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Mehr als nur zusammenlegen

Integriertes Managementsystem in der Automobilzulieferindustrie
Mehr als nur zusammenlegen

Seit Jahren wird das Schlagwort integriert im Zusammenhang mit Managementsystemen zitiert. Schaut man hinter die Kulissen dieser Systeme erkennt man sehr verschiedene Interpretationen bei der Umsetzung. Was bedeutet eigentlich ein integriertes System? Welche Einzelsysteme können oder sollten zusammengeführt werden? Geht es um die Zusammenlegung von Einzeldokumentationen, die Zentralisierung von Verantwortlichkeiten, die Ausrichtung der Unternehmensprozesse an allen Forderungen der Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzsysteme oder umgekehrt?

Thomas Krammer, Leiter QM und Logistik, QMB und UMB, WAGON Automotive Mario Prokop, Group Quality Director, WAGON Automotive

Eine Patentlösung hierzu wird man nicht finden. Jedes Unternehmen muss hierbei selbst seinen für sich richtigen und sinnvollen Weg finden. Eine Möglichkeit soll der folgende Anwenderbericht zum Aufbau eines integrierten Managementsystems bei der WAGON Automotive in Waldaschaff, einem führenden Zulieferer der Automobilindustrie, aufzeigen.
Die 1998 aus dem Metallbereich der YMOS AG entstandene WAGON Automotive in Waldaschaff gehört zu der ca. 6.000 Mitarbeiter starken WAGON plc und ist heute Marktführer bei Türsystemen und Strukturelementen in Leichtbauweise für Kraftfahrzeuge.
Das aus einem 1926 gegründeten Kleinbetrieb gewachsene Unternehmen beliefert seit 1948 die Automobilindustrie. Dabei ist der Standort Waldaschaff mit seinen ca. 700 Mitarbeitern nicht nur Produktionsstandort, sondern zugleich Engineering-Center. Entwickelt werden hauptsächlich Karosserie- und Türstrukturen sowie Rahmen, Zierteile und Crashsysteme.
Die vorhandene Basis
Wie in vielen bereits seit längerer Zeit zertifizierten Unternehmen, existierte auch bei WAGON ein papierlastiges, konventionelles Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001, QS-9000 und VDA 6.1 sowie parallel dazu ein ebenso aufgebautes Umweltmanagementsytem nach DIN EN ISO 14001. Im Zuge der Umstellung auf ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO/TS 16949 wurde 2001 die Integration von Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzsystem in ein prozessorientiertes Managementsystem beschlossen.
Zielsetzung
Ziel war es ein papierloses, intranetfähiges, prozessorientiertes Managementsystem nach DIN EN ISO 9001:2000, ISO/TS 16949:2002, DIN EN ISO 14001:1996 sowie ISO OHSAS 18001:1999 aufzubauen. Die Bedienung des Managementsystems sollte dabei so einfach wie möglich gehalten werden und der Zugriff für alle Mitarbeiter gewährleistet sein, da dies ein wichtiger Punkt für die Akzeptanz im Unternehmen darstellt. Neben den Pflicht-Prozessbeschreibungen sollten grundsätzlich alle relevanten Prozesse des Unternehmens abgebildet werden. Die Aufbauorganisation sollte ebenso wie die Regelwerke Bestandteil des Systems sein. Um den realen Nutzwert für die Mitarbeiter zu steigern, sollten weiterhin alle Standarddokumente und -aufzeichnungen des Unternehmens zentral in diesem System verfügbar sein.
Organisatorisch sollten alle Verantwortlichkeiten für das Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzsystem in einer Stabsfunktion zusammengeführt werden.
Auswahl der Software
Um die beschriebenen Anforderungen umzusetzen wurde ein System zur Darstellung erforderlich. Die Möglichkeiten hierbei gehen von einer einfachen Lösung über Office-Software bis hin zur Integration in bestehende CAQ- oder ERP-Lösungen. Nach ausführlichen Benchmarks der am Markt befindlichen Softwareprodukte entschied man sich bei der WAGON Automotive für PROfit, das in einer Kooperation zwischen der BOC Berlin und dem TÜV Süddeutschland speziell für diesen Anwendungsfall entwickelt wurde.
Im Gegensatz zu vielen anderen Prozessmodellierungstools ist PROfit bereits sehr gut für die Erstellung eines Managementsystems vorkonfiguriert. PROfit ist ein netzwerkfähiges, datenbankbasiertes System mit einer sehr guten HTML-Ausgabe für die Darstellung des Managementsystems im Intranet. Die Bedienung ist einfach und übersichtlich. Das Preis-/Leistungs-verhältnis war ein weiterer Entscheidungsfaktor für dieses Produkt.
Phase 1 – Aufbau
Parallel zur Auswahl der Software wurde ein direkt an der Geschäftsführung angebundenes Kernteam gebildet. Dessen Aufgabe war es, neben der Projektleitung und –planung auch alle Prozessaufnahmen inklusive aller Referenzdokumente zu steuern, zu moderieren und letztlich zusammenzuführen. Um eine einheitliche Modellierungstiefe zu erreichen wurde neben der Definition der Prozesslandkarten
auch die Erstellung der Prozess-Flow-Charts im Kernteam vorgenommen. Dabei wurden in mehreren Stufen unter Beteiligung des jeweiligen Prozesseigners, der betroffenen Bereiche und des Kernteams alle relevanten Führungs-, Haupt- und Unterstützungsprozesse des Unternehmens aufgenommen und im Managementsystem modelliert. Ein weiterer Baustein, neben der Aufbereitung der drei Prozessarten, war das Modellieren der Aufbauorganisation, in welcher jede Rolle dargestellt ist, die sich am Standort wiederfindet.
Des Weiteren wurden die Anforderungen an das Managementsystem mit allen Normtexten und Auditfragen im Bereich Regelwerke integriert. Durch die Integration aller Prozesse, der Aufbauorganisation, der Regelwerke und eines zentralen Dokumentenmanagements, konnte eine anwenderfreundliche Plattform geschaffen werden, die einen sofortigen Überblick über alle zur Verfügung stehenden Daten bietet. Nach Abschluss der Datensammlung, konnten durch das Kernteam die Verknüpfungen der Strukturen im System durchgeführt werden.
So sind die Rollen der Aufbauorganisation mit den zugeordneten Aktivitäten in den Prozessen verknüpft, um jederzeit zu erkennen, wer welche Aufgaben im Unternehmen ausübt. In jedem Prozess sind vorgelagerte und nachgelagerte Prozesse verankert, die zum anstoßenden und Folgeprozess verlinken. Die Dokumente können zentral im Bereich Dokumentenmanagement oder direkt aus dem zugeordneten Prozess genutzt werden. Des Weiteren wurden Referenzierungen zwischen den Anforderungen der Normen, den Auditfragen und den Prozessen hergestellt. So ist es möglich, aus einem Prozess heraus die für diesen geltenden Normforderungen und Auditfragen zu sehen und umgekehrt im Regelwerkskapitel alle relevanten Prozesse aufzulisten.
Als Folgeschritt wurden die Prozesse nochmals mit den Prozesseignern auf Plausibilität geprüft und ggf. entsprechend korrigiert, um im Anschluss die Belegschaft zu schulen und ein Verständnis für das künftige Werkzeug auf jeder hierarchischen Ebene zu schaffen. Mit Hilfe der darauf folgenden internen System- und Prozessaudits konnte der aktuelle Wissensstand abgefragt und neue Empfehlungen zur Nutzung des Systems ausgesprochen werden. Abgerundet wurde die Einführung durch die erfolgreiche Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2000 und ISO/TS 16949:2002.
Phase 2 – Integration
Im zweiten Schritt wurden neben dem bisher führenden Qualitätsmanagementsystem, das Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystem nach DIN EN ISO 14001:1996 und ISO OHSAS 18001:1999 integriert. Nach der organisatorischen Zusammenlegung der Rolle des QMB und UMB wurden in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsingenieur und den zuständigen Prozesseignern sämtliche bereits modellierten Prozesse auf umwelt- und arbeitsschutzrelevante Aspekte durchleuchtet und die notwendigen Bemerkungen bzw. zusätzlichen Prozessschritte integriert. Durch die Möglichkeit von PROfit, die unterschiedlichen Aspekte auch farblich zu unterscheiden, findet man heute auf eine optische Art und Weise sofort die Auswirkungen der Umwelt und des Arbeitsschutzes im Prozessablauf. Weiterhin wurden auch eigene Prozesse der Umwelt und des Arbeitsschutzes modelliert und auf einer separaten Prozesslandschaft implementiert.
Nach Überarbeitung aller bestehenden Dokumente und internen Spezifikationen wurden auch diese sowohl zentral, als auch prozessbezogen in standardisierter Form als Arbeitsvorlage für den Anwender verfügbar gemacht. Weiterhin wurden in dieser Phase für alle Prozesse sinnvolle Kennzahlen gemeinsam mit den Prozesseignern erarbeitet und festgelegt.
Mit der Einarbeitung der Regelwerke nach DIN EN ISO 14001:1996 und ISO OHSAS 18001:1999 sowie der erfolgreichen Zertifizierung des Gesamtsystems im Oktober 2004, wurde die praktische Umsetzung eines integrierten Managementsystems abgeschlossen.
Fazit
Integrierte Managementsysteme sind in Zeiten von steigendem Wettbewerbsdruck und Verlagerung ins Ausland ein Unterscheidungsfaktor zwischen den Unternehmen. Die Integration kann sich dabei allerdings nicht nur auf die Zusammenlegung der Dokumentationen beschränken, sondern muss in der gesamten Organisation abgebildet sein und gelebt werden. Nur durch die entsprechenden organisatorischen Rahmenbedingungen können die angestrebten Synergieeffekte und Einsparpotenziale auch genutzt werden. Die Akzeptanz durch alle Mitarbeiter ist dabei ebenso unverzichtbar wie eine klare Zielsetzung und das Vorleben durch die Geschäftsführung und das Management. Eine wichtige Rolle kommt hierbei auch dem Managementbeauftragten zu, der sich in seiner Rolle als Moderator und Prozessmanager sowohl im Qualitäts- und Umweltmanagement als auch im Arbeitsschutz bewegt. Eine solche optimale Konstellation setzt natürlich eine entsprechende Qualifikation voraus.
Bei der WAGON Automotive konnten aufgrund der Einführung eines integrierten Managementsystems und der gleichzeitigen Anpassung der organisatorischen Rahmenbedingungen verschiedene Synergieeffekte und Einsparungen erzielt werden.
Durch den Einsatz interner Kombiaudits werden sowohl auf Auditorenseite als auch in den zu auditierenden Bereichen deutlich weniger Kapazitäten gebunden.
Zertifizierungsaudits finden heute für das Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitsschutzmanagementsystem gleichzeitig und durch einen Zertifizierer statt.
Die Zusammenlegung der vorher zersplitteten Beauftragtenfunktionen führten, sowohl in personeller Hinsicht als auch im Hinblick auf Schnittstellenproblematiken, zu deutlichen Verbesserungen in der Performance.
Den Mitarbeitern steht heute eine Dokumentation in digitaler Form im Intranet zu Verfügung. Aktualisierungsprobleme gehören damit der Vergangenheit an. Entsprechend gut ist die Akzeptanz des Systems im Unternehmen.
Die erzielten Erfolge zeigen, dass die Einführung eines integrierten Managementsystems die richtige Strategie war. Das heute gelebte System stellt für die WAGON Automotive einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu Business Excellence dar.
WAGON Automotiv , Waldaschaff

BOC Information Technologies Consulting
BOC Information Technologies Consulting GmbH ist ein international tätiges Beratungs- und Softwarehaus, welches sich auf Strategie-, Geschäftsprozess- und IT-Management spezialisiert hat.
BOC unterstützt Kunden bei der Identifikation ihrer IT-Potenziale, bei der Optimierung ihrer Geschäftsprozesse, beim verbesserten Einsatz ihres Wissens und bei der optimalen Entwicklung ihrer Personal- und IT-Ressourcen. BOC hat bereits eine Vielzahl von großen europäischen Re-Organisationsprojekten durchgeführt.
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Die TÜV Informatik und Consulting Services GmbH, als ein Tochterunternehmen der TÜV Süddeutschland Holding AG versteht sich als Komplettdienstleister auf dem Gebiet Professional IT-Services. Sie hat sich im Laufe der letzten Jahre in den Bereichen IT-Security, Softwareentwicklung, Netzwerkmanagement und Projektmanagement als interner Dienstleister für mehr als 120 Tochter- und Beteiligungsfirmen der TÜV Süddeutschland Holding AG etabliert und nachweislich mit Erfolg gearbeitet. Abgerundet wird das Angebot durch die Customer Competence Center. Im Competence Center Consulting ist auch das Thema Prozessmanagement und Prozessmodellierung mit PROfit angesiedelt.
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