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Messen und Prüfen mit dem Ohr am Kunden

52. AQC in Philadelphia
Messen und Prüfen mit dem Ohr am Kunden

Die Diskussion über die Integration der Qualitätssysteme beherrscht den 52. AQC in Philadelphia – Internationale Standards, ISO 2000 und die neue Version der QS 9000 – Interessenverbände durch zunehmende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes auf dem Prüfstand.

Birgit Otto, BSc MA,BO Consult, Ostfildern

Qualitätsverbesserung sei heute mehr als Fehlerreduzierung, versicherte Armand Feigenbaum, einer der Väter der amerikanischen TQM-Bewegung den 2 500 Teilnehmern des diesjährigen American Quality Congress (AQC) in Philadelphia vom 4. bis 6. Mai 1998.
Umfassende Qualität aller Abläufe, so Feigenbaum weiter, sei längst zu einem Standard geworden, anhand dessen Kunden die Leistungsfähigkeit ihrer Lieferanten messen. Dramatisch gesunkene Time-to-market Zeiten machten die zielorientierte Ausrichtung eines Unternehmens unabdingbar. Nur so, könne man sich im Zeitalter gesättigter Märkte an den Kundenwünschen ausrichten und pro-aktiv alles tun, um diese zu befriedigen.
Trend 98: Business Systeme
Im Gegensatz zu 1997 in Orlando, als Innovation und Kreativität im Mittelpunkt standen, konzentrierten sich die Vorträge und Seminare in Philadelphia auf die Systeme und deren Zusammenspiel.
Die ISO-Normen und die QS 9000, verschiedene TQM-Modelle und die Verbindung mit den finanziellen Meßsystemen. „Measurement”, „Balanced Scorecards“ und „Open Book Management“ waren in aller Munde. „Heute reden alle von den Systemen”, beklagt der altgediente TQM-Guru Phil Crosby, den wir als Aussteller auf der Messe antrafen, diesen Trend.
„Wir können doch erst über Systeme reden, wenn alle dieselbe Sprache sprechen. Für mich steht fest: TQM-Training für alle kommt vor dem Reden über komplexe Systeme!”
Qualitäts-Dokumentation im Internet
Bei der parallel zum Kongreß stattfindenden Ausstellung dominierten Zertifizierer, Berater und Softwareanbieter.
Thema auch hier: Aufbau und Unterhalt von Qualitätssystemen.
Die Trends sind deutlich; das Internet spielt eine immer größere Rolle.
Die Qualitätsdokumentation und -lenkung für ISO 9000, QS 9000 und ISO 14001 beispielsweise ist unter Lotus Notes auch für das Intranet erhältlich.
Kundenzufriedenheitsanalysen oder Lieferantenbefragungen lassen sich direkt per Internet abwickeln.
Neues TQM-Modell
Eine interessante Verschmelzung zweier Systeme bildet das neue südafrikanische TQM-Modell: In elf Kategorien werden Malcolm Baldrige und das EFQM-Modell kombiniert. „Schauen Sie sich die geographische Lage Südafrikas an.”, erzählen uns die südafrikanischen Vertreter in Philadelphia, „Wir verkaufen sowohl nach Europa als auch nach Asien und Amerika. Während in Europa das EFQM Modell dominiert, herrscht in Asien und Amerika Baldrige vor. Wir brauchen die Kombination.”
Das südafrikanische Modell weise viele Gemeinsamkeiten mit dem derzeit in Planung befindlichen neuen EQA-Modell der EFQM auf.
QS 9000, 3. Auflage
Besonderes Interesse fand die Vorstellung der dritten Auflage der QS 9000, die Mitte April 1998 an die 5 269 Lieferanten der drei großen amerikanischen Automobilhersteller weltweit (davon 193 in Deutschland) verteilt wurde.
Für US Lieferanten wurden durchschnittliche Kosten für eine QS 9000-Zertifizierung ermittelt. Laut Warren S. Norrid (Chrysler) betrügen sie $ 36 900 für die Vorbereitung, $ 26 000 für Beratung, $ 18 300 für die Zertifizierung und $ 5 100 für die Software. Der durchschnittliche Kostenvorteil aufgrund der Zertifizierung liege bei $ 304 300. Im Schnitt werde eine Qualitätsverbesserung um 76 % Prozent erzielt, die Fehlerrate könne um 54 % reduziert und die Lieferpünktlichkeit um 46 % gesteigert werden.
Nachdem man sich in den USA bisher deutlich von den Entwicklungen um ISO und VDA abgesetzt hatte, scheint nun der Wille, ein einheitliches System zu schaffen, Oberhand zu gewinnen. Eine internationale Automobil-Taskforce, der neben den amerikanischen Automobilherstellern Chrysler, Ford, GM und der QS 9000 Trainingsfirma PLEXUS auf europäischer Seite BMW, Fiat, Daimler, PSA, Renault, VW und die jeweiligen Interessenverbände angehören, steuert den Revisionsplan für die QS 9000. Ziel ist ein harmonisierter, weltweiter Standard, der auch mit der Version 2000 der ISO 9000 übereinstimmen wird. In der Übergangszeit gilt die jetzt veröffentlichte 3. Version der QS 9000, die ab Januar 1999 die 2. Version vollständig ersetzen wird. Zu der neuen Ausgabe gibt es ein Arbeitsbuch, das die Unterschiede zwischen den Versionen aufzeigt. Schon in der 3. Version wird der Wille zur Harmonisierung deutlich: die neue QS 9000 ist vollständig in den 20 Elementen der ISO abgebildet.
Steve Walsh (Ford) präsentierte den neuen Anhang „Tooling Equipment” (Maschinenausrüstung), der den Anhang von 1993 ersetzt. Damit werden alle Maschinenhersteller für die Automobilproduktion in die QS 9000 mit eingebunden. Noch ist offen, in welcher Form die Zertifizierung stattfinden wird. Geplant ist jedoch eine „Third Party” Zertifizierung.
Chrysler galt in Sachen QS 9000 als besonders kompromißlos. Es wird sich zeigen, ob sich die neue Firma Daimler-Chrysler diese Haltung zu eigen machen wird.
Eine immer größere Rolle spielt das Qualitätsmanagement auch in der Software-Industrie, in der, wie Carol Dekkert in ihrem Vortrag über Kennzahlen für die Softwareentwicklung ironisch anmerkte, in vielen Softwarefirmen noch der Satz gelte: „Wir haben keine Zeit, die Qualität unserer Arbeit zu messen. Wir sind mit richtiger Arbeit vollauf beschäftigt!“ David Schubert stellte eine Analysetechnik vor, mit deren Hilfe die Risikofaktoren eines SW-Projekts rechtzeitig zu ermitteln sind. Die Ergebnisse können mit einer von Schubert aufgebauten Datenbank als Mittel verglichen werden.
Herzstück Telefonzentrale
Seit etwa fünf Jahren unterstützt die ASQ gemeinsam mit der US-Regierung, Universitäten und einigen großen US-Firmen Forschungsarbeiten zum Qualitätsmanagement. Damit soll der Spalt zwischen Theorie und Praxis in Sachen Qualitätsmanagement geschlossen werden. Es werden ausschließlich interdisziplinäre Forschungsprojekte gefördert.
Beim diesjährigen Kongreß trugen einige Forscher die Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit vor.
Besonders interessant, die Ergebnisse von Chip Hunter, der kritische Erfolgsfaktoren für gut funktionierende Arbeitsteams in einer Privatbank mit unterschiedlichen Kundenkontakten (Internet, Zweigstelle, Telefon..) identifizierte: eine gut funktionierende Telefonzentrale mit einer entsprechenden Softwareausstattung, deutlich höherer Trainingseinsatz, klare Rollenverteilung und Anstellen des richtigen Typs für die richtige Rolle ohne Hierarchie der Aufstiegsmöglichkeiten sowie kein Wettbewerb zwischen den Angestellten sondern zwischen verschiedenen Zweigstellen oder anderen Banken.
Go global ASQ!?
Globalisierung und Zersplitterung ergreifen auch Interessenverbände wie den ASQ. In einer Zeit, in der häufige Jobwechsel die vorhersehbare Karriereleiter innerhalb einer Branche ablösen, erscheinen Berufs- und Interessenverbände wie die Dinosaurier vergangener Zeiten.
„Es ist nicht einfach,“ so ASQ Präsident Steven Bailey, „Wir befinden uns in einem Veränderungsprozeß: Die klassische Mitgliederbasis im produzierenden Gewerbe nimmt ab; die Zahl der Mitglieder aus Dienstleistungsunternehmen steigt.“ Deutliche Änderungen sind auch bei der Geschlechterverteilung zu erkennen: Jedes vierte Mitglied ist bereits eine Frau.
Mit einer neuen Vision für das 21. Jahrhundert und dem ehrgeizigen Ziel, die American Society for Quality auch international zur No. 1 zu machen, will man weiterhin für Mitglieder attraktiv bleiben.
Wie diese Vision umgesetzt werden soll, scheint noch nicht ganz klar zu sein. Derzeit sucht die ASQ aktiv den Kontakt mit EOQ und EFQM. Ob dies der Anfang der Wegstrecke zur globalen Hyperorganisation ist, wie ihn Autohersteller, Banken und Versicherungen weltweit bereits beschritten haben?
American Society for Quality (ASQ)
Ein Kind des 2. Weltkriegs, durch den Produktqualität überlebenswichtig wurde, wurde die ASQ 1946 als Zusammenschluß mehrerer Qualitätsverbände der USA gegründet und widmete sich zunächst der Verbreitung von SPC und anderen Methoden der Prozeßkontrolle. Heute hat die ASQ über 133 600 Einzel- und 1 100 Firmenmitglieder und tritt mit dem Anspruch auf, weltweit anerkannter Vorreiter in Sachen umfassende Qualität zu werden.
Jährlich einmal veranstaltet die ASQ einen dreitägigen Kongreß, der eine Vielzahl von Qualitätsthemen für alle Branchen behandelt. Der nächste Annual Quality Congress findet vom 24.-26. Mai 1999 in Anaheim, Kalifornien, statt.
Ergänzende Informationen ASQ unter:
Kontakt zur Autorin über die Kennziffer.
Weitere Informationen A QE 307
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