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Menschen machen Fehler Wann haften Arbeitnehmer dafür?

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Menschen machen Fehler Wann haften Arbeitnehmer dafür?

Menschen machen Fehler, auch, und insbesondere, während der Verrichtung ihrer Arbeitstätigkeit. Durch solche Fehler können unter Umständen immense (Sach-)Schäden entstehen, bezüglich derer sich nicht nur arbeitgeberseitig die Frage stellt: Wer zahlt hierfür am Ende?

Mit Entscheidung vom 28.10.2010(Az. 8 AZR 418/09) hat das BAG getreu seiner bisher vertretenen Ansicht zu den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung einen Haftungsfall entschieden. Die Entscheidung eignet sich dafür, auf alle prinzipiell ähnlich gelagerten Fälle übertragen zu werden und sollte jedem Arbeitgeber präsent sein, um eventuelle Risiken abschätzen und absichern sowie im Schadensfalle korrekt darauf reagieren zu können.

Der Fall
Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt betrifft (vereinfacht dargestellt) eine in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis beschäftigte Reinigungskraft, welche monatlich 320 Euro brutto verdiente. Die Arbeitgeber nahmen die Beklagte vorliegend zur Zahlung des nicht von ihrer Privathaftpflichtversicherung übernommenen Teils eines ihnen entstandenen Schadens in Anspruch.
Die Beklagte nahm bei einem sonntäglichen Besuch einer über der Praxis wohnenden Bekannten einen Alarmton war, welcher aus dem Raum des Magnetresonanztomographen (MRT) kam. Mit diesem Gerät erwirtschaftet die Praxis regelmäßig 2/3 ihres Umsatzes. Aufgrund des Signaltons begab sich die Beklagte in die Praxis, um diesen Störfall zu beheben. Statt jedoch den mit der Aufschrift „Alarm Silence“ versehenden blauen Schalter (davon waren vier an der Steuereinheit des Geräts vorhanden) zu nutzen, betätigte sie den (einzigen) roten und unter einer zusätzlichen Verschlussklappe befindlichen Schalter, der mit der Aufschrift „Magnet Stop“ versehen war. Hierdurch wurde eine teilweise Quasi-Selbstzerstörung des Geräts ausgelöst, welche Reparaturkosten in Höhe von 30 843,01 Euro sowie eine Unbenutzbarkeit des Geräts für 3 Tage verursachte. Die Beklagte war weder in den Umgang des Gerätes eingewiesen, noch gehörte das Gerät zu den von ihr zu reinigenden Geräten. Sie wurde in der zweiten Instanz zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe eines Bruttojahresgehalts verurteilt. Die Revision vor dem BAG änderte an dieser Verurteilung nichts.
Die Begründung
Das der Entscheidung zugrunde liegende Problem der persönlichen Haftung eines Arbeitnehmers für Schäden beim Arbeitgeber wird grundsätzlich durch das richterrechtlich entwickelte Konstrukt des sogenannten „innerbetrieblichen Schadensausgleichs“ (BAGE 78, 56 = NZA 1994, 1083ff.) gelöst. Durch dieses wird festgelegt, in welchem Umfang der Arbeitnehmer im jeweiligen Fall haftet. Verhindert werden soll, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich vollumfänglich für den verursachten Schaden einstehen muss. Diesem Konstrukt liegt die Überlegung zugrunde, dass der Arbeitnehmer naturgemäß in mehr oder weniger großem Umfang – je nach Tätigkeit – dauerhaft gewissen Haftungsrisiken gegenübersteht. Diesen kann er aber im Zweifel nicht entgehen, insbesondere weil er fremdbestimmte Tätigkeiten wahrnimmt. Hinzu kommt, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner Position die in Betracht kommenden Risiken bewerten und durch Versicherungen abdecken kann sowie einen finanziellen Vorteil aufgrund der Tätigkeit des Arbeitnehmers erfährt, nämlich den Gewinn. Aufgrund dieser Überlegung entwickelte die Rechtsprechung den Grundsatz, dass der Arbeitnehmer im Falle eines bei betrieblich veranlasster Tätigkeit verursachten Schadens gestaffelt nach dem jeweiligen Verschuldensgrad und im Hinblick auf alle übrigen Umstände des Einzelfalls(Relation von Schaden und Einkommen, persönliche Fähigkeiten und Situation, Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, …) haftet.
Betriebliche Veranlassung
Betrieblich veranlasst ist ein Handeln dann, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers (also des Arbeitnehmers) im Betriebsinteresse zu handeln war, das Verhalten unter Beachtung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte. Das gilt auch, wenn das jeweilige Handeln nicht Teil seiner eigentlich geschuldeten Tätigkeit, sondern im Interesse des Arbeitgebers ausgeführt wurde. Daher war dieses Prinzip auch im vorliegenden Fall anzuwenden, auch wenn das MRT nicht in den Aufgabenbereich der Reinigungskraft fiel. Dennoch handelte sie im Sinne ihrer Arbeitgeber, da sie Schaden von diesen, beziehungsweise deren Eigentum abwenden wollte.
Stufe der Fahrlässigkeit wichtig
Im Rahmen des innerbetrieblichen Schadensausgleiches haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich bei leichtester Fahrlässigkeit gar nicht, bei normaler Fahrlässigkeit zu gleichen Teilen mit dem Arbeitgeber und bei grober Fahrlässigkeit (sowie Vorsatz) in vollem Umfang. Allerdings darf insbesondere im Fall von grober Fahrlässigkeit nicht übersehen werden, dass auch dort eine Abwägung im Einzelfall möglich ist, die unter Umständen dennoch zu einer Haftungserleichterung führen kann. Exakt dieser Fall war vorliegend zu bewerten. Die Beklagte hatte durch ihr Handeln beziehungsweise durch ihr „nicht Mitdenken“ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht gelassen und nicht das beachtet, was in dieser Situation für jedermann erkennbar gewesen wäre: Ihr hätte einleuchten müssen, dass die wahllose Betätigung eines farblich abgesetzten und zudem durch eine Klappe geschützten Schalters mehr verursachen konnte als lediglich das Verstummen eines Signaltons. Somit war ihr der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens zu machen.
Die Abwägung im Einzelfall
Die somit grundsätzlich eintretende volle Haftung musste jedoch vorliegend aufgrund der Abwägung im Einzelfall beschränkt werden. Zum einen spielte hierbei die Relation von Schaden und monatlichem Einkommen (1:100) eine Rolle, sowie die Tatsache, dass die Arbeitgeber zu beachten hatten, dass bei dem Betrieb eines sich durchgehend zumindest im Stand-by Modus befindlichen Geräts auch nicht in dessen Bedienung eingewiesene Mitarbeiter mit einem Störfall konfrontiert werden konnten. Zudem durfte nicht übersehen werden, dass die Beklagte eigentlich Schaden von ihren Arbeitgebern abwenden wollte.
Lösung Privathaftpflicht?
Letztlich äußerte sich das Gericht noch zu der vorhandenen Privathaftpflichtversicherung der Beklagten und dem von ihr vorgebrachten Einwand, diese würde einen Haftungswegfall begründen. Allerdings machte das BAG erneut deutlich, dass eine (freiwillige) private Haftpflichtversicherung keinen Einfluss auf die interne Haftungsverteilung ausübt. Anders verhält sich dies bei gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungen. In diesem Fall kann sich der Arbeitnehmer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, da der Gesetzgeber schon das Risiko erkannt und daher eine Pflicht zur Versicherung begründet hat. Allerdings gab das BAG den Hinweis, dass diese Wirkung auch eintreten könne, wenn der Abschluss einer Haftpflichtversicherung zur Einstellungsvoraussetzung gemacht wurde und möglicherweise noch mit zusätzlichen Vergütungsbestandteilen versehen ist.
Fazit
Somit bleibt festzuhalten, dass es im Schadensfall der sorgsamen Analyse und einer darauf begründeten Abwägung bedarf. Der Arbeitnehmer wird zwar durch das Konstrukt des innerbetrieblichen Schadensausgleiches geschützt, jedoch muss er bei jedem Tun oder Unterlassen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten, also schlichtweg nicht entgegen dem gesunden Menschenverstand handeln, um seiner (anteiligen) Haftung vorzubeugen. Dem Arbeitgeber hingegen obliegt nicht nur die Aufsicht über seine Arbeitnehmer, sondern auch die Vorausschau und die damit einhergehende Prävention und Absicherung möglicher Schäden.
Rechtsanwalt Daniel Wuhrmann
Reusch Rechtsanwälte, Saarbrücken
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