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Neue Rauheitsnormen

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Neue Rauheitsnormen

Neue Rauheitsnormen

Seit Mitte des letzten Jahres liegen die neuen ISO-Normen [1] bis [7] vor. Die in diesem Komplex der Oberflächenrauheit noch ausstehenden Normen sind für die anwendende Industrie von untergeordneter Bedeutung. Für die deutsche Industrie liegen die genannten sieben ISO-Normen als DIN EN ISO-Normen vor [8] bis [14]. Sie lösen die damit nicht mehr gültigen DIN-Normen ab. Damit ergibt sich zwangsläufig die Frage, welche neuen Gesichtspunkte durch die Konstruktion, Fertigung und Messtechnik bei der Anwendung der neuen Normen zu beachten sind.

Auswirkungen für die Industrie

Durch die Wirksamkeit der neuen ISO-Normen ändert sich für die deutsche Industrie wenig. Ursachen dafür sind:

1. Die deutsche Normung hatte auf dem Gebiet der Beschreibung und der Messung der Oberflächenrauheit in der Vergangenheit einen fortgeschrittenen Stand erreicht, der mit gewissen Abstrichen und nach Diskussion in den entsprechenden ISO-Gremien in die internationalen Normen übernommen werden konnte.

2. Die führenden europäischen Hersteller von Tastschnittgeräten (Bild 1) haben bereits in der Vergangenheit die in den neuen ISO-Normen festgeschriebenen Bedingungen weitestgehend in ihren Geräten realisiert.

3. Die Vertreter der europäischen Gerätehersteller und die deutschen Fachleute haben sich in der ISO-Normenarbeit sehr engagiert.

Unabhängig davon gibt es einige Festlegungen in den genannten ISO-Normen, die einiger Bemerkungen bedürfen. Probleme, auf die in diesem Zusammenhang nicht eingegangen wird, haben sich in den neuen ISO- gegenüber den bisherigen DIN-Normen wenig oder nicht geändert oder sind für die Anwender von untergeordneter Bedeutung.

Kenngrößen und Messbedingungen

Die Definition der Kenngrößen und ihre messtechnische Erfassung mit Tastschnittgeräten lassen sich nicht voneinander trennen und stehen in einem kausalen Zusammenhang. Die Einteilung der Kenngrößen ist in Bild 2 dargestellt [1], [2].

Hiernach wird unterschieden in:

l Primärprofil (P-Profil) – Gesamtprofil nach Anwendung des Filters für kurze Wellenlängen ls),

l Rauheitsprofil (R-Profil) – Profil, das da- nach durch Abtrennen der langwelligen Profilanteile mit dem Profilfilter lc [3] aus dem Priärprofil entsteht und

l Welligkeitsprofil (W-Profil) – Profil, das entsteht durch die nacheinander folgende Anwen dung der Profilfilter lc und lf (Bild 3) auf das Primärprofil.

Die sich daraus ergebenden und für den Normalfall anzuwendenden Messbedingungen sind in Bild 4 und Bild 5 dargestellt. Hierzu machen sich folgende Bemerkungen erforderlich:

Kenngrößen

Neben der Definition von neun Senkrechtparametern, jeweils einem Parameter zur Beschreibung der horizontalen Strukturkomponenten und einem Hybrid-Parameter sowie vier weiteren abgeleiteten Kennwerten sind dieselben Kenngrößen am Rauheitsprofil und auch am Primär- und Welligkeitsprofil definiert. Nimmt man die in ISO 13 565-1 [6] zusätzlichen Parameter zur Beschreibung von Oberflächen mit schichtartigen funktionsrelevanten Eigenschaften hinzu, so ergeben sich fast 50 Kenngrößen, deren Notwendigkeit bezweifelt werden darf [15]. Außerdem kommen für die Blech herstellende- und -verarbeitende Industrie noch weitere, abweichend definierte Kenngrößen oder gleich definierte Kenngrößen, die aber unter abweichenden Messbedingungen zu ermitteln sind, hinzu. Dabei wird der Vorteil einer erstmals durchgehenden, einheitlichen Definition für alle drei Profile keinesfalls übersehen.

Besonders hingewiesen werden soll in diesem Zusammenhang auf die neu definierten Parameter Schiefe Rsk und Kurtosis Rku. Mathematisch stellen sie das 3. bzw. 4. statistische Moment dar, wenn das arithmetische Mittel der Abweichung der Profilordinaten als 1. statistisches Moment definiert wird.

Die Schiefe Rsk des betrachteten Profils ist ein Maß für die Asymmetrie der Amplitudendichtekurve der Ordinatenwerte. Die Kurtosis (Steilheit des Profils) Rku kennzeichnet die Steilheit der Amplitudendichtekurve der Ordinatenwerte (Bild 6). Beide Parameter werden von isolierten Spitzen und Tälern besonders stark beeinflusst.

Zunehmend an Bedeutung zur Kennzeichnung des Funktionsverhaltens von plateauartigen Oberflächen gewinnen die an der Abbott-Firestone-Kurve definierten Kenngrößen Kernrauhtiefe Rk, Reduzierte Spitzenhöhe Rpk, Reduzierte Riefentiefe Rvk sowie die Materialanteile Mr1 und Mr2 (Bild 7), [6] und [7].

Die MOTIF-Methode [5], in der deutschen Industrie nahezu unbekannt, in der Luftfahrttechnik und insbesondere im Automobilbau Frankreichs seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt, trägt nicht dazu bei, die Anwendung der Oberflächenparameter übersichtlicher zu gestalten. Dabei sei darauf verwiesen, dass die Umrechnung von Parametern aus dem seit Jahrzehnten weltweit verwendeten M-System (mean-line-system) in das nun in der internationalen Normung (ISO)- und somit auch in den deutschen Normen (DIN EN ISO) existierende MOTIF-System nicht möglich ist.

Messbedingungen

Auf die bezüglich der Filterung und des Messpunktabstandes durch Gerätehersteller einzuhaltende Messvoraussetzungen wurde bereits hingewiesen. Die Norm weist nur noch das phasenkorrekte Gauss-Filter mit einer Übertragungsrate von 50 Prozent für den Nennwert der Filterkennlinie (Bild 3) aus. Durch die Einführung einer kurzen Nennwellenlängenbegrenzung ls entstehen Übertragungsbänder für das Rauheitsprofil. Sinn dieser kurzen Wellenlänge ls ist es, die gemessene Rauheit nach unten zu begrenzen. Sie wird durch die Tastnadelgeometrie, das dynamische Verhalten der Tastsysteme, den elektronischen Aufbau der Geräte und die sinnvolle Verarbeitbarkeit der Digitalisierungsabstände beeinflusst. Die empfohlenen Bandbreiten für das Rauheitsprofil sind im Zusammenhang mit den wirksamen Tastnadelradien in Bild 4 [1] dargestellt. Durch die gleichzeitige Festlegung eines maximalen Messpunktabstandes, bezogen auf die Einzelmessstrecke L, entstehen die empfohlenen Bandbreiten (Verhältnis lc zu ls). Der zahlenmäßige Wert der Einzelmessstrecke in Millimeter entspricht dem Nennwert des Filters für die lange Wellenlänge lc der Rauheit.

An der erforderlichen Wahl von lc bei der Durchführung von Messungen, für periodische Profile nach der ermittelten Rillenbreite RSm, für aperiodische Profile entweder nach dem Senkrechtmaß arithmetischer Mittenrauhwert Ra oder gemittelte Rauhtiefe Rz, hat sich nichts Grundsätzliches geändert [2]. Daraus folgt, dass für die Anwendung der Bandbreite bei der Rauheitsmessung die Wahl der langen Wellenlänge lc nach wie vor maßgebend ist (Bild 5).

Bezüglich der Wahl der langen Wellenlänge lf für das Welligkeitsprofil kann auch nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse und Diskussionen ein Wert von lf = 10 lc nur bedingt empfohlen werden. Daraus resultiert das Übertragungsband für die Welligkeit (Bild 3). Die Bedingungen für die Messung des Welligkeitsprofils gilt es noch weiter zu präzisieren. Auch hier wird zur Zeit das Gauss-Filter bereits durch die Messgeräteindustrie angeboten. Alle diese Maßnahmen der Normung zielen darauf ab, in Zukunft besser reproduzierbare Messergebnisse zu erhalten. Das ist aber auch hinsichtlich ihrer Vergleichbarkeit nur bei vollständiger Angabe der unter Umständen noch umfangreicheren Messbedingungen möglich. Als Beispiel sei auf die Notwendigkeit der Angabe des Filtertyps (2RC- oder Gauss-Filter) verwiesen. In Abhängigkeit der untersuchten Struktur der Rauheit kann dieser Einfluss vernachlässigt werden oder bedeutsam sein.

Das ungefilterte Primärprofil ist insbesondere hinsichtlich des Vergleichs von Messergebnissen, die mit Tastschnittgeräten und mit optoelektronischen Verfahren gewonnen wurden, von Interesse.

3D-Oberflächenrauheit

Zur Beschreibung, Kennzeichnung und messtechnischen Erfassung der dreidimensionalen Oberflächenrauheit existieren zur Zeit noch keine Normen. Ein erster Schritt wird darin bestehen, die Parameter und Messbedingungen für die 2D-Rauheit auf die 3D-Rauheit sinngemäß zu übertragen. Als weiterer Schritt müssen völlig neue Kenngrößen definiert werden, die mit dem Funktionsverhalten der Oberfläche besser korrelieren. Hierbei zeichnen sich verschiedene Lösungsansätze ab, wobei insbesondere auf die Arbeiten von P. Scott [16] verwiesen werden soll. Alle diese Arbeiten befinden sich zur Zeit noch im Stadium der wissenschaftlichen Diskussion und praktischen Erprobung.

Zusammenfassung

Die neuen Normen haben die Definitionen für die Oberflächenstruktur präzisiert. Das gilt sowohl für ihre Definition als auch für ihre messtechnische Erfassung. Bestehende Unterschiede hinsichtlich Rz DIN und Rz ISO wurden beseitigt. Eine eindeutigere Interpretation von reproduzierbareren Messergebnissen ist zu erwarten. Die dreidimensionale Bewertung von Oberflächen ist auf dem Vormarsch.

Literatur:

[1] ISO 3274: 12/1996: Geometrical Product Specification (GPS) – Surface texture – Profile method – Nominal characteristics of contact (stylus) instrument

[2] ISO 4287-1: 4/1997: Geometrical Product Specification (GPS) – Surface texture – Profile method: Terms, definitions and surface texture parameters

[3] ISO 4288: 8/1996: Geometrical Product Specification (GPS) – Surface texture – Profile method – Rules and procedures for the assessment of surface texture

[4] ISO 11562: 12/1996: Geometrical Product Specification (GPS) – Surface texture – Profile method – Metrological characteristics of phase correct filters

[5] ISO 12085: 8/1996: Geometrical Product Specification (GPS) – Surface texture – Profile method – MOTIF parameters

[6] ISO 13565-1: 12/1996: Geometrical Product Specification (GPS) – Surface texture – Profile method – Surfaces having stratified functional properties – Part 1: Filtering and general measurement conditions

[7] ISO 13565-2: 12/1996: Geometrical Product Specification (GPS) – Surface texture – Profile method – Surfaces having stratified functional properties – Part 2: Height characterization using the linear material ratio curve

[8] DIN EN ISO 3274: 4/1998: Geometrische Produktspezifikation (GPS), Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren: Nenneigenschaften von Tastschnittgeräten

[9] DIN EN ISO 4287: 10/1998: Geometrische Produktspezifikation (GPS), Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren: Benennungen, Definitionen und Kenngrößen der Oberflächenbeschaffenheit

[10] DIN EN ISO 4288: 4/1998: Geometrische Produktspezifikation (GPS), Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren: Regeln und Verfahren für die Beurteilung der Oberflächenbeschaffenheit

[11] DIN EN ISO 11562: 4/1998: Geometrische Produktspezifikation (GPS), Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren: Messtechnische Eigenschaften von phasenkorrekten Filtern

[12] DIN EN ISO 12085: 5/1998: Geometrische Produktspezifikation (GPS), Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren: Motifkenngrößen

[13] DIN EN ISO 13565-1: 4/1998: Geometrische Produktspezifikation (GPS), Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren: Oberflächen mit plateauartigen funktionsrelevanten Eigenschaften: Teil 1: Filterung und allgemeine Messbedingungen

[14] DIN EN ISO 13565-2: 4/1998: Geometrische Produktspezifikation (GPS), Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren: Oberflächen mit plateauartigen funktionsrelevanten Eigenschaften: Teil 2: Beschreibung der Höhe mittels linearer Darstellung der Materialanteilkurve

[15] Trumpold, H.; Heldt, E.: Why filtering surface profiles? 7. International Conference „Metrology and Properties of Engineering Surfaces“, Chalmers University of Technology, Göteborg, Schweden, 02.-04. April 1997

[16] Scott, P. J.: Foundations of topological characterization of surface texture.

7. International Conference „Metrology and Properties of Engineering Surfaces“, Chalmers University of Technology, Göteborg, Schweden, 02.-04. April 1997.

Weitere Informationen A QE 500

Prof. Dr.-lng. habil. Eberhard Heldt, Taylor Hobson GmbH,Wiesbaden

01.11.1999
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