genannten Vorteile immer noch Graubildverarbeitungssysteme bevorzugt eingesetzt werden, liegt vor allem in folgenden Gründen:
u Die Komponenten der Farbbildverar- beitungssysteme, speziell Rechnerhard- ware und Farbkameras waren und sind auch heute noch etwas teurer gegenüber Grauwertsystemen.
u Es müssen neue Lösungsansätze für Vor- verarbeitungs- und Auswerteoperationen gefunden werden.
So ist beispielsweise durch die enorme Menge von Farbwerten eine effektive Unterscheidung von Störungen ohne relevante Bildinhalte zu ändern hier noch notwendiger als in der Grauwertver- arbeitung.
Die Technik
Graphikon hat ein Farbbildanalysegerät entwickelt, daß folgende Komponenten umfaßt:
l ein Sortiment angepaßter und ansteuerbarer Beleuchtungen mit genau definiertem „Licht“ (das Umgebungslicht beeinflußt den Farbeindruck). Dazu gehören auch definierte farbige Beleuchtungen.
l ein Sortiment geeigneter Farbkameras (Zeile/Matrix; 1Chip/3Chip, TDI-Zeilen) und geeigneter Synchronisationen zur Sicherung reproduzierbarer Farben.
l Universalrechner (PC, Pentium Pro) mit geeignet eingebundenem Framegrabber für eine effektive Farbbildverarbeitung sowie Ansteuerungen für die Sortimente der Kameras und Beleuchtungen.
l spezielle Framegrabber mit Look-up-Tabellen
l ein weiterentwickeltes Tool-Paket Visilab zur Farbbildanalyse mit unterschiedlichen Ein/Ausgabe-Funktionen.
Hauptsächlich sind zwei Grundvarianten des Farbbildanalysegerätes im Hinblick auf den Einsatz in online-Prozessen lieferbar:
  • 1. für eine zeitunkritische Auswertung von ca. 0,5…3 s/Bild oder stationär im Labor.
  • 2. für echtzeitfähige Auswertungen, in der Regel für quasi-endlose Prozesse oder schnell bewegte Objekte.
Der Funktionsumfang
Das Farbbildanalysegerät enthält eine umfangreiche Bildverarbeitungsbibliothek, in der u.a. folgende Algorithmen/Funktionen bereitgestellt werden:
l Farbraumtransformationen in HSI und HSV-Farbraum. Eine Erweiterung auf andere Farbräume (z.B. CIE-Lab-Farbraum) ist einfach möglich.
l Farbklassifikator (Anlauffarben erhitzter Drähte, Analyse farbiger Flüssigkeiten).
l Geeignete Filterfunktionen für die jeweiligen Farbräume zum Hervorheben lokaler Farbstörungen.
l Farbstatistik: Verteilung von Farbwerten zur Sicherung einer Mischungshomogenität (Granulate; Tabak, Tee, Kaffee; Beläge von Petersilie, Ketchup, Käse auf Pizzas; Verteilung von Wurstkomponenten, wie Gewürze, Fett, Fleisch).
l Farbstatistik: Bestimmung von Farbwerten zur Steuerung von Erwärmungsvorgängen (Bräunungsgrad von Backwaren) oder zur Bestimmung von Homogenitäten (Tablettenoberflächen, Baumwolle; Qualitätskontrolle von lackierten Oberflächen hinsichtlich einer einheitlichen Färbung aller Baugruppen als auch der Gleichheit der Färbung über längere Zeiträume während des Fertigungsprozesses; Bestimmung von Farbabweichungen bei Scheinwerferreflektoren; Blütenblätter von Pflanzen).
l Regionsanalyse: Bestimmung der Lage und Form ausgewählter farbiger Objekte (Verkehrszeichen; Prüfung von Kleberraupen auf Bauelementen).
l Erkennung farbiger Codes und farbig markierter Objekte (Ampullen, Bauelemente).
l Verfahren zur Reduzierung von Farbwerten abhängig von der Aufgabenstellung.
l Verfahren zur Einbeziehung von Nachbarschafts- und Kanteninformationen zur Definition geeigneter Farben insbesondere an Regionsgrenzen (Mischfarben).
l Finden von Objekten (Kreise, Linien und Ecken).
l Finden von Kanten mit Subpixelgenauigkeit.
l Blobanalyse
l Kalibrierung der mit der Kamera erfaßten Bilder, um Verzerrungen der Aufnahmeoptik auszugleichen; Verwendung eines Nutzerkoordinatensystems.
Es werden Schnittstellen für den flexiblen Austausch von Hardwarekomponenten bereitgestellt. Damit kann eine existierende Hardware modifiziert werden, so daß das System an neue Prüfaufgaben oder Umgebungsbedingungen nur durch Änderung der Hardwarekonfiguration (Kamera, Framegrabber, Beleuchtung) angepaßt werden kann.
Beispielapplikationen
1. Überwachung der Anlauffarben von im Glas eingeschlossenen Drähten
Die Zielstellung besteht darin, die Farbqualität der Metalldrähte zu erfassen und festzustellen, ob nach dem Verschmelzen diese dem Glas korrekt verbunden sind und eine Luftdiffusion verhindert ist. Die Qualitätskontrolle erfolgt auf Basis der Farbverarbeitung. Die im Glas eingeschlossenen Bereiche werden mit einer Farbkamera inspiziert. Die zu untersuchenden Drahtbereiche idealer Gutteile zeichnen sich durch eine durchgehende und gleichmäßig Färbung aus. Fehler äußern sich in einer farblichen Veränderung. Verbrannte Bereiche erscheinen grau bis schwarz. Bläschenbildungen führen je nach Größe und Anordnung zu hellen Reflexionen oder einer silbrig erscheinenden Oberfläche. Aus der Anordnung der Bildpunkte in der Gutfarbe wird durch geeignete Verfahren eine Gut-Schlecht-Unterscheidung abgeleitet. Dies wird durch Definition eines Gutfarbenbereiches erreicht, der auf Basis umfangreicher Experimente bereits eingestellt vorliegt. Eine Ansicht eines Drahtes wird als korrekt eingeordnet, wenn der flächenhafte Anteil des Gutfarbenbereiches ausreichend groß ist.
Anwendungsbereich:
Hersteller von Glühlampen und anderen Beleuchtungskomponenten.
Überwachung von Anlauffarben von Metallen.
2. Erkennung von Farbcodes
Farbcodes werden zur Identifizierung von Objekten verwendet, um diese entweder in weiteren Prozessen verfolgen zu können, oder sie mit anderen, zu diesen Farbcodes gehörenden Informationen zu vergleichen. Mit Hilfe einer Farbkamera wird der Code erfaßt.
Das Bildverarbeitungssystem führt eine Farbklassifikation durch und gibt eine Farbkombination aus, die entweder mit einem erwarteten Wert verglichen wird, oder in einen entsprechenden Code umgewandelt wird.
Anwendungsbereiche:
Medizin – Identifizierung von Medikamenten in Ampullen.
Halbleiterindustrie – Identifizierung von Bauelementen.
3. Kleberkontrolle
In den unterschiedlichsten Industriezweigen müssen Baugruppen miteinander verbunden werden. Dies geschieht häufig durch Verkleben der Baugruppen. Das Kleben erfolgt mit hoher Präzision in vielen Fällen automatisch. Durch Roboter oder andere Montageeinheiten wird der Kleber in einer Kleberraupe auf das Element aufgebracht.
Zur Sicherung der Druckdichtheit Undurchlässigkeit der Verbindung darf häufig die Kleberraupe nicht unterbrochen werden. Gleichzeitig muß der Umgebungsbereich überprüft werden, ob durch den Kleber Verschmutzungen der Fläche entstanden sind. Kleber und Baugruppe können die unterschiedlichsten Färbungen besitzen. Häufig kommt es vor, daß der Kleber aber durchsichtig ist oder die gleiche Farbe wie die Baugruppe besitzt.
Durch spezielle farbige Beleuchtung undAlgorithmen der Farbbildverarbeitung kann der Kleber auf der Baugruppe segmentiert werden. Über morphologische Operationen und topologische Analysen wird geprüft, ob die Kleberraupe den technologischen Vor-haben genügt.
Anwendungsbereiche:
Halbleiterindustrie, Elektronik, Automobilzulieferer
4. Positionierung mit farbigen Paßmarken oder Strukturen
Häufig erfolgt eine hochgenaue Positionierung von Objekten über die Kontrolle de-finierter Strukturen und Paßmarken. Auf Bauelementen (z.B. Wafer) sind Basismarken aufgebracht, die eine bestimmte Form und Farbe haben. Anhand dieser Merkmale werden die Marken angelernt.
In Relation zu den Basismarken werden die Positionen aller anderen Kontakte und Verbindungsstellen auf den Bauelementen ermittelt und an ein Positioniersystem über-geben. Das Positioniersystem fährt anschlie-ßend die ermittelten Positionen zum kontaktieren und dekontaktieren mit hoher Genauigkeit an. Anwendungsbereiche sind überall dort zu finden, wo mit Paßmarken oder anderen definierter Strukturen hochgenaue Positionieraufgaben zu realisieren sind, zum Beispiel Herstellung von LCD-Anzeigen, Leiterplattenindustrie u.a.
5. Kontrolle von Mischungsverhältnissen
In vielen Bereichen der Nahrungsgüter- und Genußmittelindustrie steht die Aufgabe, das Mischungsverhältnis von Komponenten zu kontrollieren.
Die Komponenten werden in Chargen aufbereitet. Die Bestandteile der Chargen werden massenmäßig genau rezeptiert und gewogen und dann durchmischt. Dabei muß sichergestellt werden, daß das Mischungsverhältnis jeder Teilcharge gleich ist.
Die Überprüfung des Mischungsverhältnisses erfolgt mit Hilfe von Farbbildverarbeitungsalgorithmen. Technische Komponenten sind neben dem PC eine qualitativ hochwertige Farbkamera und Beleuchtung. Es sollte eine diffuse, großflächige Beleuchtung eingesetzt werden, um die Unterschiede in der Schütthöhe des Schüttgutes auszugleichen. Das Massen- und Volumenverhältnis des Schüttgutes hängt stark von der Form der Objekte (Kaffeebohnen, Teeblätter) ab. Beobachtet und analysiert wird das Verhältnis der sichtbaren Fläche der Komponenten an der Oberfläche des Schüttgutes.
Das zu prüfende Material muß daher flach verteilt sein. Es wird davon ausgegangen, das sich das Mischungsverhältnis in den tieferen Schichten nicht verändert. Darüber hinaus sind die Algorithmen dieser Applikation erweiterbar, so daß beispielsweise Korngrößen nach Mahlprozessen oder die räumliche Verteilung auf Transportmedien geprüft werden können.
Anwendungsbereiche:
Kaffeeröstereien, Hersteller von Kaffee- und Teemischanlagen.
Weitere Informationen A QE 409
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