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Laser-Speckle-Interferometrie

Dehnungsanalyse an komplizierten Bauteilen im industriellen Umfeld
Laser-Speckle-Interferometrie

Die zur praktischen Anwendungsreife umgesetzte Speckle-Pattern Interferometrie (ESPI) eröffnet für Werkstoff- und Bauteiluntersuchungen einen neuen industrietauglichen Weg für einfach durchführbare experimentelle Beanspruchungsanalysen und damit zur schnellen Bewertung sicherheitsrelevanter Bauteile. Die Entwicklung hat zu einem handlichen Messkopf geführt, der unter der Bezeichnung MicroStar nicht nur im Labor sondern auch am Einsatzort der Messobjekte angewendet wird.

Dr.-Ing. Andreas Ettemeyer, Neu-Ulm, Dr.-Ing. Stefan KeilLippstadt

Im Vordergrund steht dabei das dreidimensionale Messen von Verschiebungswegen in Bauteiloberflächen, die auch konturiert sein können. Durch die dreidimensionale Erfassung der Verformung ist mit Messungen an nur einer Fläche auch das Erfassen von Biegedehnungen und damit von Biegebelastungen möglich. Am Beispiel einer Analyse des Dehnungsfelds in der Umgebung einer Punktschweißverbindung wird die Leistungsfähigkeit des Verfahrens demonstriert.
Verformungsermittlung als Voraussetzung für Festigkeitsanalysen
Im Vordergrund experimenteller Bauteiluntersuchungen steht die Ermittlung der bei Belastung in kritischen Bauteilbereichen auftretenden Spannungen. Dabei erfordern Unstetigkeitsstellen wie Kerben, Querschnittsveränderungen, Bohrungen, Schweißstellen usw. besondere Beachtung, da die durch sie verursachten Spannungskonzentrationen und -gradienten zu besonders hohen Bauteilbeanspruchungen und damit zu vorzeitigem Versagen führen können. Die Kenntnis der in kritischen Bauteilbereichen auftretenden Spannungsverteilungen ist Grundlage für die konstruktive Gestaltung und deren Optimierung und somit auch für die Sicherheit und Zuverlässigkeit des betrachteten Bauteils. Die lückenlose Kenntnis der Spannungsverteilung ist eine wünschenswerte Voraussetzung für die Festigkeitsbeurteilung.
Die heute praktisch angewandte experimentelle Spannungsanalyse stützt sich vorwiegend auf das Messen von Dehnungen, aus denen die Spannungen errechnet werden. Das generiert den Wunsch nach einer möglichst lückenlosen und flächenhaften Erfassung der Dehnungen und deren Gradienten. Dieser kann von den heute für diese Untersuchungen vorwiegend eingesetzten Dehnungsmessstreifen (DMS) nur unzureichend erfüllt werden. DMS erfassen Dehnungsänderungen an den Stellen ihrer Installation in einer vorgegeben Messrichtung als Mittelwerte über ihre Messlänge und geben deshalb keine vollständige Auskunft über die Dehnungsverteilung in einem betrachteten Bereich. Optische Verfahren zur Erfassung von Dehnungsgradienten hatten bisher den Nachteil ihrer schwierigen Anwendbarkeit im Umfeld praktischer Einsatzfälle. Hier bedeutet die zur industriellen Anwendungsreife entwickelte Elektronische Speckle-Pattern-Interferometrie (ESPI) einen wesentlichen Schritt nach vorn.
Flächenhafte Erfassung der dreidimensionalen Bauteilverformung
Die auf der Basis der dreidimensionalen Laser-Speckle-Pattern-Interferometrie (ESPI) entwickelten Geräte eröffnen neue Wege für Bauteiluntersuchungen. Zahlreiche in letzter Zeit in der industriellen Praxis erfolgreich durchgeführte Untersuchungen beweisen die Leistungsstärke der gerätetechnischen Umsetzung dieses interferometrischen Messprinzips, die erst nach der Verfügbarkeit schneller Prozessoren und leistungsfähiger Speicherelemente möglich war. Die Entwicklungsarbeit hat zu einem handlichen Messkopf geführt, der unter der Bezeichnung MicroStar nicht nur im Labor sondern auch am Einsatzort der Messobjekte ohne spezielle Anforderungen an das Bedienpersonal anwendbar ist. Im Vordergrund steht dabei das dreidimensionale Messen von Verschiebungswegen und Verformungen in den Oberflächen von Bauteilen und Werkstoffproben und in weiterer Auswertung der Messgrößen durch eine spezielle Software die Ermittlung von Spannungen und Beanspruchungen.
Das Verfahren erfasst die in der betrachteten Fläche auftretenden Dehnungsfelder und Spannungsverteilungen einschließlich strukturbedingter Konzentrationen und Gradienten. Es erkennt beanspruchungsbedingte Defekte innerhalb von Strukturen sowie Fließerscheinungen und eignet sich zur Beobachtung von Rissentwicklungen. Besonders durch die dreidimensionale Erfassung der Verformungen können neben den Verformungen in der betrachteten Ebene (in-plane) auch die Verformungen senkrecht dazu (out-of-plane) gemessen werden. Das eröffnet die Möglichkeit, durch Messungen an nur einer Seite eines Bauteils auch Biegedehnungen zu erfassen.
Praxisfreundliche Realisierung des Verfahrens
Mit dem MicroStar steht heute ein Gerät zur Verfügung, das die Anwendung des ESPI-Verfahrens nicht nur im Labor, sondern auch im rauen Umfeld betrieblicher Praxis ermöglicht. Eingebaut in das 54 mm x 54 mm x 60 mm große Gerät sind vier Laser-Lichtquellen, von denen sich zwei zum Erfassen der Kontur des Messobjekts seitlich verschieben lassen (Translationstechnik). Im Zentrum zwischen den Lichtquellen ist die CCD-Kamera eingebaut. Bild 1 zeigt einen Blick auf die Stirnseite des Geräts mit Lichtquellen und Kameraöffnung. Durch die Verwendung von Faser-Lichtleitern wird eine hohe Flexibilität des Messkopfes erreicht. Bild 2 zeigt den ca. 370 g schweren MicroStar im Größenvergleich zur menschlichen Hand. Die vom Gerät betrachtete Messfläche von ca. 25 mm x 35 mm wird von einer CCD-Kamera mit einer Auflösung von 768 x 576 Pixel erfasst.
Durch die Kombination der Ermittlung der dreidimensionalen Verformung mit der dreidimensionalen Konturerfassung der betrachteten Messfläche ermöglicht das System die Durchführung präziser Dehnungsmessungen und Spannungsermittlungen an beliebig geformten Bauteiloberflächen. Typische Anwendungsfälle für unebene Oberflächen sind Untersuchungen an Schweiß- oder Nietverbindungen.
Letztendlich muss die einfache Handhabung des Sensors erwähnt werden. Der Sensor wird starr an der Oberfläche des Messobjekts befestigt und kann somit allen Bewegungen des Objekts folgen. Damit enthält das Messergebnis nur die örtlichen Verformungen und Dehnungen. Fehler durch Relativbewegungen zwischen Sensor und Messobjekt werden dadurch ausgeschlossen.
Anwenden lässt sich der MicroStar an allen Werkstoffen mit diffus reflektierender Oberfläche. Also an Metallen, Holz, Beton, Keramik, faserverstärkten Kunststoffen, Textilien, aber auch an Verbundwerkstoffen wie z.B. Gummi-Metall-Kombinationen. Das Verfahren arbeitet berührungslos und benötigt keinerlei Markierungen auf der zu untersuchenden Fläche. Die Flächen müssen nicht eben sein, sondern können wie z.B. bei Schweißnähten konturiert sein.
Der inzwischen in zahlreichen Anwendungsfällen erfolgreich praxiserprobte MicroStar wurde vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik IPT in Aachen auf Herz und Nieren geprüft. Diese zur Zertifizierung führenden Untersuchungen des IPT umfassten u.a.: Messungen an gewölbten Bereichen von Hochdruckgasflaschen bis zu 240 bar, Messungen an planen und stark geformten Bereichen von Nutzfahrzeugmotoren unter statischer Belastung sowie Messungen an belasteten Lkw-Bodengruppen.
Das Zertifikat weist auf einige Vorteile des MicroStar besonders hin: Das Messen erfolgt berührungslos, Messstellenpräparationen entfallen. Der Sensor ist klein, leicht und handlich. Die Software erlaubt weitreichende Interpretationen der Ergebnisse sowie umfangreiche Analysen. Die Vorteile lassen sich auch für Anwendungen in der Festigkeitsanalyse, bei Lebensdaueruntersuchungen, bei der Überprüfung von FE-Simulationsrechnungen sowie in anderen industriellen Applikationen nutzen.
Kalibriert werden die mit dem MicroStar gefundenen Verschiebungen an Hand der konstanten Wellenlänge des verwendeten Laserlichts. Das Interferogramm enthält Linien gleicher Intensität, deren Abstand 1/2 beträgt.
Verformungsanalyse an simulierten Punktschweiß-verbindungen
Als Beispiel für die Leistungsfähigkeit des hier vorgestellten MicroStar soll die Ermittlung der Dehnungsgradienten im Bereich des Schweißpunkts einer Punktschweißverbindung stehen. Punktschweißverbindungen werden heute vorwiegend im Bereich der Massenproduktion von Dünnblechkonstruktionen wie z.B. bei der Herstellung von Automobilkarosserien eingesetzt. Für die Berechnung der Festigkeit, besonders im Hinblick auf die Lebensdauer, ist die Kenntnis der örtlichen Dehnungsverteilung am Schweißpunkt erforderlich [1]. Die experimentelle Ermittlung dieser Dehnungsverteilung war ein erfolgreiches Anwendungsfeld für das ESPI-Verfahren, mit dem flächenhaft die Dehnungsverteilung durch einseitige Messungen schnell und zuverlässig ermittelt werden konnte [2].
Als Messobjekte dienten Scherzugproben wie als Beispiel in Bild 3 wiedergegeben. Diese Proben wurden über an den Probenenden zur Erzeugung eines Biegemoments angebrachte Kröpfungen mit Zugkraft belastet. In den einzelnen Versuchsreihen wurden Proben mit unterschiedlich langen Kröpfungsarmen untersucht. Im hier vorgestellten Beispiel betrugen die Hebelarme 9 mm.
Bild 4 zeigt die bei einem der durchgeführten Versuche am Versuchsobjekt gemessenen Verformungen in den beiden in-plane-Richtungen x und y sowie in der senkrecht auf der Oberfläche stehenden Richtung z.
Resumée
Mit dem ESPI-Verfahren, realisiert im MicroStar, steht alternativ zur konventionellen DMS-Technik eine Methode zur Verfügung, die die Messfläche berührungsfrei abtastet.
Im Gegensatz zum DMS werden dabei die dreidimensionalen Verschiebungen eines jeden Punktes der betrachteten Oberfläche erfasst. Die Software des System berechnet daraus Dehnungen und Spannungen. Der damit verbundene Aufwand sowie die an das Bedienpersonal zu stellenden Anforderungen sind gering.
Eine aufwendige Messstellenvorbereitung wie bei DMS-Messungen ist nicht erforderlich. Die Anwendung ist auch an rauen und stark konturierten Flächen möglich. Markierungen sind nicht erforderlich. Es erfolgten keine örtlich versteifenden Rückwirkungen auf das Messobjekt, was besonders bei Werkstoffen mit kleinem E-Modul bemerkenswerte Vorteile bringt.
Nach dem Ansetzen des MicroStar-Sensorkopfs an die Messfläche kann sofort die Messung erfolgen. Mit der einfachen Handhabung ist eine wesentliche Zeitersparnis verbunden. In Vergleichsversuchen mit DMS-Messungen wurde experimentell nachgewiesen, dass der MicroStar hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Messunsicherheit zu zuverlässigen Ergebnissen führt.
Speziell im Hinblick auf die hier als Beispiel dargestellten Messungen an Punktschweißverbindungen ergaben sich durch die Anwendung des ESPI-Verfahrens folgende Vorteile:
– Es wird die gesamte Fläche um den Schweißpunkt herum messtechnisch erfasst. Fehlerhafte Schweißpunkte führen zu geänderten Dehnungsverteilungen und lassen sich schnell erkennen
– Obwohl die Messung nur von einer Bauteilseite aus erfolgt, können auch überlagerte Biegungen quantitativ ermittelt werden.
– Die Messungen erfolgen schnell und ohne spezielle Probenvorbereitung
– Der Einsatz des MicroStar erlaubt die Anwendung des Verfahrens außerhalb des Labors im industriellen Umfeld, also auch an Karosseriestrukturen während der Fertigung.
Literatur
[1] Wang, Z., A. Ettemeyer: Verformungs- und Dehnungsfeldermittlung am Schweißpunkt mit 3D-Speckle-Meßverfahren; tm – Technisches Messen 65 (1998) 3, S. 105-108
[2] Stoppler, W., A. de Boer: Meßverfahren für Kräfte und Momente an strich- und punktgeschweißten Überlappverbindungen; Abschlußbericht der Forschungsvereinigung Automobiltechnik e.V., FAT-Schriftenreihe Nr. 134 (1997)
Weitere Informationen A QE 601
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