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Lötfehler erkennen

Moderne Methoden zur BGA-Inspektion
Lötfehler erkennen

Die Mikrofokus-Röntgeninspektion ist die allgemein anerkannte Methode zur Qualitätskontrolle und Fehleranalyse von verdeckten Lötstellen. Sie ist der Schlüssel zur effizienten Einrichtung und Überwachung des Lötprozesses bei BGA-, CSP- und Flipchip-Lötstellen. Zur optimalen Ausnutzung der Möglichkeiten dieses Verfahrens jedoch sollte eine angemessene Ausrüstung in geeigneter Weise betrieben werden, und die Ergebnisse, also Röntgenbilder und statistische Daten, müssen im Hinblick auf den Montageprozess interpretiert werden.

Dr. Holger Roth Applikationsingenieur bei phoenix|s-ray Systems +Services, Wunstorf

Welche Fehler können nachgewiesen werden?
Ein Röntgenbild wird durch die unterschiedliche Absorption der Röntgenstrahlung in verschiedenen Bereichen des Untersuchungsobjektes erzeugt. Vereinfacht gesagt werden die kontrasterzeugenden Absorptionsunterschiede von Dichte- und Dickeunterschiede im Objekt hervorgerufen, wobei für Lötstellen im wesentlichen Dickenvariationen, die die Form der Lötstelle widerspiegeln, maßgebend sind: Je länger der Weg der Strahlung durch einen Objektbereich ist, desto dunkler erscheint dieser Bereich im Röntgenbild.
Daher kann jeder Fehler, der einen merklichen Einfluss auf die Form der Lötstelle hat, mit einem Röntgensystem nachgewiesen werden. Dabei können einige Defekte, wie beispielsweise Lotbrücken, unmittelbar gesehen werden, während andere anhand bestimmter Anzeichen nachgewiesen werden. Diese Anzeichen werden zur Definition von Prüfkriterien herangezogen, siehe Tabelle 1 und Bild 1. Die Entsprechung zwischen den Fehleranzeichen und den eigentlichen Fehlern ergibt sich aus der Erfahrung, kann aber auch aus einfachen Überlegungen zur Lötstellengeometrie gewonnen werden. Wenn beispielsweise eine BGA-Lötstelle deutlich heller erscheint als die benachbarten, so ist sie offensichtlich weniger dick und muss folglich offen sein. Wenn dagegen die Lötstellen in der Mitte des Bauelementes heller und breiter sind als die randständigen, so ist das Bauelement verbogen (z. B. durch „popcorning“) und drückt während des Umschmelzens vermehrt auf die zentralen Lötstellen, so dass diese, dem Druck ausweichend, flacher und breiter werden.
Benetzungsanalyse
Anspruchsvoller ist es die Benetzung an Komponenten und Leiterplatten-Landefläche zu analysieren, d.h. zu überprüfen, ob das Lot wirklich in Kontakt mit den Landeflächen ist.
Auch hier hilft eine tiefgehende Bildinterpretation. Das zugehörige Bewertungskriterium hängt davon ab, ob die eigentliche Kontaktfläche durch den Lötstopplack (der die Landefläche teilweise überdeckt) oder durch die metallische Landefläche selbst festgelegt ist. Im zweiten Fall (non-solder mask defined) sind die gut benetzten Landflächen vom Lot umflossen, so dass im Röntgenbild charakteristische dunkle Ringe auftreten, die der zusätzlichen Lotdicke am Rand der Landefläche entsprechen, siehe Bild 2. Im ersten Fall (solder mask defined) erscheinen gut benetzte Kontaktflächen als dunkle Kreisflächen.
In der Praxis müssen die damit verbundenen Dickenunterschiede 2% der absoluten Lotdicke übersteigen, um mit dem Bildverstärker nachweisbar zu sein. Obwohl die Nachweisempfindlichkeit mit Digitaldetektoren auf etwa 0,5% gesenkt wurde, können die Anzeichen von Benetzungsfehlern sehr schwach sein, da sie von der tonnenförmigen Lötstelle überlagert werden. Die Nachweisbarkeit von solch feinen Strukturen kann jedoch einfach dadurch verbessert werden, dass die zu durchstrahlende Lotdicke vermindert wird, indem die Lötstellen in Schrägdurchstrahlung untersucht werden. So wird nicht nur der Benetzungszustand der Landeflächen, sondern auch die Gestalt der Lötstellen dargestellt. Bild 3a zeigt fünfzehn Lötstellen eines PBGA in senkrechter Durchstrahlung. Einige der Lötstellen auf der rechten Seite erscheinen etwas heller und breiter als die übrigen; sie sind also nach Tabelle 1 offen. In Bild 3b sind dieselben Lötstellen in Schrägdurchstrahlung dargestellt und die offenen Lötstellen können unmittelbar identifiziert werden: Die Lotkugeln sind offensichtlich nicht mit den Landeflächen verbunden. Nahe bei der Landefläche ist eine scharfe Grauwertstufe sichtbar, während bei den geschlossenen Lötstellen ein stetiger Übergang zu sehen ist. Die Lötstelle in der Mitte unten ist zwar geschlossen, jedoch bedeckt das Lot nur einen Teil der Landefläche.
Dieses aussagekräftige Verfahren kann dank weiterentwickelter Röntgentechnik auch auf Lötstellen kleinster Abmessungen, wie sie bei Flipchips mit bis zu 25 µm Bump-Durchmesser vorliegen, angewandt werden: Detektorseitig vermeidet die ovhm-Technik (Oblique Views at Highest Magnification [1]) den für die althergebrachte Leiterplatten-Kipptechnik typischen Vergrößerungsverlust in Schrägdurchstrahlung, röhrenseitig liefert die Nanofocus-Technologie eine Auflösung im Submikrometerbereich (0,3 µm oder 300 nm).
Voids
Voids sind Blasen in den Lötstellen, die im Röntgenbild als helle Flecken erscheinen. Der Einfluss der Voids auf die Zuverlässigkeit ist noch nicht abschließend bewertet, jedoch sind in Industrie und Wissenschaft derzeit eine Reihe von Untersuchungen im Gange. (Einige frühe Studien heben hervor, dass Voids bis zu einer bestimmten Größe sogar die Zuverlässigkeit der Lötstellen erhöhen könnten.)
Gleichwohl legen die Normen IPC-A-610C and IPC-7095 maximale Porengrößen für BGA-Lötstellen fest. Gemäß IPC-A-610C soll der Anteil der von Poren bedeckten Fläche an der Kontaktfläche der Lötstelle 10% nicht überschreiten (Prozessparameter), ein Anteil von mehr als 25% gilt als nicht akzeptabel. Die IPC 7095 gibt Werte im Bereich von 9% bis 36% in Abhängigkeit der vertikalen Position der Poren innerhalb der Lötstelle und der späteren Baugruppenanwendung an. Auf jeden Fall kann die Anzahl und Größe der Poren die Notwendigkeit von Prozessverbesserungen anzeigen und so erscheint es sinnvoll, beide Parameter mit einer geeigneten Bildverarbeitung zu erfassen, siehe Bild 4. Mit ausreichender Röhrenspannung (> 100 kV) und geeigneter Brennfleckgröße (< 10 µm) und Detektoren hoher Dynamik (16 bit) liefern moderne Röntgenanlagen Bilder mit der Auflösung und der Grauwerttreue, die in der Norm gefordert werden [2].
Automatisierung und statistische Prozesskontrolle
Die Fehleranalyse kann also auf die überlegene Bildqualität der führenden Röntgensysteme und auf einen Satz bewährter Testkriterien aufbauen. Für eine effiziente Prozesskontrolle ist jedoch die Inspektion größerer Stichproben und eine statische Auswertung, d.h. Automatisierung des Inspektionsvorgangs erforderlich.
Die erste Stufe der Automatisierung ist objektive und quantitative Auswertung des Lötstellenzustandes durch automatische Bildverarbeitung.
Dies ist nun nicht mehr durch lange Programmierzeiten auf sehr große Lose beschränkt, da eine selbsteinrichtende Software verfügbar ist [3], die auch auf Lose von 5 bis 20 Baugruppen innerhalb weniger Minuten anwendbar ist.
Die Software deckt alle Testkriterien nach Tabelle 1 ab und kann auch auf bestehenden Systemen installiert werden. Die Ergebnisse werden in einer Datei für jede einzelne Lötstelle individuell (z.B nach JEDEC-Nummerierung) gelistet und so für eine beliebige Auswertung bereitgestellt. In einem zweiten Schritt kann die BGA-Auswertesoftware mit einer CNC-gesteuerten Probenpositionierung verbunden werden und – in einer dritten Stufe – kann die Inspektion mit Hilfe einer automatischen Leiterplattenzuführung auch ohne weiteren Eingriff eines Bedieners selbsttätig ablaufen.
Automatische Benetzungsanalyse
Die oben beschriebene Benetzungsanalyse hat sich aufgrund der vielfältigen Fehleranzeichen bisher weitgehend einer Automatisierung entzogen. Dies ist nun durch einen neuartigen Auswertealgorithmus in Verbindung mit einer meist leicht umsetzbaren Layout-Änderung überwunden: die Landeflächen werden in Schlüssellochform gestaltet, und nur der kreisförmige Teil wird mit Paste bedruckt. So entsteht an jeder Landefläche ein Benetzungsanzeiger, ähnlich wie etwa die überlangen QFP-Landeflächen bei der AOI. Wird die Landefläche benetzt, so entsteht ein deutlich sichtbarer Meniskus, dessen Grauwertverlauf (Gradient) in Schrägdurchstrahlung eindeutig ausgewertet werden kann. Die Auswertung liefert einen sehr signifikanten Parameter der Benetzungsqualität, d.h. die Diskriminationsschwelle für eine schlechte Lötstelle ist leicht zu finden.
Normen
Die Röntgeninspektion von BGA-Lötstellen wird erwähnt in den Normen „Abnahmekriterien für Elektronische Baugruppen“ (IPC-A-610C) und „Design and Assembly Process Implementation for BGAs“ (IPC 7095), die schon viele der Testkriterien in Tabelle 1 enthalten. Die BGA-Abnahmebedingungen sind jedoch nicht so strikt quantifiziert wie die für andere Lötstellen, weil nicht ausreichend dokumentierte Daten über Zuverlässigkeitsuntersuchungen vorliegen. Leider beziehen sich die genannten Normen z.T. auf Röntgenbilder, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, so dass die Möglichkeiten der modernen Röntgeninspektion wie ovhm (s.o.) und Benetzungsanalyse bei weitem nicht voll genutzt werden. Beide Normen befinden sich jedoch gegenwärtig auch in dieser Hinsicht in Überarbeitung.
Grenzen
Zwei physikalische Größen bestimmen die Grenzen eines Röntgensystems: Kontrast und räumliche Auflösung. Zwar ermöglicht die Submikrometer-Auflösung der Nanofocus-Röhre den Nachweis von Objektdetails unter 0,3 µm, dennoch muss ein Fehler je nach Detektortyp mindestens einen Kontrast von 0,5 bis 2% erzeugen, um nachweisbar zu sein, d.h. er muss einen Dickenunterschied in dieser Größenordnung erzeugen. Das ist der Grund dafür, dass feine Risse (Microcracks) entlang der Landeflächen im Röntgenbild nicht sichtbar werden: sie verursachen – auch in Schrägdurchstrahlung – fast keinen Dickeunterschied in Strahlrichtung, es sei denn, sie verlaufen genau entlang der Durchstrahlungsrichtung, was aber im Allgemeinen nicht der Fall ist [4].
Weiter kann in Durchstrahlungsröntgensystemen die Oberfläche der Lötstellen nicht dargestellt werden. Das aber erscheint aber angesichts der Schwierigkeiten, die die raue Oberfläche der bleifreien Lötstellen bei der optischen Inspektion bereitet, eher als Vorteil.
Fazit
Für den Nachweis von BGA-Lötfehlern wie Lotbrücken, fehlerhafter Pastendruck, unvollständiges Umschmelzen, Porenbildung und Versatz hat sich die Mikrofokus-Röntgeninspektion als Standardverfahren etabliert. Anhand der Konfiguration von Landefläche und Lötstoppmaske kann der Bediener den Benetzungszustand der Landeflächen bestimmen, vorausgesetzt, das benutzte Röntgensystem liefert auch in Schrägdurchstrahlung eine hinreichende Bildqualität.
Mit neuen Auswerte-Algorithmen können Benetzungsfehler nun auch automatisch effizient nachgewiesen werden.
Die ersten Normen zur Beurteilung von BGA-Lötstellen im Röntgenbild sind vor einiger Zeit veröffentlicht worden und werden gegenwärtig überarbeitet. In der vorliegenden Fassung geben sie zwar brauchbare Richtlinien, legen aber weder gesicherte Abnahmekriterien fest, noch nutzen sie die Möglichkeiten der Röntgeninspektion nach dem Stand der Technik.
Literatur
[1] www.microfocus-x-ray.com („Technology“)
[2] IPC 7095, 8/2000, Fig. 52, p. 60
[3] H. Roth, Röntgeninspektion von BGA-, FBGA- und CSP-Lötstellen ohne Einrichten, Productronic 6/2000, pp. 140-142
[4] T. Ahrens, Non-destructive tests for the quality control of electronic assemblies …, VTE 4/2001, pp. E59-64
QE 534
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