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Neue Normung

GPS - Geometrische Produktspezifikationen und -prüfung
Neue Normung

Unter dem Kürzel „GPS“ verbirgt sich das bisher umfangreichste Normungsvorhaben zur Tolerierung und Prüfung der geometrischen Gestalt technisch gefertigter Teile seit Bestehen der internationalen Normungsorganisation ISO. Die vollständige Bezeichnung des Normungsvorhabens lautet: „Geometrische Produktspezifikationen und -prüfung“. Gegenstand des Normungsvorhabens ist das Tolerieren und Prüfen von Maßen, Form, Lage und Rauheit.

Dr. rer. nat. Rainer Bartelt, Schulungsleiter Mahr GmbH, Göttingen

Die Auswirkungen betreffen nicht nur die industrielle Qualitätssicherung, sondern auch die Konstruktion und Fertigung [1].
Die Zertifizierung des Qualitätsmanagements nach DIN EN ISO 9000 ff. setzt ebenso wie verwandte Normen eindeutige, vollständige Zeichnungen mit realistischen Toleranzen voraus. Neben anderen wichtigen Angaben fehlt jedoch in vielen Normen zur Meßtechnik bisher der sogenannte „default case“, der für jede zu messende geometrische Größe Meßbedingungen festlegt, wenn diese in der technischen Zeichnung nicht spezifiziert sind. Ein Beispiel sind die Normen zu Form- und Lageabweichungen, die bislang nur das Verfahren zum Messen von Rundheitsabweichungen beschreiben, wobei sie u.a. die für die rechnerische Auswertung wichtige Wahl des Filtergrenzwertes und des Bezugskreises offenlassen.
Ein zweiter Grund für das neue Normungsvorhaben der ISO liegt in nationalen Normen, die den internationalen Festlegungen zum Teil widersprechen. Dies betrifft auch Grundsätzliches, wie das Beispiel DIN 7167 „Zusammenhang zwischen Maß-, Form- und Parallelitätstoleranzen“ zeigt: Die in der deutschen Norm geforderte Hüllbedingung ohne Zeichnungseintragung steht im direkten Widerspruch zum international gültigen Tolerierungsgrundsatz, dem in DINISO 8015 beschriebenen Unabhängigkeitsprinzip. Derartige nationale Alleingänge passen nicht in eine Zeit, die nach zunehmender Globalisierung des Welthandels strebt.
Auch die im vergangenen Jahrzehnt stattgefundene Weiterentwicklung der Meßgeräte von der Analog- zur Digitaltechnik schafft die Notwendigkeit einer grundlegenden Überarbeitung vorhandener Normen zur geometrischen Tolerierung und Prüfung. Fast alle ISO-Normen sind entstanden, als es weder CAD noch CAQ gab – heutzutage werden einwandfreie mathematische Festlegungen für alle geometrischen Eigenschaften benötigt, die in den vorhandenen Normen oftmals fehlen.
Der Masterplan ISO/TR 14638
Der ersten Schritt, den die internationale Normungsorganisation ISO tat, um einen „roten Faden“ in die Vielzahl der Normen zur Werkstückgeometrie zu bringen, war das Zusammenfassen verschiedener Arbeitsgruppen zu einem neuen ISO-Komitee TC 213 im Jahr 1996. Im zweiten Schritt wurde beschlossen, alle bestehenden und neu zu erstellenden Normen über Spezifikationen der Produktgeometrie und deren Prüfung zukünftig in einen Masterplan einzutragen, dessen Pflege und weitere Ausgestaltung in den Händen des neugeschaffenen ISO-Komitees liegt.
Der als Vornorm DIN 32950 [2] veröffentlichte Masterplan schafft einen Überblick über den aktuellen Stand des Normungsvorhabens und soll die Widerspruchsfreiheit, Vollständigkeit und den Grundsatz der Ergänzung für alle GPS-Normen gewährleisten. Als Tabelle besteht der Masterplan aus einzelnen Feldern, die in Zeilen und in Spalten eingeteilt sind. Die Zeilen des Masterplans enthalten alle Normen über gleiche geometrische Eigenschaften und werden als Normketten bezeichnet. Unterschieden werden allgemeine Normketten zu den Themen Maß, Abstand, Radius, Winkel, usw., und ergänzende Normketten zu Fertigungsverfahren und Maschinenelementen.
Neben allgemeinen und ergänzenden GPS-Normen, die die diesbezüglichen Normketten betreffen, werden noch GPS-Grundnormen und globale GPS-Normen unterschieden. Grundnormen betreffen die ersten beiden Spalten des Masterplans, globale Normen eine oder mehrere Normketten. Ein Beispiel für eine GPS-Grundnorm ist die bereits erwähnte Norm DINISO 8015, ein Beispiel für eine globale Norm ist die DIN 102 entsprechende Norm ISO 1, die die Bezugs-temperatur für Längenmessungen an Werkstücken festlegt. Eine wichtige Aufgabe des ISO/TC 213 wird es sein, jedes Feld des Masterplans mit mindestens einer Norm auszufüllen.
Auswirkungen auf die deutsche Industrie
Die Themenbereiche des Masterplans
l Angaben zu Zeichnungseintragungen
l Definition der Toleranzen
l Definition der Eigenschaften des Istformelements, Kenngrößen
l Ermittlung der Abweichung des Werkstücks, Vergleich mit Toleranzgrenzen
l Anforderungen an Meßeinrichtungen
l Kalibrieranforderungen, Kalibriernormen
machen sofort deutlich, daß die geplanten und zum Teil bereits eingeführten GPS-Normen von der Konstruktion über die Fertigung bis hin zur Qualitätssicherung alle Stufen der Entwicklung eines Produktes betreffen. Nahm die deutsche Norm bisher in mancher Hinsicht eine Sonderrolle im internationalen Vergleich wahr, so verhindert heute europäisches Recht nationale Alleingänge: Auf europäischer Ebene wurde bereits verbindlich beschlossen, die neuen ISO-Normen in allen Mitgliedsstaaten ohne Änderungen zu übernehmen. Vom internationalen Standard abweichende nationale Normen werden zukünftig nicht mehr möglich sein, auch bereits vorhandene DIN-Normen sind zurückzuziehen.
Sofern man nicht in jedem Einzelfall die von der ISO getroffenen Vorgaben übernehmen kann oder will, wird es sich nicht vermeiden lassen, auch ältere Zeichnungen überarbeiten zu lassen. Das GPS-Projekt hat zudem die Zielsetzung, dem Konstrukteur mehr Verantwortung für Fragen der Qualitätssicherung zu übertragen. Den Default(=Standard)-Bedingungen für das Prüfen von Produktspezifikationen, die in vielen Fällen erstmalig neu festzulegen sind, wird daher große rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung zukommen, denn technische Zeichnungen bilden in vielen Fällen die juristische Grundlage für Streitfälle zwischen Lieferanten und Abnehmern.
Für alle Bereiche, von der Konstruktion bis hin zur Qualitätssicherung, besteht bereits jetzt erheblicher Informations- und Schulungsbedarf. Zwar wird es schon auf der Control ein erstes mobiles Rauheitsmeßgerät geben, das nicht nur den in der GPS-Norm ISO 3274 festgelegten Anforderungen voll entspricht, sondern auch die grundlegenden, als Standard definierten Meßbedingungen ohne Zutun des Bedieners selbsttätig auswählen kann. Dennoch werden Mitarbeiter speziell mit Qualitätsverantwortung nicht umhinkommen, sich über das Normungsvorhaben eingehend informieren zu lassen.
Seit November führt das Deutsche Institut für Normung e.V. Informationstagungen durch, die sich insbesondere an Mitarbeiter mit Führungsverantwortung wenden und einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Normungsdiskussion geben. Ergänzend dazu und zu allgemeinen Themen der Fertigungsmeßtechnik bietet Mahr Schulungen und Seminare an, bei denen es speziell um die praktische Umsetzung der GPS-Normen in der Qualitätssicherung geht.
Literatur
[1] Grode, H.-P.: Geometrische Produktspezifikationen und -prüfung (GPS). DIN-Mitteilungen 76 (1997) 7
[2] DINV 32950: Geometrische Produktspezifikation (GPS). Übersicht. Beuth Verlag. Berlin, April 1997
CONTROL Halle 1 / A 101
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