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Konzeptverantwortung – Vereinfachung oder Verschlechterung?

Alles was Recht ist
Konzeptverantwortung – Vereinfachung oder Verschlechterung?

Die Automobilindustrie ist immer schon eine Art Anführer rechtlicher Neuerungen gewesen. Viele der heute auch in anderen Branchen üblichen vertraglichen Gestaltungen sind irgendwann in der Automobilindustrie entstanden. Für die Hersteller sind solche Regelungen sicherlich sehr günstig, für die Lieferanten meist nicht.

Gerade in den Entwicklungen der letzten Jahre ist festzustellen, wie stark Hersteller ihre Lieferanten in die Haftung nehmen. Diese Regelungen haben zumeist weder etwas mit dem gesetzlichen Grundmodell der Haftungsverteilung zu tun noch mit einer fairen Verteilung von Risiken.
Ein ganz besonderes Highlight dieser Entwicklung wird derzeit von einem deutschen Automobilkonzern unter dem etwas sperrigen Namen „Konzeptverantwortungsvereinbarung“ geboten. Zunächst einmal handelt es sich hierbei nicht um eine Vereinbarung, sondern um eine einseitige Regelung, die von Lieferanten bestätigt werden muss.
Juristisch weitaus bedenklicher als diese Eigenart ist der Inhalt der so genannten KVV: Hier wird nämlich ein einfaches Rechenkonstrukt präsentiert, auf dessen Basis alle Kulanz-, Garantie-, Gewährleistungs- und Schadensfälle abgewickelt werden sollen. Was das in einfachen Zahlen bedeutet, zeigt der Automobilhersteller plastisch auf einem dem Vertrag beigefügten Informationsblatt. Erst einmal wird jeder Lieferant qualifiziert eingestuft in ein prozentual einfach ausgestaltetes System: Hat er gar keine Konzeptverantwortung, liegt sein Prozentsatz bei 10%, bei der höchsten Stufe bei 90% und dazwischen gibt es nur 30%, 50% und 70%. Diese Festlegung wird vom Automobilhersteller selbst vorgenommen und ist mir noch nirgendwo anders als in den beiden höchsten Ausprägungen vorgekommen, selbst bei reinen Serienbelieferern ohne Konzeptverantwortung im Sinne von eigenem Design oder Konstruktion.
Tauchen dann irgendwelche Fehler im Feld auf, wird ein Technischer Faktor (TF) berechnet, den es auch schon vor Einführung der KVV gab. Gewichtet mit dem Prozentsatz aus der KVV und multipliziert mit der Schadenssumme ergibt sich der vom Lieferanten zu zahlenden Anteil an den Feldschäden. Einfach, nicht wahr!
Rechtlich ist das Vorgehen dramatisch. Zum einen tritt diese Regelung auch ein, wenn die Fehlerursache selbst gar nicht festgestellt werden kann. Sie tritt verschuldensunabhängig ein, denn der Lieferant haftet auch für vollkommen mangelfreie Teile. Es gibt keine Möglichkeit des Lieferanten, die Folgen abzuwehren. Die Folgen treten auch für Kulanzfälle ein, an deren Eintritt der Lieferant keine Mitwirkung hat und diesen auch nicht verhindern kann.
Völlig unbeachtet scheint bei dieser Konstruktion auch die versicherungsrechtliche Komponente zu sein: Wegen der in jeder Haftpflichtversicherung üblichen, die Deckung ausschließenden Regelung über ein Anerkenntnis eines Schadens ist durch Unterzeichnung der KVV regelmäßig kein Versicherungsschutz mehr für Produkthaftungs- und Rückruffälle gegeben. Auf Nachfrage haben Industrieversicherer dieses Ergebnis bestätigt. Wer demnach einen Vertrag dieses Inhalts unterschreibt, sollte auch kaufmännisch mit einem hohen Risiko rechnen.
Der Autor
Philipp Reusch,
teras Rechtanwälte,
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