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Mit mehr Leistung zu besseren Prozessen

Roundtable von Quality Engineering und Elektro Automation
Mit mehr Leistung zu besseren Prozessen

Die Bildverarbeitung hat sich etabliert, um schnell und effizient die Qualität in der Produktion zu prüfen und damit sicherzustellen. Interessant ist darüber hinaus die Möglichkeit, über die IO/NIO-Prüfung hinaus Regelkreise zu schließen – mit den Ergebnissen aus der Bildverarbeitung also die laufenden Fertigungsprozesse zu optimieren. Quality Engineering und Elektro Automation haben Experten in einem Roundtable befragt, wie der Stand der Dinge ist.

Der Autor: Michael Corban Redaktion Elektro Automation

Mittels der Bildverarbeitung Regelkreise zu schließen und somit laufende Fertigungsprozesse zu optimieren – geht so etwas heute schon und wie oft wird es bereits eingesetzt?
Keppler: Es geht auf jeden Fall – und es wird auch schon genutzt. Etwa bei der Steuerung von Schweißprozessen, bei denen mit speziellen Kameras in die Schmelze geschaut und die Schweißnaht analysiert werden kann, wodurch sich die Schweißparameter ändern lassen und der Lichtbogen gesteuert werden kann. Ein weiteres Beispiel findet sich bei der Bewegungssteuerung von Robotern mit Hilfe der Bildverarbeitung, bei der ebenfalls eine Rückmeldung gegeben und genutzt wird. Der Nutzen für den Anwender ist offensichtlich: Er stellt rechtzeitig fest, dass etwas schief läuft – und kann dadurch den Ausschuss senken, Ressourcen einsparen, die Produktion optimieren und damit letzten Endes Geld sparen.
Reuter: Ein sehr interessantes Beispiel für das Schließen von Regelkreisen ist auch das Erkennen des Verschleißes von Werkzeugen. Denn in allen Prozessen, in denen Metall verformt wird, tritt Verschleiß auf. Will heißen: Entweder müssen Werkzeuge gewechselt werden oder etwa Parameter an der Biegemaschine nachjustiert werden. Hier kommen inzwischen recht aufwendige Kameraanwendungen zum Einsatz, die es das erste Mal überhaupt ermöglichen, die aufgenommene 3D-Punktewolke einer Oberfläche oder eines Verlaufs auf CAD-Daten zu mappen und zu vergleichen. Alle bisherigen Lösungen in der Industrie lebten davon, dass ein Mensch den Messschieber in die Hand nimmt und irgendwo das abgelesene Ergebnis eingibt, was dann ja auch wieder risikobehaftet ist. Hier ermöglicht uns die digitale Bildverarbeitung das erste Mal die Rückkoppelung auf Daten-Ebene.
Stengel: Generell werden Rückmeldungen bereits sehr häufig gegeben. Hier zeigt sich, dass sich die Leistungsfähigkeit der Bildverarbeitung erhöht hat – mit leistungsfähigeren Prozessoren können nicht nur ebenfalls leistungsfähigere Algorithmen genutzt werden sondern auch unterschiedlichste Algorithmen innerhalb eines Tasks abgearbeitet werden, um mehr Informationen aus der Bildverarbeitung zu gewinnen.
Bleise: Wie weit die Bildverarbeitung dabei fortgeschritten ist, zeigt sich besonders gut abseits industrieller Anwendungen – etwa beim autonomen Fahren, bei dem deutlich mehr Einflüsse als im industriellen Bereich zu berücksichtigen sind. Dazu zählen unter anderem plötzlich auftauchende Fußgänger sowie Tageslicht- und Wetterschwankungen. Im industriellen Bereich kommt hinzu, dass Bildverarbeitung oftmals erst die Grundlage legt, um überhaupt am Markt teilzunehmen – beispielsweise dann, wenn in einer Datenbank zusammengeführt werden muss, was wann und wie produziert wurde. Für solch eine Traceability ist Bildverarbeitung einfach essenziell notwendig. Dies legt gleichzeitig die Grundlage für das Schließen von Regelkreisen.
Lehmann: Die Forderung, Regelkreise zu schließen, taucht immer häufiger auf. Dazu zählen auch Fälle aus dem Bereich der Identifikation. Hier wird beispielsweise geprüft, ob ein Code sauber gedruckt und gelesen werden kann, andernfalls muss die Druckqualität im Prozess verbessert werden.
Ott: Bei der angestrebten Inline-Kontrolle – die mittlerweile eben möglich ist – geht es immer darum, Fehler im Prozess frühzeitig zu finden und letzten Endes eine 100-Prozent-Kontrolle zu realisieren. Dazu muss auch automatisiert werden, um solche Prozesse wirtschaftlich zu gestalten. Von Vorteil ist dann aber, dass die Bildverarbeitung konstant reproduzierbar arbeitet, am Montagmorgen genauso wie am Freitagnachmittag. Zahlreiche Anwendungen – von der sortenreinen Zuführung über die Lagekontrolle von Bauteilen – lassen sich auf diese Weise automatisieren. Solche Projekte rechnen sich in der Regel sehr schnell, sobald die ersten Fehler entdeckt und behoben wurden. Erwähnt sei aber, dass neben dem Schließen von Regelkreisen auch die reine I.O./N.i.O.-Entscheidung weiter Bestand haben wird.
Wo liegt denn die Herausforderung beim Schließen von Regelkreisen?
Reuter: Letztlich ist hier Latenz das Stichwort, das eine Rolle spielt. Die Frage ist, wie wir im Maschinenbau in Prozesse eingreifen können, die so schnell sind, dass wir Menschen sie nicht beobachten können. Alles, was in diese Prozesse eingreift, muss also latenzarm sein. Wir sind hier mit den Komponenten der Bildverarbeitung auf einem sehr guten Weg, weil mittlerweile latenzarme Transportwege von den Sensoren in computerbasierte Hardware beliebiger Art existieren. Standards, neue Schnittstellen und Übertragungsmedien helfen uns dabei, ein latenzarmes Bildverarbeitungssystem aufzubauen, um auch schnelle Prozesse entsprechend zu unterstützen.
Keppler: Bisher hat man ja im Maschinentakt gedacht, was auch für eine Qualitätskontrolle richtig war und ist – dabei wird schließlich jedes Teil inspiziert und Taktraten von zehn Teilen pro Sekunde sind schon viel, sprich zehn Bilder pro Sekunde. Neue Kameras ermöglichen dagegen sehr hohe Frameraten und Auflösungen sowie FPGA-Unterstützung – denn die resultierende Datenflut muss man ja beherrschen. Damit lassen sich die Regelkreise dann aber auch tatsächlich aufbauen.
Ergibt sich daraus nicht gegebenenfalls ein Kostenproblem?
Keppler: Das kann schon sein, wobei hier die Gesamtkosten entscheidend sind. Rechnet man nicht nur den ansonsten produzierten Ausschuss, sondern auch die Entsorgung von defektem Material – die ja immer teurer wird – dagegen, treten die Kosten der Bildverarbeitung in den Hintergrund. Deshalb lohnt es sich auch, die Bildverarbeitung bereits bei der Auslegung einer Fertigungsanlage mit zu berücksichtigen. Die dann viel bessere Integration eröffnet vielfach erst die Möglichkeiten, überhaupt in den Produktionsprozess einzugreifen.
Stengel: Zudem lassen sich über das Schließen eines Regelkreises auch andere Kosten senken, beispielsweise bei der Positionierung in der Qualitätskontrolle. Mehrkosten bei der Bildverarbeitung stehen hier Kosten beim Bau von Vorrichtungen gegenüber. Vor allem aber steigt die Flexibilität bezüglich Produktwechseln – das ist eines unserer großen Themen. Letztendlich gehen ja oftmals gerade im zentraleuropäischen Bereich die Stückzahlen eher nach unten, während gleichzeitig die Produktion immer flexibler und trotzdem hoch automatisiert sein muss. Das ist einer der Punkte, bei denen die Bildverarbeitung sehr stark qualitätsentscheidende Prozesse mit zusätzlichen Funktionen unterstützen kann.
An dieser Stelle profitieren dann auch Industrie-4.0-Konzepte von der Bildverarbeitung?
Keppler: Hierbei geht es um eine ganz neue Herangehensweise an Fertigungsstraßen. Sicher ist, dass Industrie 4.0 ohne Bildverarbeitung nicht funktionieren wird. Mit Blick auf die Losgröße Eins lohnt sich auch der Aufwand für die Integration der Bildverarbeitung, weil genau das die erforderliche Flexibilität bietet – in Einzelfällen kann allerdings sogar eine intelligente Kamera genügen.
Reuter: Interessant ist dabei, dass wir in Industrie-4.0-Konzepten weg von der dedizierten Maschinensteuerung hin zu einer Welt von verteilten und vernetzten Systemen kommen, was natürlich auch für die Bildverarbeitung eine Herausforderung ist. Einerseits stellt sich uns ja die Aufgabe, verwertbare Bilder bei geringer Verlustleistung zu erhalten, andererseits sollen wir aber auch schnelle, latenzarme Industrieschnittstellen mit großer Bandbreite und Vielfalt integrieren – das widerspricht sich zum Teil.
Ott: Um die Kameras gut zu integrieren, sind die Schnittstellen entscheidend. Wurden dazu früher häufig die digitalen Ein- und Ausgänge genutzt, erhalten wir heute vermehrt Anfragen zu EtherNet/IP oder Profinet, damit der Anwender auf diese Weise die Geräte schnell in den Prozess einbinden kann. Über die reinen Hardware-Kosten für die Bildverarbeitung hinaus rückt damit das ganze Engineering ins Blickfeld, um die Geräte auch entsprechend einzubinden.
Wie viel Know-how braucht denn heute der Anwender, um solche Systeme zu integrieren – geht das per Plug&Play?
Lehmann: Davon gehen wir schon aus. Nach dem Anschließen muss zumindest mal ein Minimalbild vorhanden sein, das zu rund 80 Prozent die gestellten Anforderungen erfüllt. Per einfachem Einteachen sollen sich dann Basisaufgaben erledigen lassen – das gilt insbesondere für Identaufgaben. Da möchte man nicht eine Stunde mit der Einrichtung verbringen und selbst bei Zusatzfunktion sollte sich der Aufwand für den Ingenieur in Grenzen halten. Ein Hindernis waren in der Vergangenheit beispielsweise die Settings für die Beleuchtung – das wird nun einfacher.
Stengel: Die Bildverarbeitung kann heute und wird in Zukunft auch immer Standards bringen – und damit immer mehr Möglichkeiten, die Integration zu vereinfachen, bis hin zur einfacheren Bedienung der Software. Der Ingenieur, der Bildverarbeitung auslegt und integriert, kann sich damit wieder mehr auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, weil er sich nicht mit dem Programmieren an sich beschäftigen muss, sondern er auf Parametrierebene eine Lösung findet. In Zukunft kann deswegen auch die grundlegende Konzeption, wie die Anlage aufzubauen ist, zu einer Smart Kamera mit Bildverarbeitung ‚on board‘ führen.
Bleise: Eine Rolle werden bei der Integration in übergeordnete Systeme sicherlich auch wieder die Industrieschnittstellen spielen, die früher in den Kameras standardmäßig nicht vorhanden waren. Über Echtzeit-Ethernet-Systeme wie etwa Profinet wachsen Automatisierung und Bildverarbeitung zusammen – so dass in ein neues Maschinenprojekt der Vision-Teil sofort mit eingebunden wird, die Integration dadurch viel enger wird. Denn die Datenraten, die die Kameras heute erzeugen – die neuen CMOS-Sensoren bieten ja relativ große Auflösungen preiswert an –, müssen transportiert und verarbeitet werden.
Ott: Abhängig von der Aufgabenstellung wird die PC-basierte Bildverarbeitung weiterhin ihre Berechtigung haben, das gilt insbesondere für hochauflösende Systeme. Daneben haben aber auch einfache Vision-Sensoren oder Smart Kameras ihre Berechtigung – für eine lagerichtige Zuführung braucht man nicht unbedingt eine 12-Megapixel-Kamera, da genügt ein intelligenter Vision-Sensor, der einfach zu bedienen ist. Generell sehe ich aber in beiden Welten den Trend, die Software einfacher zu gestalten – komplexe Algorithmik tritt dabei mehr und mehr in den Hintergrund zugunsten einer deutlich einfacheren Bedienung.
Lehmann: Hilfreich ist auf alle Fälle, als Kamerahersteller frühzeitig in Maschinenneuentwicklungen eingebunden zu sein, um sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen der Bildverarbeitung aufzuzeigen. Dann lassen sich auch kundenspezifische Anpassungen vornehmen, so dass die Installation schnell erfolgen kann. Die Kamera wird dann konfektioniert und parametriert geliefert, so dass sie sich im Wesentlichen wie ein Sensor in Betrieb nehmen lässt.
Keppler: Ich habe allerdings ein Problem damit, wenn man versucht, die Bildverarbeitung auf einfaches Plug&Play zu reduzieren. Denn es gibt natürlich Applikationen, die sehr aufwändig und komplex sind. In diesen Fällen ist weiterhin ein Experte hilfreich. Bezüglich der Kosten dürfen wir dann auch nicht so sehr die Kosten der Komponenten oder Integration betrachten, sondern nur der ROI ist von Bedeutung. Und der kann sehr schnell gegeben sein, selbst wenn die Entwicklung ein halbes Jahr gedauert hat – die Lösung muss eben nur zur Aufgabe passen. ■
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