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Nachholbedarf in Sachen Risikoprävention

Studie: Technisches Risikomanagement in produzierenden Unternehmen Deutschlands. Teil1
Nachholbedarf in Sachen Risikoprävention

Der Markt fragt nach Innovationen. Doch je komplexer ein Produkt ist, desto komplizierter und damit auch fehleranfälliger ist der Entwicklungs- und Produktionsprozess. Mithilfe eines effektiv eingesetzten technischen Risikomanagements gelingt es Unternehmen, Risiken weitgehend zu vermeiden. Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT und der P3 Ingenieurgesellschaft mbH zeigt indes, dass produzierende Unternehmen die Potenziale ihres Risikomanagements nicht voll ausschöpfen.

Industrieunternehmen sind heutzutage einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt. Diese entstehen sowohl bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens als auch bei der Produktion, der Entwicklung neuer Produkte oder der Einführung neuer Produktionsverfahren und Unternehmensprozesse. Äußere Einflüsse wie rechtliche Vorschriften, Preis-, Qualitäts- und Wettbewerbsdruck, kürzere und flexiblere Lieferfristen oder die Reduzierung der Produktlebenszyklen erhöhen die Chance zusätzlich, dass sich Fehler in die Unternehmensprozesse einschleichen. Unternehmen, die all diese Risiken in den Griff bekommen möchten, stehen vor einer enormen Herausforderung. Sämtliche Risiken sind frühzeitig zu erkennen und zu klassifizieren. Zugleich gilt es, eingetretene Risiken zu behandeln oder mit geringem Aufwand zu beheben. Schließlich müssen die Akteure sicherstellen, dass eingetretene Risiken in Zukunft vermieden werden.Wem das gelingt, kann seine Produkt- und Prozessqualität enorm steigern und damit letztlich wertvolle Wettbewerbsvorteile erzielen.

Risikomanagement in Deutschland
Wie produzierende Unternehmen in Deutschland Risikomanagement verstehen und in ihren Prozessen umsetzen, haben das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT und die P3 Ingenieurgesellschaft mbH in ihrer aktuellen Studie „Technisches Risikomanagement in produzierenden Unternehmen“ untersucht. Hierzu haben sie 180 Unternehmen befragt. Die größte Teilnehmerzahl stammt mit 33,5% aus dem Maschinen- und Anlagenbau, gefolgt von der Automobilindustrie (inklusive Zulieferern) mit 21,8%, Unternehmen der Elektrotechnik (9,5%) und der Medizintechnik (6,7%). Der überwiegende Teil der Studienteilnehmer schätzt seine Produkte selbst als sehr innovativ und komplex ein.
Im Ergebnis konnten die Studienautoren feststellen, dass die Unternehmen sich durchaus darüber bewusst sind, dass sie technisches Risikomanagement (TRM) brauchen. Am Ende fehlt aber oft die Konsequenz, die Zeit oder das Personal, die Methoden effektiv in die Unternehmensprozesse zu integrieren. Dadurch geht der nachhaltige Nutzen ihrer Bemühungen verloren.
Risikomanagement ist präventives Qualitätsmanagement
Unter TRM verstehen die Studienautoren den systematischen Umgang mit potenziellen Risiken, die den Produkterfolg während der Entwicklungsphase und später bei der Herstellung oder der Markteinführung gefährden. Bezogen auf das gesamte Qualitätsmanagement zur Absicherung der Produkt- und Prozessqualität ist TRM somit eine bedeutende Aufgabe, die den gesamten Produktzyklus von der frühen Entwicklung bis zur Fertigung des ausgereiften Produktes begleitet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Unternehmen ihr TRM präventiv einsetzen.
Aus den Ergebnissen der Umfrage geht jedoch hervor, dass ein Großteil der Unternehmen den Vorteil der präventiven Produkt- und Prozessabsicherung noch nicht nutzt. Die Befragungsergebnisse zu den Zielen des Risikomanagements zeigen, dass zwar rund 55% der Unternehmen die frühzeitige Vermeidung von Produktionsplanungs- oder Produktfehlern in der Entwicklung als Ziel ihres Risikomanagements bezeichnen (Bild 1). Gleichzeitig geben aber ungefähr 62% an, dass eine Risikoanalyse erst beim Auftreten von Fehlern an Produkt oder Prozess durchgeführt wird.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass viele Unternehmen den präventiven Charakter des Risikomanagements erkannt haben, die Umsetzung in der Praxis aber auf einen reaktiven Einsatz schließen lässt. Statt Risikomanagement betreiben sie Krisenmanagement. Nur wenige Unternehmen sehen in Risikoanalysen eine Chance.
Unsicherheiten bei der Organisation
Eine der zentralen Herausforderung zur Realisierung eines effektiven Risikomanagementsystems ist die organisatorische Verankerung in den Abläufen des Unternehmens. In diesem Punkt offenbart die Studie große Unsicherheiten bei den Unternehmen. Knapp 80% der befragten Unternehmen betrachten die Integration in bestehende Strukturen sogar als die größte Herausforderung.
Immerhin gibt mit 69,8% der Großteil der Befragten an, überhaupt einen konkreten Risikomanagementprozess definiert zu haben. Dabei ist die am häufigsten genannte Organisationsform die selbstständige Risikomanagementabteilung (39,1%). 36,6 % der Befragten organisieren ihr TRM in Projekten in bereichs- bzw. abteilungsübergreifenden Teams und bei 27,4% erfolgt die Organisation eigenständig in jedem Projekt des Unternehmens (Bild 2).
Doch Prozesse zu definieren ist das eine – sie auch umzusetzen und zu leben das andere. Genau an dieser Anforderung scheitern offenbar viele Unternehmen: Dabei sehen fast 59,2% der Unternehmen das Kernproblem darin, die Risikomanagementaktivitäten in die bestehenden unternehmerischen Strukturen zu integrieren, z. B. Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu definieren. 32,4% stehen vor der Herausforderung, die Verantwortungen im Risikomanagement klar zu definieren. 23,5% geben an, dass die Beschreibung eines Risikomanagementprozesses zu aufwendig ist.
Risikomanagement ist Chefsache
Ein wichtiger Erfolgsfaktor in Sachen TRM ist die Beteiligung der Unternehmensführung. Auch hier belegt die Studie indes, dass viele Unternehmen diesen Faktor unterschätzen. Lediglich 44,7% der Befragten sagen, dass sich die Unternehmensführung operativ am Risikomanagement beteiligt. Der Anteil der Beteiligung der Unternehmensführung am technischen Risikomanagement ist dabei umso höher, je kleiner das Unternehmen ist. So liegt der Wert bei den Kleinstunternehmen mit 72,4% mehr als doppelt so hoch als bei den Großunternehmen (31,8%). Die Unternehmensführung bei den größeren Unternehmen lässt sich häufiger nur informieren und entscheidet zu 55,1% auf der Basis von Reports.
Ausblick
Bei der Organisation des Risikomanagements bedarf es nicht nur der Definition von Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Vor allem mit Blick auf eine nachhaltige Vermeidung von Risiken ist es wichtig, individuelle und passgenaue Prozesse in Bezug auf Analyse, Dokumentation und Kommunikation der Risiken festzulegen. Auch hier fehlt es bei vielen Unternehmen an der entscheidenden Konsequenz. Was dagegen die Methodenauswahl bei der Risikoanalyse angeht, scheint es an für die Mehrzahl der UnternehmenhandhabbareMethoden zu fehlen. Beide Aspekte beleuchtet Teil 2 des Artikels.
Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen www.ipt.fraunhofer.de

Zur Studie

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Dieser Artikel ist die erste von zwei Veröffentlichungen basierend auf der Studie “Technisches Risikomanagement in produzierenden Unternehmen“.
Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT und die P3 Ingenieurgesellschaft mbH haben neben den Zielen und dem Nutzen von Risikomanagement sowie der Organisation noch zahlreiche weitere Aspekte untersucht. Dazu gehören auch Themen wie der Methodeneinsatz, Risikoanalyse sowie der Kommunikation und Dokumentation von Risiken. Der gesamte Bericht ist zum Verkaufspreis von 199 Euro am Fraunhofer IPT bei Thomas Zentis ( thomas.zentis@ipt.fraunhofer.de) oder bei der P3 Ingenieurgesellschaft bei Anton Czech ( anton.czech@p3-group.com) erhältlich.
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