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Neues Prüfverfahren

Haft- und Gleitreibung
Neues Prüfverfahren

Neues Prüfverfahren
Wolfgang P. Weinhold, M. Sc., Dipl.-Ing. Innowep GmbH Wolfgang P. Weinhold, M. Sc., Dipl.-Ing. Innowep GmbH

Im Bereich der funktionalen Oberflächen sind neben der Problemstellung des Abriebs, Handabriebs auch die Frage der Haft- und Gleitreibungseigenschaften von Bedeutung. Insbesondere spielen im Bereich von Folien- und Verpackungsmaterial, Papier und kraftführenden Oberflächen die Reibungskoeffizienten eine immer grössere Rolle. Es verwundert daher auch nicht, dass sowohl für die Forschung als auch in der Entwicklung und Qualitätssicherung neue Prüfverfahren und -geräte entwickelt werden mussten.
Bei der Ermittlung von Reibungskoeffizienten ist die Bestimmung der Kennwerte „bei trockener Reibung“ von besonderer Bedeutung. Aufgezeigt werden Standardmessmethoden und neue Standardprüfverfahren sowie neue Erkenntnisse und Versuchsdurchführungen.

Versuchsanordnungen

Bei der Bestimmung der Haft- und Gleitreibwerte geht es darum, den Ruhe-Reibungskoeffizienten (Haftreibwert) wie auch den Gleitreibkoeffizienten (Gleitreibwert) zu erfassen. Bei den gängigen Versuchsanordnungen unterscheidet man:

1. Die schiefe Ebene zur Bestimmung des Haftreibkoeffizienten (Abb. 3), Versuchsanordnung mit schräger Gleitebene (engl.: Inclined Plain Methode): Hierbei wird der Neigungswinkel einer ebenen Fläche bestimmt. Dabei beginnt ein mit dem Probematerial bespanntes Prüfgewicht zu rutschen. Folglich wird dieses Verfahren auch Rutschwinkelmethode genannt.

2. Die Versuchsanordnung mit horizontaler Gleitebene (engl.: Horizontal Plain Methode) zur Bestimmung der Haft- und Gleitreibwerte (Abb. 2): Bei der Horizontal Plain Methode wird ein mit der Probe bespanntes Prüfgewicht horizontal über eine Oberfläche gezogen. Über eine geeignete Vorrichtung wird sowohl die Kraft gemessen, bei der sich das Prüfgewicht zu bewegen beginnt (Haftreibung), als auch die erforderliche Kraft, um das Prüfgewicht in Bewegung zu halten (Gleitreibung).

Bei beiden Versuchsanordnungen kann das Probenmaterial gegen eine Standard-Oberfläche geprüft oder die Standard-Oberfläche mit Probematerial bespannt werden, so dass der Reibungskoeffizient mit verschiedenen Paarungsmaterialien ermittelt werden kann.

Im allgemeinen geht man davon aus, dass zwischen Haftreibung und Rutschwinkel ein entsprechender Zusammenhang besteht. Der Haftreibungskoeffizient µ ergibt sich als dimensionsloser Koeffizient aus dem Tangenswert des Rutschwinkels.

Horizontal Plain Methode

Bei trockener Reibung besteht eine Proportionalität zur verwendeten Auflagekraft bzw. dem Prüfgewicht. Ältere Lehrbücher beschreiben, dass die trockene Reibung unabhängig von der Auflagefläche des Prüfkörpers, der Gleitreibungswert unabhängig vom Prüfgewicht und kleiner oder gleich dem Haftreibungswert ist, und dass der Haftreibungswert die grösste Kraft ist, mit der der Gleitreibungsvorgang eingeleitet wird. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Trockenreibung sowohl proportional zum Anpreßdruck ist, und dass die Auflagefläche wie auch die Prüfgeschwindigkeit zu unterschiedlichen Reibungskennzahlen führen. Der Gleitreibungswert kann auch grösser sein als die Haftreibung. Der Haftreibungswert kann auch die kleinste Kraft sein, um einen Gleitreibungsvorgang einzuleiten.

Diverse Messergebnisse mit ein und demselben Polyethylenfilm sollen das verdeutlichen (Abb. 4).

Bedingungen des Versuchsablaufes

Für reproduzierbare Ergebnisse sind die verschiedenen, notwendigen Bedingungen des Versuchsablaufes zu erörtern.

Muster, -vorbereitung und Probenaufspannung: Die Befestigung von Prüfmaterial auf dem Gewichtskörper Abb. 7 a macht deutlich, dass eine ungünstige Befestigung des Probenmaterials auf dem Prüfgewicht zwangsläufig zu nicht reproduzierbaren Messergebnissen führen wird. Hingegen zeigt Abb. 7 b, dass die geeignete Gewichtswahl und Befestigung des Probematerials am Gewichtskörper eine gleichmässige Beaufschlagung auf der Grundplatte erreicht. Somit sind zufällige Störgrössen während des Messvorgangs ausgeschlossen.

Notwendig ist auch eine exakte Ausrichtung des Prüfkörpers im Hinblick auf dessen Bewegungsrichtung. Abb. 5 zeigt die Ausrichtungsproblematik des Prüfkörpers. Hierbei sind massive Pendel- und Seitenmomente zu erwarten, die die Messergebnisse entscheidend beeinflussen. Auch die Geschwindigkeit des Absenkens vom sanften Aufsetzen bis zum Fallenlassen spielt im Hinblick auf die Messergebnisse eine entscheidende Rolle.

Ermittlung des Haftreibungswertes

Als nächster Punkt muss die Ruhedauer des Prüfgewichtes auf der Prüfebene exakt definiert werden. So führt zum Beispiel bei Prüfung von Papier eine zusätzliche Ruhezeit von 45 Sekunden zu einem völlig anderen Haftreibungswert (Abb. 6). Um den Haftreibungswert exakt messen zu können, muss der Kraftaufbau näher betrachtet werden. Der Prüfkörper muss hierbei langsam genug angezogen werden, um überlagernde Effekte zu vermeiden. Der Prüfaufbau erfordert hierbei eine gewisse Elastizität des Kraftschlußsystems. Die Messdatenerfassung muss im Bereich des Haftreibungskennwertes mit einer hohen Taktrate erfolgen, um den Losbrechvorgang genau zu erfassen. Die Dynamik der Zugvorrichtung muss zudem so beschaffen sein, dass sie sich gleichzeitig für die Ermittlung des Haftreibungs- sowie des Gleitreibungskennwertes eignet. Das bedeutet, dass zur Ermittlung des Gleitreibungskennwertes das Zugsystem steif genug sein muss, um den durch das Prüfgerät hervorgerufenen Stick-Slip-Effekt zu vermeiden. Andererseits sollte es aber auch flexibel genug sein, um vom Prüfungsverlauf herrührende Stick-Slip-Effekte erfassen zu können.

LabMaster Slip & Friction

Zur Erfüllung aller neuesten Erkenntnisse und Notwendigkeiten wurde der LabMaster Slip & Friction entwickelt (Abb. 1). Das Gerät verfügt über einen automatischen und programmierbaren Prüfungsabsenk- und -antriebsmechanismus. Der mechanische Aufbau ist so gestaltet, dass die Probe sich reproduzierbar an ein und derselben Stelle befindet. Die Ausrichtung der Probe im Hinblick auf den Kraftaufbau erfolgt in exakter Richtung des Kraftaufbaus. Ein Verdrehen ist somit nicht möglich (Abb. 1). Das System verfügt über einen kontrollierbaren, automatischen Absenkvorgang. Die Ruhezeit der Probe nach Auflage lässt sich frei programmieren. Der Antrieb und das angeschlossene Messdatenerfassungssystem ermöglichen einen kontrollierten Kraftaufbau zur Erfassung des Haftreibungskoeffizienten sowie eine genügende Elastizität in der Zugvorrichtung. Das Messdatenerfassungssystem verfügt über eine hohe Taktrate, die zur Erfassung der exakten Messwerte notwendig ist. Das Meßsystem selbst wird von einem bedienerfreundlichen Touchscreen gesteuert.

Archivierung der Messwerte

Das System besitzt eine eigene Datenbank zur Archivierung der Messwerte. Gemäss ISO 9000 werden die jeweiligen Kalibrierdaten abgespeichert. Die Messdaten können problemlos an andere Systeme übergeben werden. Ein Anschluss an ein Netzwerk ist vorgesehen. Dieses neue Messgerät ermöglicht es somit, gleichzeitig Haft- als auch Gleitreibungswerte reproduzierbar zu ermitteln. Nachfolgende Normen sind in der Software als Standard hinterlegt: DIN 53375, ISO 8295, ISO TC6/SC2/WG19, ASTM D1894, ASTM D4521, TAPPI T549, TAPPI T816 und andere internationale Normen. Die Grundplatte verfügt optional über Temperiermöglichkeiten, wodurch Versuche bei verschiedenen Bedingungen möglich sind.

CONTROL Halle 4, X 1113

Weitere Informationen A QE 601

Wolfgang P. Weinhold, M. Sc., Dipl.-Ing., Innowep GmbH

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