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Künftige Rolle des Qualitätsmanagements
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Das Qualitätsmanagement steht vor tiefgreifenden Veränderungen: In Zukunft hat es nicht mehr nur die traditionelle Unterstützungsfunktion. Seine Rolle wird es vielmehr sein, aktiv an der Gestaltung von ansprechenden Produkten und Services für die Kunden beteiligt zu sein. In einigen Unternehmen hat dieser Wandel bereits begonnen.

Drei typische Stufen in der Entwicklung des Qualitätsmanagements lassen sich erkennen:

De facto haben alle größeren Unternehmen Stufe 1 durchlaufen. Der Fokus des Qualitätsmanagements liegt hier auf Mängelfreiheit und der Senkung der Garantie- und/oder Reklamationskosten über permanent verbesserte Prozesse mit spezifizierten Verantwortlichkeiten und Qualitätskennzahlen (KPIs). Allerdings bringt diese traditionelle Aufgabe des Qualitätsmanagements stets eine Reihe von Nachteilen mit sich. So sind etwa die Mitarbeiter in der Qualitätssicherung häufig nur in der Endphase des Produktionsprozesses beteiligt, sodass sie kaum Gelegenheit haben, das Produkt-und Servicedesign zu beeinflussen. Sie haben hierbei den Status von Wächtern.
Ein Großteil effektiver Organisationen hat heute auch die zweite Stufe erreicht: Hier wird die Rolle des Qualitätsmanagements so ausgebaut, dass die gesamte Organisation – und nicht etwa nur die Qualitätssicherung – befähigt ist, in einem ganzheitlich ausgerichteten Ansatz die Eigentümerschaft und Verantwortung für die Qualitätssicherung zu übernehmen. Ein solcher Ansatz bringt das Potenzial des Qualitätsmanagements, Mehrwert zu schaffen und einen Beitrag zur Unterstützung der Geschäftsprozesse zu leisten, signifikant deutlicher zur Geltung.
Der proaktive Einsatz der Qualitätssicherung im Kundenmanagement gehört hier ebenso dazu. Um die Verantwortung und die fortlaufende Verbesserung zu fördern, wird das Funktionsmodell der Qualitätssicherung oft von einer zentralisierten und inselartigen Organisation in Richtung einer größeren Dezentralisierung weiterentwickelt. So hat eine Studie der Unternehmensberatung Arthur D. Little ergeben, dass über 70 % der Konsumgüterunternehmen bereits die Dezentralisierung der Qualitätssicherungsfunktion in den Geschäftseinheiten implementiert haben oder sich in diese Richtung bewegen.
In Stufe drei fungiert das Qualitätsmanagement aufbauend auf den beiden zuvor genannten Stufen zusätzlich als zentraler Vermittler oder „Befähiger“ zwischen Marketing & Vertrieb, Fertigung sowie Forschung & Entwicklung. Ziel ist hier: Die Produkt- und Servicequalität soll die Kundenerwartungen nicht nur erfüllen, sondern auch übertreffen. In dieser Funktion stellt das Qualitätsmanagement aufgrund ihres Verständnisses des Kunden-Feedbacks Prozesse und Tools bereit, die einen wertvollen Beitrag zur Umsetzung der Kundenanforderungen in attraktive Produkte und Services leisten.
Deshalb wird in dieser dritten und damit der fortschrittlichsten Stufe das Qualitätsmanagement zu einem Schlüsselpartner in der Wertschöpfungskette. Es wird von der Belegschaft nicht mehr nur als Wächter wahrgenommen. Die Funktion des Qualitätsmanagements verschiebt sich zunehmend in Richtung eines Lösungsanbieters. Das hat weitreichende Auswirkungen auf die erforderlichen Qualifikationen und das Verhalten der Mitarbeiter im Qualitätsmanagement.
In der Automobilindustrie zeichnet sich diese Entwicklung schon heute ab: Volkswagens Qualitätsmanagement etwa initiierte das People’s Car Projekt in China, dem wichtigsten Absatzmarkt des Konzerns. Auf einer webbasierten Plattform können chinesische Kunden ihre Ideen für Produktmerkmale formulieren und sich so aktiv an der Entwicklung neuer Fahrzeuge beteiligen.
Ein weiteres Beispiel: BMW. Der Autobauer machte in den vergangenen zehn Jahren enorme Fortschritte bei der Reduzierung der Anzahl von Garantiefällen. Durch die Integration der Qualitätssicherung in die gesamte Wertschöpfungskette, konnten Garantiefälle um über 50 % reduziert werden. Alle Qualitätssicherungsprogramme von Einkauf und Produktion über Vertrieb und Kundenbetreuung trugen zu diesem Erfolg bei.
Autohersteller messen die Attraktivität beim Kunden
Die großen Autohersteller verwenden KPIs, die nicht nur Mängel, Reklamationen und andere negative Leistungsangebote messen, sondern auch die Attraktivität beim Kunden. Die Analysen von Arthur D. Little zeigen: Es ist messbar, dass dies zu einem höheren Anteil von Kunden führt, die bereit sind, ein Fahrzeug derselben Marke erneut zu kaufen, zu leasen oder es einem Freund, Verwandten oder Kollegen zu empfehlen. Dem Qualitätsmanagement kommt damit also eine Schlüsselrolle bei der Erfassung und Interpretation von Kundeninformationen zu, darunter sind nicht nur Reklamationen, sondern umfangreichere und komplexere Daten, die nun über die verschiedenen digitalen Kanäle verfügbar sind.
Das Qualitätsmanagement kann einen effizienten Beitrag dazu leisten, die konsistente Behandlung dieser Kundeninformationen über verschiedene Funktionen sicherzustellen. Dazu gehört auch die schnelle Identifizierung von regionalen und anderen Trends. Ebenso kann damit eine konsistente Außendarstellung gegenüber dem Kunden ermöglicht werden, die an jedem Berührungspunkt eine positive Kundenerfahrung bietet.
Natürlich erfordert es eine breit angelegte neue Strategie, Prozesse und Kultur in der Organisation, wenn das Qualitätsmanagement derart weiterentwickelt werden soll, dass die Mitarbeiter es als einen Partner ansieht, der Mehrwert schafft. Vor der Implementierung stellt sich eine Reihe von Fragen: Was ist das Ziel? Wie kann Qualitätsmanagement das Geschäft unterstützen und so wertschätzend anerkannt werden? Welche Kompetenzen können von den Qualitätsmanagern nutzen? Wie sehen realistische Ziele und rasche Erfolge auf dem Weg dorthin aus?
Demnach gibt es drei Prioritäten für eine Veränderung des Qualitätsmanagements: Zunächst sollte dessen Rolle neu definiert und kommuniziert werden, wobei das Hauptaugenmerk auf dem Ausbau der Funktion über die Qualitätssicherung hinaus zur Problemlösung, der Unterstützung und Befähigung liegt. Wichtig ist, dass dies durch entsprechende Verhaltensweisen des leitenden Managements, eine entsprechende Aufwertung des Qualitätsmanagements als geschäftliche Priorität, geeignetem Verhalten der Mitarbeiter im Qualitätsmanagement und geschäftsbezogenen Qualitäts-KPIs untermauert wird.
Eine zusätzliche Herausforderung: Es müssen Mitarbeiter gefunden werden, die bereit sind, die neuen Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Dies erfordert einen Orientierungswechsel vom eher wissenschaftlichen und auf Compliance zielenden Know-how zu Qualifikationen, die auf die Einflussnahme, die Befähigung und die Ziele der Organisation ausgerichtet sind. Diese Kultur sollte in der gesamten Organisation verankert werden, um eine Qualität zu erzielen, die Erwartungen übertrifft. Diese Ausrichtung sollte auf einer Förderung der klaren Verantwortung für das Qualitätsmanagement in den Geschäftseinheiten liegen.
Früher wurden Unternehmensfunktionen wie Informationsmanagement und Personalwesen als unvermeidbarer und notwendiger Überbau betrachtet. Heute hingegen haben sie sich zu zentralen strategischen Komponenten entwickelt, die einen wesentlichen Beitrag zum geschäftlichen Erfolg leisten. Die Entwicklung im Qualitätsmanagement ist in vielerlei Hinsicht damit zu vergleichen. Die nächste Generation des Qualitätsmanagements hat deshalb einen ganzheitlichen Ansatz, ist strategisch ausgerichtet und bietet dem Unternehmen und seinen Kunden einen Mehrwert. Dem Qualitätsmanagement kommt dann nicht mehr länger die Rolle eines Wächters zu, sondern es ist zu einem Geschäftspartner geworden. ■
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