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Messzeiten drastisch reduziert

Montage-Vorrichtungen mit Lasermesstechnik prüfen
Messzeiten drastisch reduziert

Seit vier Jahren setzt die EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) in Augsburg auf die Lasermesstechnik und den Laser Tracker von Leica Geosystems. Dadurch entfallen bei dem Hersteller von Flugzeugstrukturen und kleinen Baugruppen aufwändige Messaufbauten zur Prüfung von Montage-Vorrichtungen bzw. umständliche Transporte von Messobjekten. Zudem sparen die Augsburger mit der modernen Technik Messzeit.

Horst Schwarzwälder, Fachautor, Esslingen am Neckar

Für Johann Krinninger, innerhalb des Leistungscentrums „Sonderfertigung und Musterbau“ verantwortlicher Meister für die Montage und Wartung der Fertigungsmittel, ist der Laser Tracker so etwas wie die Krone einer messtechnischen Entwicklung. Vierzig Jahre hat der EADS-Mitarbeiter inzwischen mit der Messtechnik zu tun. Er kennt die Zeiten, als man sich seine Messmittel noch selber bauen musste, weil sie nirgendwo zu kaufen waren. Aus Vierkant-Material fertigten er und seine Kollegen schwere Lineale, die sie durch die Hallen schleppten – je nachdem, wo was zu messen war. Die Qualitätssicherung war ein richtiges Handwerk. Lehren, Nivelliergeräte, Fluchtfernrohre und Endmaße gehörten ebenso zur Grundausstattung wie Schraubzwinge und Wasserwaage. Bis vor wenigen Jahren hat der messtechnische Alltag bei der EADS in Augsburg nicht genau so aber doch ähnlich ausgesehen. Um zum Beispiel eine großdimensionierte Montage-Vorrichtung zu prüfen, war ein aufwändiger Messaufbau zu absolvieren, der teilweise einen vollen Tag in Anspruch nahm. Mit dem Laser Tracker haben sich die Abläufe grundlegend geändert. Einfach aber überzeugend umschreibt Krinninger den messtechnischen Fortschritt: „Zack – und das Ergebnis steht auf dem Bildschirm.“
Laser kompensiert Messtechnik-Engpass
1998 holten sich die Vorrichtungsbauer der EADS den ersten von drei Laser Trackern des Herstellers Leica Geosystems ins Haus. Es war an der Zeit, sich der modernen Laser-Technik zu bedienen, denn der Messbedarf wuchs rapide an. Die Produktionszahlen im zivilen Flugzeugbau hatten steigende Tendenz, folglich musste die EADS eine wachsende Zahl von Fertigungsmitteln produzieren und vermessen, die dann ihrerseits einer regelmäßigen Turnusprüfung (Wartung) unterlagen. Das Pensum ließ sich mit konventionellen Messmethoden nicht mehr wirtschaftlich lösen. Ein zweiter Grund für vorprogrammierte Engpässe im Messtechnik-Bereich war der Serienbeginn des Eurofighters im gleichen Jahr. Augsburg montiert dabei die Rumpfmittelteile für jeden zu produzierenden Eurofighter. Die dafür notwendigen Vorrichtungen wurden teilweise unter Zuhilfenahme des Laser Trackers aufgebaut. Entweder kommt eine Vorrichtung zum Einsatz oder sie wird zum Beispiel im Rahmen einer turnusmäßigen Kontrolle vermessen, um gegebenenfalls nachfolgend korrigiert zu werden. Beides gleichzeitig geht nicht. Deswegen waren beim Einsatz von konventionellen Messmethoden die langen Stillstandszeiten in der Montage auch ein ernst zu nehmender Kostenfaktor. Wenn der Messaufbau einen Tag in Anspruch nahm, war die Produktion in dieser Zeit blockiert. Krinninger erinnert sich: „Angesichts der strammen Auftragslage mussten wir hier etwas verändern.“ Die Fertigungspausen gibt es zwar immer noch, aber sie dauern nun bei weitem nicht mehr so lange mit dem Laser Tracker. Und dieser Zeitvorteil bedeutet für die EADS bares Geld. Die zeitliche Einsparung hängt nicht nur mit dem Messaufbau, sondern auch mit dem Messaufwand zusammen. Die Messzeit wird umso größer, je komplexer die Vorrichtung ist. An manchen Messobjekten können Krinninger und seine Mitarbeiter auch mit dem Laser Tracker schon mal zwei Tage kontinuierlich messen. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Messzeit gerade mal bei einer Stunde liegt.
Doch wie groß ist die Zeitersparnis durch den Laser Tracker im Vergleich zu den konventionellen Methoden nun tatsächlich? Dr. Klaus Przemeck, Senior Manager Sonderfertigung und Musterbau bei der EADS in Augsburg, scheut den direkten Vergleich. Schließlich sei jede Vorrichtung anders und habe ihre speziellen Eigenheiten, die sich direkt auf die Messzeit auswirken. „Man kann allerdings eine Standard-Vorrichtung wie beispielsweise die Modulpalette heranziehen, um den Vorteil sichtbar zu machen“, erklärt Dr. Przemeck. Sogenannte Modulpaletten werden in Augsburg gefertigt und dienen dazu, großflächige Schalen für Airbus-Flugzeuge aufzunehmen, die dann unter anderem mit einer automatischen Nietanlage bearbeitet werden. Bei dieser klassischen Vorrichtung, die häufig zu prüfen ist, konnten die Augsburger eine Messzeit-Verkürzung von bis zu 70 Prozent verzeichnen. Allerdings muss die Einsparung nicht bei allen Mess-Objekten zwangsläufig so groß sein.
Mobil messen vor Ort
Wie funktioniert dieses neue Wunderwerk der Messtechnik? Warum werden zeitliche Einsparungen für den Anwender sofort spürbar? Der Laser Tracker ist ein optisches Koordinatenmessgerät (siehe auch Kasten), das nicht nur hochgenaue Ergebnisse liefert, sondern obendrein mobil ist. Damit steht das Leica-Produkt zugleich für einen Trend, der sich in der Messtechnik schon seit geraumer Zeit abzeichnet. Zudem ist ab einer gewissen Größe des Messobjektes ein Transport ohne weiteres nicht mehr möglich oder sinnvoll.
Für Dr. Przemeck ist diese Mobilität eine weitere Einsparung, die sich letztlich auch in Euro und Cent niederschlägt.
Auch das Schleppen von meterlangen Linealen hat ein Ende. Johann Krinninger bezeichnet den Laser Tracker deshalb gerne als „Gramm-Produkt“. Natürlich wiegt das Leica-Produkt wesentlich mehr. Aber der so genannte Reflektor, mit dem Krinninger und seine Mitarbeiter während der Messungen arbeiten und der ständig in der Hand gehalten wird, wiegt tatsächlich nur ein paar Gramm. Der Reflektor ist im Prinzip eine kleine Kugel, in die ein Spiegelsystem eingebaut ist. Damit fangen die Mitarbeiter des Vorrichtungsbaus den Laserstrahl sozusagen auf, der vom Tracker ausgesandt wird. Egal, wie die kleine Kugel bewegt wird: Der Laserstrahl folgt stets den Bewegungen der Hand.
Da der Laserstrahl in sich zum Tracker zurückgeworfen wird, kann er im Gerät hochgenau ausgewertet werden – so genau, dass sich die Entfernung zwischen Tracker und Reflektor auf 10 µm pro Meter Abstand genau ermitteln lässt. Dieser Wert markiert zugleich die maximale Genauigkeit des Laser Trackers bei der absoluten Distanzmessung. Bei der Wahl des Modells haben die Augsburger von Beginn an nicht gekleckert, sondern sich mit dem LTD 500 gleich den Mercedes unter den Laser Trackern ins Haus geholt. Das Modell verfügt beispielsweise über eine zusätzliche Kamera, die den Reflektor eigenständig sucht und das System neu ausrichtet, wenn die Verbindung zwischen Reflektor und Tracker unterbrochen war. Das passiert, wenn der Laserstrahl durch ein Hindernis gekappt wurde, etwa eine Strebe oder ein Blechteil. Zu Beginn eines jeden Messvorgangs misst sich der Mitarbeiter in das Objekt ein. Das heißt, es werden drei bis fünf Bezugspunkte aufgenommen, die am Bauteil markiert und in ihren Koordinaten bekannt sind. Danach ist der Laser Tracker ausgerichtet und für weitere Messungen bereit. Nach diesem Einstiegsritual gehen die Mitarbeiter auf Punktefang: Mit dem Reflektor in der einen Hand legen sie einen 3D-Messpunkt fest, mit der Fernbedienung in der anderen Hand wird dann die Messung ausgelöst. Im gleichen Augenblick sind die Koordinaten im stationären PC gespeichert und stehen für den späteren Vergleich mit den CATIA-Daten zur Verfügung. Das ganze funktioniert auch ohne Fernbedienung. In diesem Fall steht ein Kollege direkt am PC und löst die Messung auf Zuruf aus.
Beide Vorgehensweisen sind in der Praxis üblich. Doch die EADS hat nicht nur das Top-Modell LTD 500 im Einsatz, sondern verfügt über eine Zusatzausstattung vom Feinsten. Hierzu zählt ein kleiner Handheld-Computer, den der Mitarbeiter während der Messungen mitführt. Auf dem Laptop befindet sich eine abgespeckte Version der sogenannten Axyz-Software von Leica, eine Art Betriebssystem für das optische Messgerät. Auf diese Weise ausgerüstet kann der Mitarbeiter den Reflektor positionieren und am Handheld-PC die Messung auslösen. Der Vorteil: Er sieht sofort auf dem Display, was er gemessen hat und muss nicht ständig den stationären PC im Auge behalten – sofern der sich überhaupt noch in seinem Blickfeld befindet. Auch der zweite Kollege wird in diesem Fall überflüssig, was ebenfalls Zeit und damit Geld spart. Doch die beste Technik ist wertlos, wenn sie von den Mitarbeitern abgelehnt wird. Dieser Tatsache ist sich Dr. Przemeck bewusst und deswegen setzte die Abteilung von Anfang an auf eine professionelle Schulung. „Der erste Kurs, an dem fünf Mitarbeiter teilnahmen, dauerte fünf Tage,“ erzählt Dr. Przemeck. „Wir haben dann festgestellt, dass beides zu viel war.“ „Die praktischen Übungen am Laser Tracker sind wichtig, brauchen ihre Zeit und müssen verdaut werden“, versichert Christian Hellwig, Vertriebsingenieur bei Leica Geosystems in München. Aus diesem Grund ist heute die Zahl der Schulungsteilnehmer auf drei bis vier begrenzt und ein Kurs dauert maximal drei Tage. Erst wenn die frisch gebackenen Anwender mit dem Gerät nicht mehr weiter kommen und Fragen formulieren, wird nachgeschult. Dieses Konzept greift besser als das anfängliche Hau-Ruck-Verfahren. Nach 1998 und 2000 wurde im Juni diesen Jahres der dritte Laser Tracker von Leica Geosystems geliefert. Für Dr. Przemeck stand es nie zur Diskussion, auf ein anderes Modell als den LTD 500 oder gar einen anderen Hersteller zu wechseln: „Wir haben mit dem ersten Gerät positive Erfahrungen gesammelt und uns mit Zusatz-Equipment eingedeckt. Unsere Mitarbeiter sind geschult und mit der Technik vertraut. Und schließlich löst der Laser Tracker unsere Messaufgaben so, wie wir uns das vorstellen. Warum sollten wir diese Situation verändern?“
Laser Tracker: Trendsetter in der Messtechnik
Was von weitem an einen Hydranten erinnert, ist in Wirklichkeit ein hochsensibles, optisches Koordinaten-Messgerät. Der Laser Tracker ist ein aufsteigender Zweig nicht nur beim Hersteller Leica Geosystems, sondern in der Messtechnik allgemein.
Herzstück des Produktes ist ein Laserinterferometer, das senkrecht in das System eingebaut ist. Der erzeugte Laserstrahl verlässt den Tracker am Kopfstück und wird über einen Planspiegel so umgelenkt, dass er stets in das Zentrum eines sogenannten Reflektors oder Tripel-Spiegels trifft, den der Benutzer in der Hand hält. Egal, wie sich der Anwender bewegt, der Strahl folgt immer dem Reflektor. Gleichzeitig wird der Laserstrahl permanent in sich zurückgeworfen und kann so im System ausgewertet werden. Der Benutzer legt den Reflektor auf die zu vermessenden Punkte des Objekts und löst eine Messung aus. Im gleichen Moment sind die Koordinaten des erfassten Raumpunktes im System abgelegt. Der Tracker arbeitet mit einem Polar-Koordinatensystem.
Die Koordinatentripel der Messpunkte bestehen aus zwei Winkeln (horizontale und vertikale Ausrichtung des Kopfstückes des Trackers) und der Entfernung zwischen Tracker und Reflektor.
Genauigkeit ist eine der herausragenden Eigenschaften des Laser Trackers. Sie liegt nach Angaben des Herstellers bei 10 µm/m für statische Ziele. Für leicht bewegte Ziele liegt der Wert bei 20 µm/m, für schnell bewegte Ziele bei 40 µm/m (Angaben sind jeweils 2 Sigma Werte).
Das Messvolumen des Trackers beträgt 70 Meter oder 35 Meter in jede Richtung. Deswegen ist die Technologie für großvolumige Messobjekte wie geschaffen. Bei der absoluten Distanzmessung besticht das Messgerät mit einer Auflösung von 1 µm. Auch zum Scannen lässt sich der Laser Tracker nutzen. Hierbei schafft das Modell eine Messrate von 1000 Punkten/sec.
Einsatzfelder des Laser Tracker im Flugzeugbau
Turnusprüfung: Bei der EADS wird in regelmäßigen Abständen die Maßhaltigkeit und Funktionalität der eingesetzten Vorrichtungen geprüft.
So ist sichergestellt, dass Flugzeugstrukturbauteile darauf korrekt montiert oder gefertigt werden können. Zu den Messobjekten zählen zum Beispiel Modulpaletten für die Aufnahme von großflächigen Schalen, die später zu komplexen Airbus-Flugzeugstrukturen montiert werden. Auch die so genannten Hellinge werden regelmäßig mit dem Laser Tracker unter die Lupe genommen.
Hellinge ist ein Insider-Begriff, der kaum außerhalb der Flugzeugbauwelt bekannt sein dürfte. Darunter versteht man Großbau-Vorrichtungen, auf denen verschiedene Komponenten, die zuvor auf Modulpaletten oder Bauvorrichtungen vorgefertigt wurden, zu einem kompletten Bauteil zusammengeführt werden. Solche Hellinge sind bei der EADS in Augsburg bis zu zehn Meter lang, acht Meter breit und sechs Meter hoch. Für die zukünftig in Augsburg zu montierenden Strukturbauteile des A380 sind noch größere Fertigungsmittel-Dimensionen zu erwarten. Bauteileprüfung:
Die Augsburger Vorrichtungsbauer vermessen nicht nur Fertigungs-Vorrichtungen mit dem Laser Tracker, sondern auch gefertigte Flugzeugbauteile und Flugzeugstrukturen – sowohl im zivilen wie auch im militärischen Bereich. Auf diese Weise wird vermieden, dass es in der Endmontage zu Unstimmigkeiten kommt.
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